Ein entsetzter Anruf erreichte mich gestern von einer der federführenden Cheforganisatorinnen der sonntäglichen Leistungsschau: Der eigens engagierte Photograph, der für alle beteiligten Hauptpersonen die Aufnahmen in der Kirche machen sollte um zu vermeiden, dass 15 Väter vor dem Altar herumhüpfen und die Früchte ihrer Lenden aus allen erdenklichen Winkeln ablichten, was die Konzentration des betagten Herrn Pfarrers stören und Unruhe im Kirchenschiff schaffen könnte, hat sich eine Erkrankung zugezogen und wird wegen eines Krankenhausaufenthalts den für ihn ohnehin nicht sonderlich lukrativen Auftrag nicht wahrnehmen können.
In einer halben Woche einen ähnlich günstigen Fachmann zu finden, der nicht aus den Reihen der Angehörigen rekrutiert wird und dem man deshalb bei mißlungenen Aufnahmen nur zurückhaltende Vorhaltungen machen könnte, schien aussichtslos und die anderen Mütter drehten ob dieser Botschaft von Hiob himself am Rad wie ein Rudel Hamster auf Speed. „Jetzt kann es uns passieren, dass der Erich die letzte Möglichkeit ist. Ich habe noch keine Fotos von ihm gesehen aber die F. hat gesagt, der kann nicht fotografieren“, sagte Mutter L. „Hast du nicht noch eine Idee?“ begann sie zu flehen. Ich verschwieg, dass mein Brüderchen ein recht passabler Fotograf ist um zu vermeiden, dass der Ärmste von hysterischen Elternteilen mit Blicken in der stillen Kirche getrietzt wird, damit ihr Sprößling unter allen Umständen ausreichend geknipst wird. Außerdem soll er sich ja wenigstens ein bisschen amüsieren und nicht arbeiten müssen.
Statt dessen äußerte ich meine ehrliche Meinung und dass diese mit der Ansicht eines Großteils der betroffenen Muttertiere nicht konform geht, war mir schon vorher klar: „Mir“, sagte ich, „ist es eigentlich vollkommen schnurzpiepegal, ob Fotos im Inneren der Kirche gemacht werden.“ Ich bräuchte nicht unbedingt ein Foto meines Sohnes von dem Moment, wenn er sich zum ersten Mal eine Hostie in den Mund schiebt. Ich wüsse zwar genau, dass sich die Aufnahme des Leib Christi zumindest bei Hank nicht sehr oft wiederholen würde, zumal er nach der langwierigen Vorbereitung und der jetzigen Woche täglichen Choreographie-Trainings für die nächsten Jahre ohnehin keine Kirche mehr freiwillig von innen sehen wollte. Aber ich weiß aus Erfahrung mit Dixie sehr wohl, dass die kirchlichen Aufnahmen ihrer Kommunion in einem Schuhkarton vor sich hin gammeln. Nur die in gelöster Atmosphäre am Nachmittag im Freien von uns selbst geschossenen Fotos würden dann und wann hervorgeholt. Wenn es in der Kirche Fotos gebe, sei es gut, wenn es keine gebe, empfände ich das aber auch nicht als Grund, mich im Taufbecken zu ersäufen.
Wie erwartet herrschte geplättete Stille. „Naja, nee, also ich will schon, dass die Jana-Franziska fotografiert wird, wenn sie die Hostie kriegt“, konterte sie und erklärte, dass sie nun die anderen Mütter informieren würde. Vielleicht hätte dort ja noch jemand eine Idee und tatsächlich, so habe ich vorhin erfahren, wurde L. fündig und hat einen Ersatz gefunden, der für 5,00 € pro Kind Fotos und eine CD avisiert hat.
Ehrlich gesagt bin ich ziemlich froh, nicht an Hanks Stelle sein zu müssen und am Sonntag wie eine ferngesteuerte Marionette die fast ungeteilte Aufmerksamkeit einer proppevollen Kirche plus einem Ersatz-Paparazzo zu haben. Heute hat er bereits schärfstens herumgenölt, dass der Herr Pfarrer die Kinder bei der Probe zusammengestaucht hat („Wenn ihr euch jetzt nicht richtig hinstellt, hören wir einfach auf und ihr blamiert euch am Sonntag, nicht ich!“) und die nun tägliche Stell-, Gesangs- und Sprechprobe unterzieht seine kindliche Geduld ohnehin einer harten Prüfung. Er hat es so gewollt – da muss er nun durch – und ich wohl mit.
Euch einen friedlichen Abend wünscht
moggadodde
Das dörflich-biedere Ambiete, dass du skizzierst, könnte vermutlich 1:1 für eine TV-Satire übernommen werden *xxl-grins*
Irgendwie erinnert es mich auch sehr stark an meine Zeit in Nürnberg. Naja, jeder wie er mag – du scheinst jedenfalls die für dich nötige Distanz mit einer gesunden Mischung aus Diplomatie und Humor aufrecht zu halten 🙂
Wenn der Pfarrer tatsächlich das gesagt hat, was er gesagt haben soll, dann fehlt ihm die soziale Kompetenz für die Führung eines Kleintierzüchtervereins. Wie so ein Erziehungskrüppel in die Kirche kommt, wundert mich nicht zum ersten Mal.
Also ich hab von diesem Moment keine Fotos und ich fühle mich deshalb nicht einer wichtigen Erinnerung beraubt. Bei uns wurde generell erst nach der Kirche fotografiert. Vermutlich waren das aber noch andere Zeiten, wo man ob katholischer Erfurcht in der Kirche nicht rumblitzen und fotografieren durfte.
Nun hast du es ja schon fast geschafft! Nicht mal mehr eine Woche und alles ist vorbei!
nicht alles, was in der Kirche ist, ist christlich – er ist eben auch nur ein Mensch;-)
Halte durch Mogga!
@barbara: wie jetzt, heißt das etwa, dass herr pfarrer unchristlich ist? :O)
hachja, ich erinnere mich an die zeit meiner 1. (heiligen) kommunion zurück. alles, was mich dazu gebracht hatte, war das versprechen, viele geschenke zu bekommen. die proben fand ich mehr als lästig. hab aber wegen der zu erwartenden geschenke durchgehalten… lange ist es her…
du machst das schon mogga…
@ Mephisto: Tatsächlich, meinen Humor verliere ich nicht so schnell und der Hühnerhaufen ließe sich bestimmt auch 1A verfilmen: „The Holy Ghost Gang“ oder so 🙂
@ azahar: Du hast überlebt! Ohne Fotos! Wow. Bist schon ein hartes Mädchen 😉 Ja, jetzt dauert es nicht mehr lange …
@ barbara: Du verstehst mich sowieso, hast du so etwas nicht auch schon hinter dir mit deiner Süßen?
@ markus: Zumindest das hat sich nicht verändert. Die Geschenke sind natürlich ein Aspekt, der ziemlich im Vordergrund steht, auch wenn die Betroffenen das immer vehement und aufs Schärfste bestreiten! Wie war das mit dem Lügen? 🙂
nö, Jule ist nicht getauft. Ich wollte ihr die Entscheidung selbst überlassen. Auch ohne Taufe und KOnfirmation ist aus ihr ein lieber Mensch geworden 😉