Schon wieder ist es so spät geworden, dachte sie sich, als sie auf ihr Auto zuging. Ihr fiel ein, dass sie ihr Duschgel auf dem Regal in der Umkleidekabine vergessen hatte, aber das war ihr egal; es roch ohnehin wie nasser Hund. Mit Grausen dachte sie daran, dass sie am nächsten Tag allein die Stellung im Uhren-Kabuff würde halten müssen. Ihre Kollegin hatte sich den Tag frei genommen und das bedeutete, dass sie nicht einmal zur Toilette würde gehen können, weil der Kundenstrom wieder nicht abreißen würde. Wie gern sie ausbrechen wollte aus diesem kleinen, erdrückenden Leben und der lähmenden Einsamkeit, die ihr manchmal die Luft zum Atmen nahm, die sie langsam zu ersticken drohte!
Hinter ihrem Auto stand ein großer, bärtiger Mann, der sie unsicher anlächelte. Er streckte ihr eine schlanke Hand entgegen und sie sah, dass er ihr das vergessen geglaubte Duschgel entgegenhielt. Er kam ihr bekannt vor, und als er sich endlich, endlich ein Herz fasste und sie mit ihrem Namen ansprach, mit seinem komischen, holländischen Akzent und der dunklen Stimme zu reden begann, spürte sie ein Prickeln im Bauch und eine Gänsehaut auf den Schulterblättern. „Ich möchte dich abholen“, flüsterte er und sie verspürte keine Angst, nur plötzlich brennende Neugierde, die ihre Ohren zum Glühen brachte. Sie wünschte inständig, dass dieses durchdringende Kribbeln im Bauch nicht aufhörte, aufregend, fast schmerzhaft und so … lebendig! Zusammen fuhren sie an den kleinen Hafen, wo er sie durch den Nieselregen zu einem kleinen blauen Boot führte und ihr mit festem Griff auf die rutschigen Planken half. Er brachte sie unter Deck und sie war überrascht; so geräumig hatte sie sich das Innere des Schiffes nicht vorgestellt!
Zart berührte er ihr Gesicht mit der Innenfläche seiner Hand: Genauso hatte er sich diesen Moment ausgemalt, seit er ihr zum ersten Mal begegnet war und als er in ihre Augen sah, wusste er, dass auch sie ihr ganzes Leben auf ihn gewartet hatte. Endlich, endlich hatte er den Mut aufgebracht, den entscheidenden Schritt zu wagen!
Sie vertraute ihm sofort und spürte instinktiv, dass er gekommen war, um sie aus dem todbringenden Treibsand ihres leeren, langweiligen Lebens zu ziehen. Er musste gar nicht sprechen, sie wusste es längst: Der legendäre Ritter in strahlender Rüstung war gekommen, sie mitzunehmen. Der Held, auf dessen Ankunft unzählige andere einsame Herzen ungeduldig warteten, war zu ihr gekommen und trug statt glitzerndem Wams einen geringelten Matrosenpullover, den er jetzt über seinen Kopf streifte und ihr einen tiefen Seufzer entlockte, als ihr Blick auf seinen muskulösen Oberkörper traf. Mit warmen, ruhigen Händen begann er, sie auszuziehen und nicht einmal wendete er dabei seinen Blick von ihren wunderbaren Augen, die so tiefdunkel waren wie Zartbitterschokolade. Er nahm ihre Hand und führte sie in den nächsten Raum. Nirgends auf dem Schiff gab es eine Uhr, darauf hatte der Holländer geachtet.
Seit zwei Jahren durchkreuzen sie nun die meist kalte und unwirtliche Nordsee und wenn die Vorräte zur Neige gehen, steuert er, der Skipper, einen nahen Hafen an, kellnert einige Tage in den Spelunken des Ortes, um Treibstoff und Verpflegung kaufen zu können. Die Tage auf See sind ausgefüllt mit Ausbesserungsarbeiten am inzwischen recht maroden Schiff und die Nächte sind die Erfüllung aller jemals geträumten Träume. Sie weiß noch immer nicht seinen Namen, aber das scheint ihr auch unwichtig. Er bereitet ihr jeden Tag mühelos unvergessliche Augenblicke, hat ihr den Glauben an ein lebenswertes Leben zurückgegeben. Sie IST sein Leben und es gibt keine Distanz oder Fremdheit zwischen ihnen, obwohl sie selten sprechen. Wichtige Dinge können auch ohne Worte gesagt werden.
Die Küstenbewohner wundern sich jede Nacht über merkwürdige, tanzende Lichter auf dem unruhigen Meer. Sie erzählen sich unheimliche Geschichten über den Klabautermann und den Fliegenden Holländer und es halten sich hartnäckig die Gerüchte, wonach diese blitzenden Lichter ganz kurz so hell strahlen wie 10 Sonnen …
Ende
kompliment! einfach wunderbar erzählt und überraschend bis zum schluß…
frohes fest!
Hach ja…
Ain Schiif wiird komen…
Wirklich gute Geschichte.
Wünsch Dir und den Deinen ein frohes Fest!
kompliment frau moggadodde. das ist eine wirklich schöne geschichte. toll geschrieben.
einfach klasse!
p.s. die kategorie… ich weiß, bin ein korinthenkacker. uups, so was sagt man nicht an solchen tagen. ‚tschuldigung!
Hab’s schon wieder gleich geändert, markus. Ich sag doch, dass ich manchmal recht schlampig arbeite … Mit Korinthenkackern kenne ich mich übrigens sehr gut aus 😉
Ist vielleicht ein wenig sehr seicht geworden, die Story, aber es ist ja Weihnachten und da kann ich ja nicht blutig … Trotzdem danke!
Euch allen einen schönen Tag mit allem, was ihr euch für heute wünscht oder vorgenommen habt und schöne, freie Feiertage!