Mit Kindern in der Blüte der Pubertät versteht es sich schon unter günstigen Umständen von selbst, dass die Telefonleitung einer steten, harten Prüfung unterzogen wird. Von Glück können der MamS und ich sprechen, wenn wir ausnahmsweise am Abend telefonieren müssen und Dixie sich vom Telefon lösen kann, ohne dass die Ohrmuschel daran kleben bleibt. Manch keimfreudiges Gewächs wäre angesichts der langen Verweildauer schon angewurzelt. Wir haben die Anklopffunktion aktiviert, die die betreffende Quasselstrippe von einem eingehenden Anruf unterrichtet. Des öfteren wurden wir angesprochen, dass man vergeblich versuchte, uns zu erreichen und fanden heraus, dass Dixie die Anklopfer ignoriert und einfach weiter mit Schatzi telefoniert. Dass das natürlich auch nicht zuletzt wegen meines kranken Vaters nicht angehen kann, versuchten wir ihr zu vermitteln, aber gestern erzählte mir meine Mutter wieder, sie hätte angerufen und wäre nach langem „Anklopfen“ aus der Leitung geflogen. Aufgrund dieses Umstandes wurden Dixies Telefonaktivitäten unsererseits bereits drastisch eingeschränkt. Am Abend gehe ich nun an ihrem Zimmer vorbei und höre sie werkeln, Schranktüren scheppern, Schubladen werden geöffnet und geschlossen, ansonsten ist es still in ihrem Raum. Ich wundere mich, weil die Telefonbasis im Flur ein laufendes Gespräch anzeigt und sage, dass sie ihr Telefon wohl nicht richtig aufgelegt habe. Sie erwidert: „Och nööö, ich telefonier‘ ja noch“. Ich frage: „Wie, wo telefonierst du denn?“ Sie sagt: „Na, das Telefon liegt auf dem Bett. Ich mach‘ jetzt hier mal was und dann telefonier ich weiter.“ Ich stelle fest, dass sie ja wohl eine Meise unterm Pony hätte und mich jetzt gar nicht mehr wundert, dass uns niemand mehr erreicht, wenn sie das Telefon als Hintergrundgeräuscheübermittler für Schatzi missbraucht.
Heute beschloss sie die Zubereitung eines Schokoladenpuddings. Als sie aus der Küche kommt, frage ich, ob denn der Pudding schon fertig ist und sie bejaht; sie habe ihn kalt gestellt. Ich sage sofort, sie solle den heißen Pudding aus dem Kühlschrank holen, und sehe im Geiste unseren Stromzähler, wie er um sich selbst kreiselnd aus der Wand katapultiert wird, als ich ein komisches Geräusch aus der Küche höre. Instinktiv weiß ich sofort, was Sache ist: Das Schaf hat den Edelstahltopf vom Herd direttamente auf die Glasplatte im Kühlschrank gestellt und, pling, der Beweis, dass kaltes Glas als schlechter Wärmeleiter zum Abstellen eines sehr heißen Metalltopfs denkbar ungeeignet ist, liegt auf der Hand. Ihre Physiknote im Zwischenzeugnis scheint mir noch geschmeichelt.
Ohnedies war auch die Stimmungs-Chemie heute bereits reichlich unterkühlt. Seit Tagen rede ich mir bei beiden die Lippen blutig, denn eine Aufräum- und Säuberungsaktion der beiden Sauställe ist überfällig. Ich habe mir abgewöhnt, ihnen das abzunehmen und seitdem sieht es aus wie Blücher, und zwar bei beiden, aber noch mehr eben bei Dixie, die alles, wirklich alles und dazu auch alles Unaussprechliche, unter ihr Bett pfeffert oder großzügig auf ihren gut 15 qm verteilt. Ich wusste, ihr Computer läuft und in längeren Abständen betrat ich ihr Zimmer und mahnte den Beginn der Aufräumarbeiten an, die sie mir mehrmals mit „Ja, ich mach’s gleich“ in Aussicht stellte.
Nachdem vorhin noch immer nichts in diese Richtung passiert war, kam die nächste, naturwissenschaftliche Disziplin ins Spiel. Ich machte etwas ganz Gemeines, eine mütterliche Todsünde, dessen bin ich mir voll bewusst: Ich verbündete mich mit Schatzi (der bei Dixie selbst eine gewisse Neigung zur Ãœberreaktion in den letzten Tagen feststellte) und beschrieb ihm die nervtötende Situation, während ich das Telefon in ihr Zimmer brachte. Dort stritten wir noch ein bisschen und diesmal warf ich die Tür, dass es nur so schepperte. Danach war es still in der Wohnung, deshalb hörte ich jedes Wort, mit dem sie sich bei Schatzi, der sie auf den rechten Weg der Tugend zurückzubringen bereit ist, zu rechtfertigen versuchte. Ein bisschen Tränen, ein bisschen Hadern mit dem schweren Schicksal, die Tochter einer solchen „Nervensäge“ von Mutter zu sein, ein bisschen Lamentieren über den ewig bevorzugten kleinen Bruder und überhaupt sei alles total beschissen, neben den sämtlichen Defiziten, die eine akutpubertär Betroffene ohnehin schon an sich selbst sieht. Hiermit ist also die Biologie abgedeckt, die sich mit dem Zusammenleben von Organismen, ihrer Entwicklung und der Interaktion der Individuen untereinander beschäftigt. Und Dixies derzeitigen Gemütszustand schreibe ich mal wieder dem akuten PMS zu. Die blutige Geißel des gebärfähigen Weibchens macht uns manchmal bereits in ihrem Vorfeld zu hoch gefährlichen ABC-Waffen.
Euch einen friedlichen Abend wünscht
moggadodde