Ich möchte jetzt niemanden neidisch machen, aber ich sage es jetzt trotzdem: Ich habe Urlaub! Zwei Wochen! Nach dem heutigen Tag in den Katakomben habe ich diesen allerdings auch redlich verdient. Schon eine Viertelstunde nach Anpfiff streikte die Bahn, was unnützes Herumstehen ergab, weil irgendwann Ohne in uninteressante Details zu verfallen sei nur bemerkt, dass ich angesichts meines heutigen, unerklärlicherweise recht desolaten Gemütszustandes herzlich gerne alle, bis auf drei der anwesenden Damen mit einem Dauerfeuer aus meiner imaginären Kalaschnikow niedergestreckt hätte! Zu allem Ãœberfluss hatte ich es direkt mit Frau Walfisch gegenüber zu tun, die sich mehrmals über ein am nächsten Platz von Frau Sprechmaschine eingesetztes, zugegebenermaßen penetrantes Deodorant mokierte. Gerade sie, die oft stinkt wie ein Harzer Roller! Ich hatte es satt, als sie gegen 11.00 Uhr einen Palettenschubser zum tausendsten Mal „Paulchen“ ruft, obwohl er nicht so heißt, ich hatte es satt, ca. zwanzig Mal, wenn jemand versehentlich den Lichtschalter ausknipst: „Feierabend, jetzt gemmer heim!“ zu hören, ich hatte das postpubertäre Geschwafel des mir zugeteilten Azubis satt, der mir von seinen „voll geilen“ Sauforgien am Mainufer berichtete, ich hatte das zänkische Gekeife zwischen den Kittelschürzen satt und irgendwann hatte ich mich selbst satt, weil ich ständig darüber nachdachte, wie sehr ich alle anderen satt hatte …
Endlich, endlich war Feierabend und ich besuchte meinen Vater, der die Intensivstation heute verlassen hat, was mich aber alles andere als beruhigt. In einem Zimmer JWD lag er lediglich mit der Halskanüle und einem Nasenschlauch, unfähig zu sprechen zwar, aber sehr wach. Schlimm wurde es, als er husten musste, panisch wurde, der Schwester klingelte, die ihm den Schleim absaugte. Er las die Zeitung und ich freute mich, als er etwas aufschrieb, aber als er mir den Zettel gab, verging mir das Lachen gründlich. Er sei „montags, dienstags und mittwochs als Kameramann in München gewesen“, schrieb er. Dort sei er „Darsteller eines kranken Mannes“ gewesen, „24 Stunden je Tag“. Das käme „auch als Film raus“ – und er meinte es ernst. Noch mehr verängstigt bin ich jetzt, da er auf der „normalen“ Station liegt, wo er nicht exklusiv gepflegt wird, sondern eine Pflegekraft für sehr viele Kranke zuständig ist und ich habe gesehen, wie er panisch reagiert, wenn nicht sofort jemand kommt … Am meisten beunruhigen mich allerdings die immer noch gegebenen Hirnleistungsstörungen. In einem Krebsforum habe ich mich jetzt auch angemeldet und versuche dort brauchbare Angaben zu erhalten
Am Abend musste ich dann zu allem Überfluss noch ein Frauengespräch mit Dixie führen, die in Verhütungsfragen jetzt endlich zugänglich geworden ist und das ist ein Thema, das mir schon länger unter den Nägeln brennt und jetzt endlich angegriffen wird, sowie ein Grundsatzgespräch mit Hank bezüglich der mangelnden Hausaufgabenerledigung an meinen Arbeitstagen.
Die Meteorologen sprechen gern von „gefühlter Temperatur“. So kann diese, wenn es bei knappen Minusgraden windig ist, schnell auf „gefühlte Minus 15 Grad“ kommen. Kann es wirklich sein, dass auch dieser Tag nur 24 Stunden hatte? Die „gefühlte Tageslänge“ betrug bei mir heute mindestens 34 Stunden …
Euch eine lange Nacht wünscht
moggadodde