Wie der geneigte Leser vielleicht feststellen konnte, wurde ich gestern Opfer eines Phänomens, das man wohl „downtime“ nennt. Die Vokabel, die ich gestern noch witzig fand, lehrte mich in der Nacht das Fürchten.
Ich hatte eine lange, in meinen Augen recht gelungene Geschichte verfasst, hatte sie auch schon in trockenen Tüchern, d.h. der MamS durfte hier bereits lesen, aber auf dem Weg zum Server hat sich der größte Teil der Story leider aus dem Staub gemacht. Ich musste mich rest- und sinnlos dem Bardolino hingeben, der vorher meine Gyrus so trefflich geschmiert hatte, um nicht in einen hysterischen Schreikrampf zu verfallen, denn das hätte sich in einem Mehrfamilienhaus nachts um 2 vielleicht nicht so gut gemacht.
Seit Samstag ist die hiesige Meschpoche in die finstere Vergangenheit zurückkatapultiert. Die bereits seit geraumer Zeit kränkelnde Spülmaschine versagte ihren Dienst vollends, nachdem ich ihre Innereien mit einem, seitens der Werbebranche gepriesenen Pülverchens pflegen wollte. Es mag sein, dass sie die plötzlich zuteil gewordene Aufmerksamkeit falsch verstanden hat. Jedoch mit kompletter Arbeitsverweigerung zu reagieren, halte ich für etwas überzogen. Miststück, italienisches! Nachdem das hauswirtschaftliche Engagement der minderjährigen Mitbewohner hier eher defensiver Natur ist, bietet der Ausfall der Diva für mich eine treffliche Gelegenheit, Geschichtsunterricht („SO haben wir früher IMMER gespült“) mit Küchenmaloche zu verbinden. Dass Dixie hier keinen gesteigerten Elan an den Tag legt, muss sicher nicht betont werden. Dank meiner scharfzüngigen Überredungstechnik („Wenn du nicht …, dann …) lässt sie uns jedoch ihre Hilfe zumindest halbherzig zuteil werden. Hank muss nicht zweimal an den Spültisch zitiert werden. Er steht seinem peinlich peniblen Polierpapst-Papi beinahe ebenbürtig gegenüber. Trotzdem ist das manuelle Spülen zeitraubend und unangenehm. Deshalb habe ich bereits gestern früh den hiesigen Reparaturguru angefunkt und ein Besuch wurde mir für den gestrigen Abend avisiert. Ich war lange auf, aber Tscha, so heißt der Gute, kam natürlich nicht.
Während ich so wartete dachte ich nach, wie der Mann zu dem Spitznamen gekommen ist. Auf „Tscha“ konnte ich mir gar keinen Reim machen, vielleicht schreibt er sich ja auch „Cha“, dann ist er vielleicht ein etwas begabter Tänzer. Wenn er „Che“ heißen würde, könnte ich mit der Sache ja was anfangen, verfügt er doch über einen ebenso monströsen Klempnerbalken wie ihn der legendäre Freiheitskämpfer Guevara zeitweise trug. Ich werde ihn bei seinem hoffentlich heute stattfindenden Besuch diesbezüglich einer Befragung unterziehen und berichten.
Wikipedia meint, ein Spitzname (im 17. JH spitz = verletzend), auch Übername, Abname, Utzname, Ulkname, Neckname, Scheltname oder Spottname, sei ein kurzer Ersatzname für den realen Namen einer Person oder Sache. Über die Ableitung vom Spottnamen ist ein Spitzname ursprünglich mit einer negativen Assoziation besetzt, sei jedoch zunehmend neutral im Sinne eines Nicknamens. Im familiären Umfeld könnten spitze Beinamen auch eine positive Wirkung haben und seien dann einem Kosenamen ähnlich oder gleichgestellt.
Nun darf ich nicht ohne gewissen Stolz hier verkünden, dass der Welt größter Spitznamen-Vergeber unter dem hiesigen Dach zu finden ist. Der MamS ist der ungeschlagene Nickname-King aller Klassen.
Schon in früher Jugend zeigte sich die Affinität zur Vergabe von grenzinjurierenden Bezeichnungen. So rief der MamS seine kleine Schwester dauerhaft und gegen deren Widerstand ausdauernd „Brettschneider“, was mich, entre nous nur an das Spinnentier namens „Weberknecht“ erinnert und nicht sehr schmeichelhaft ist. Die Mutter des MamS wurde „Bouf“ gerufen, der Vater „Gück“.
Seit beinahe zwei Dekaden bin ich mit dem MamS nun nah bis sehr nah bekannt. Das ist eine lange Zeit, in der allerlei Spitz-, Nick- oder Kosenamen zusammenkommen. So war ich schon:
– Siegblatt
– Stückchen
– Liebessieg
– Lumpl
– Herzlauser
– Sweety
– Doggy (Bezeichnung für den Bauch der Unterzeichnenden)
– Schwängli
– Wendy
– Dr. Renz
– Idl
– Tümmler
– Marone
um nur einige der neckischen Nicknames zu nennen.
Auch unsere Kinder wurden von den Namensvergabe-Aktivitäten nicht verschont:
Tochter war:
– Bläggi
– Dopisch
– Kontraduxe
– Bischi
– Beübl
– Hixe
Sohn war:
– Huschi
– Henkelmann
– Schrotti
– Henkelpott
– Huschenko
– Pöttchen
– Pottmann
Dauerhaft scheinen sie jedoch „Dixie“ und „Hank“ zu heißen. Meine Wenigkeit wird momentan „Ollie“ oder „Holli“ gerufen. Nur selten höre ich meinen echten Namen, im Grunde nur wenn die Stimmung hier in Richtung Nullpunkt sinkt.
Der MamS bekleidet einen sehr trockenen Beruf. Mag sein, dass er seine staubige Arbeit durch diese lockere Namensvergabe zu kanalisieren sucht. Auf fränkisch sagt man dazu: „Jedem Dappn sei Kappn“.
Wie gehabt, das Posting von gestern war sicherlich unterhaltsamer. Leider hat mir eine höhere Macht hier ganz ordentlich in die Suppe gespuckt.
Einen angenehmen und stresslosen Tag wünscht
moggadodde