Die Sonntagseuphorie hat, wie sich die geneigte Leserschaft vielleicht insgeheim schon denken konnte, eine knallharte Landung in den dornigen Niederungen des grausamen Alltags hingelegt. Bei Licht und ohne Feuerzangenbowlengenuss besehen musste man ja auch nicht die Fähigkeiten eines Orakels besitzen, um das vorherzusehen.
Dixie und ihr ausdrücklicher Wunsch, der freundlichen Einladung von Schatzis Eltern zu folgen und den kommenden Silvesterabend in Herborn zu verbringen, sorgt unterschwellig schon seit einigen Tagen für Störungen in der Schlagfrequenz meines ohnehin bereits angeschossenen Mutterherzens. Schwere Bedenken hinsichtlich der Tatsache, dass sie noch niemals allein eine derartige Strecke unter den fragwürdigen Fittichen der Deutschen Bahn unternommen hat hintanstellend, sagt die großzügige, linke Gehirnhälfte: „Lass sie fahren. Sie ist fast 14 und weiß, wo und wann sie umsteigen muss.“ Die andere, gestrenge und zuweilen ängstliche rechte Hälfte des Hirns sagt: „Lass sie nicht fahren. Sie ist noch nicht mal 14, wird am Umsteigebahnhof Ffm garantiert den Ãœberblick verlieren und in einem rot ausgeleuchteten Schaufenster in Anderlecht landen oder in den feisten Armen des Chefs eines rumänischen Mädchenhändlerrings.“ Die linke Front hatte sich trotzdem bereits einen beachtlichen Vorsprung erarbeitet.
Einen ganz geschickten Schachzug landeten die beiden Verliebten nun gestern Abend. Dixie schickte Schatzi vor, um mir (mal wieder und beileibe nicht die einzige) eine schlechte Note beizubiegen. Er, redegewandt und fremdwortsicher, ist sachliches Diskutieren mit seinen gebildeten Eltern offenbar gewohnt und erstaunte mich mit teilweise vernünftigen Argumenten wie denen, dass ein Verbot der Fahrt die Noten nicht ungeschehen mache, er sein Versprechen gebe motivierende Unterstützung zu leisten und es auch für ihn unglaublich wichtig sei, Dixie an Silvester zu sehen. Offenherzig bekannte er, dass er nun jetzt in einer schwierigen Gegend wohnt, eine Schule besuche, in der er sich überhaupt nicht wohl fühle und sich schon unglaublich freue. Sicher gäbe Dixies Besuch beiden Auftrieb für das neue Schuljahr, meinte er schließlich. So gern ich ihn auch hätte, erwiderte ich, für die Entscheidungsfindung hätte sein Wohlbefinden nur untergeordnete Bedeutung.
Die beiden Hälften meines Gehirns liefern sich nunmehr erbitterte Gefechte. Die liberale Linke befürwortet Dixies Reise als Vertrauensbeweis und Ansporn für die kommenden Jahresaufgaben. Die radikale Rechte neigt zur Verhängung von Sanktionen, die nachhaltiger wirken als das inzwischen schon dauerhafte Computerembargo.
Zwei Herzen schlagen, ach, in meiner Brust Zwei Hälften streiten, ach, in meinem Hirn!
Neben Herrn Shakespeare steuert auch Herr Allen hier ein treffendes Bonmot bei:
Ich für meinen Teil werde es schon noch hinbekommen, meinen Verstand und diesen dämlichen Muskel in meiner Brust zu verkuppeln …
Euch einen komödiantischen Abend wünscht
moggadodde