Dieser Eintrag wird kein guter Eintrag und ich weise eingangs gleich darauf hin, dass sich in diesem Text einige schlimme, um nicht zu sagen unflätige Worte fallen werden, die ich so normalerweise nicht in die Tasten bringe, aber ihr seht es mir sicher nach und wenn nicht ist es mir auch wurscht.
Gestern freute ich mich tierisch, als ich meinen Vater sah, wach, relativ interessiert, ohne Katheter und nur mit dem Schlauch in der Nase und der Kanüle im Hals. Er lachte, als ich im erzählte, dass die Bayern Bernd Schuster als Trainer wollen und ich dachte, das Schlimmste ist vorbei und ab jetzt geht es aufwärts. Brüderchen und ich wollten einen Arzt sprechen, um zu erfahren, wie das jetzt weitergeht, und oh Wunder, es war sogar einer da, der uns bat, nochmals ins Zimmer zu gehen, er würde uns gleich holen. Als wir nach einer halben Stunde fragten, was denn wäre, sagte uns ein Pfleger, der Dr. E. sei jetzt weg. „Wie weg?“ fragte ich blöde. „Zur Fortbildung“, sagte der glatzköpfige Pfleger. Ziemlich böse machte ich meinem Unmut Luft und der Pfleger musste es ausbaden aber das war mir egal. Heute rief ich Dr. E. persönlich an und er meinte, ich müsse das verstehen, er hätte viel zu tun, blablabla, wir machten für heute 17.00 Uhr einen neuen Termin.
Als ich ankam, erfuhr ich, dass mein Vater heute Nacht randaliert habe. Er zog sich die Schläuche und machte Bambule und jetzt wurde er ausquartiert und in eine Einzelzelle gelegt, wo er sich seine Sonde noch dreimal herausrupfte. Seine Nierenwerte sind wieder unter aller Sau, die wassergefüllten Beine sehen aus wie Elefantenstampfer, er ist wieder vollkommen aus der Spur, halluziniert und wollte die Schwester ohrfeigen.
Nachdem Dr. E., der schnöselige Arsch, sich mit uns Kindergesindel eines minderwertigen AOK-Versicherten scheinbar nicht abgeben wollte, sprachen wir mit einem Dr. U., einer Zierde seiner Zunft, der uns eine geschlagene halbe Stunde in einem richtigen Besprechungszimmer Rede und Antwort stand und alle Fragen hoffentlich ehrlich und tatsächlich verständlich beantwortete. „Durchgangssyndrom“ nennt er das, was mein Vater da jetzt hat, nicht selten nach einem schweren Eingriff bei einem älteren Patienten, vor allem, wenn er, wie sich eine Schwester nonchalant ausdrückte, „nicht ins Bier gespuckt“ hat.
Wir waren lange im Krankenhaus, auch weil Vater vollkommen hyperaktiv auf seiner viel zu kleinen Pritsche umherzappelte, wo ein 2-Meter-Mann auch unter günstigen Umständen verflucht nochmal keinen Schlaf finden kann. Mit Gesten deutete er an, dass er zur Toilette müsse, wir sortierten Schläuche und versuchten verzweifelt, den verdammten Infusionsständer durch die zu enge Tür zu bugsieren. Wieder im Bett fing er an zu hyperventilieren. Er atmete in die Tüte, zwischendrin spritzte beim Husten gelber Schleim aus der Kanüle und er beschrieb mit den Händen einen Druck auf der Brust. Die gerufene Ärztin schickte uns raus, untersuchte ihn, kaum raus, murmelte was von „komm gleich“ und verschwand auf Nimmerwiedersehen, die beschissene Kuh! Ich also nach einer Zeit wieder ins Schwesternzimmer, was denn nun wäre und dort hieß es, alles sei in Ordnung mit dem Bauch und dem Herzen und er und die Station würden wohl eine ereignisreiche Nacht haben. Der Umstand, dass seine Einzelzelle im allerletzten Dreckseck liegt, im fünften Stock mit einem gottverdammten, riesigen Schiebefenster gibt mir Anlass zur Sorge und als ich vorhin nochmals anrief, hatten sie ihn schon ins Schwesternzimmer gestellt, damit er unter Kontrolle ist.
Nachdem ihm die Entfernung der Lymphknoten im Hals noch bevorsteht, diese aber erst gemacht werden kann, wenn die Nierenwerte besser sind, wird er a.) noch einige Zeit im Krankenhaus bleiben und b.) mit ziemlicher Sicherheit genau den gleichen himmelscheißeverdammten Gehirnzirkus mitmachen müssen wobei niemand sagen kann, ob da nicht was zurückbleibt. Der Besuch aus der Nervenklinik hat ihm ein Neuroleptikon verordnet und so langsam muss so ein Organismus ja schlapp machen bei all den verfluchten Medikamenten, die er intus hat.
„Huredreggsgeraffel!“ und „Bluatsakrament!“ sind die Lieblingsschimpfworte meines Vaters, gerne und oft benutzt. Und genau das will ich wieder von ihm hören, richtige, herzhafte, ehrliche Flüche, wenn irgendwas nicht hinhaut, wie er sich das vorstellt, was unter normalen Umständen recht häufig der Fall ist.
Langsam aber sicher macht mir dieses Auf und Ab noch schlimmer zu schaffen als sein hilfloser Zustand auf der Intensivstation. Natürlich trägt seine ungesunde Vorgeschichte ihr gerüttelt Maß Mitschuld am jetzigen Zustand, aber, scheißenochmal, er soll wieder werden, scheiß auf die Magensonde und die Scheiß-Kanüle, die drinbleibt bis die beschissene Bestrahlung vorbei ist. Aber bitte, bitte lass ihn im Kopf wieder klar werden, lass ihn nicht als Gehirnkrüppel enden, gefangen in seiner eigenen Welt, die uns verschlossen ist.
Ich will, dass alles wieder gut wird.
moggadodde
‚Ich will, dass alles wieder gut wird.‘
Viel Kraft, viel Hoffnung, viel Geduld
-und von Herzen alles Liebe.
Gut, daß du dir so hemmungslos Luft gemacht hast. Ich kann dich sehr gut verstehen.
Ich wünsche deinem Vater und euch alles Gute, auf daß ihm dieser ganze Krankenhaus-Scheiß nicht so viel seines Geistes kostet.
Och menno … ich würde gern sagen können: es wird schon wieder … aber jetzt heisst es wohl abwarten.
Danke euch beiden. Ich habe auch ziemlich geheult beim Schreiben, aber aus Wut und wütende Tränen schmecken besser als Traurige.
Wünsch Dir viel Kraft!
Was kann ich sonst tun…
das würde mich auch wütend machen. Och Moggadodderle….TRänen sind auch notwendig. Wie sagen die Chinesen: der Rotz muss raus. Ich wünsch dir ganz viel Power.
Er ist heute Nacht noch auf die Intensivstation zurückverlegt worden. Die Nieren haben wieder schlappgemacht und eine vorübergehende Dialyse wird überlegt, beatmet wird er auch und sediert sowieso. Nix neues also und da unten ist er wenigstens sicher, hoffe ich …
*daumen-drück*
Schade, dass Ärzte die Dr. E. dann auch noch das Vertrauen zerstören, dass man speziell als Patient aber auch als Angehöriger in ein Krankenhaus braucht.
Wenn er keine Zeit hat, wußte er dies entweder vorher und hätte gleich an einen anderen Arzt verweisen können oder wenigstens ausrichten lassen können, dass er es nicht mehr geschafft hat. Vermutlich ist ihm aber eh alles egal …