„Gelobt sei Jesus Christus. In Demut und Reue bekenne ich meine Sünden. Meine letzte Beichte war am xxx.“ Das war der vorgeschriebene Satz, mit dem zu unserer Kindheitszeit die Beichtzeremonie eingeleitet wurde. Mit pochendem Herzen hockte man in einer der drei dunklen Kammern, in der Mitte der Pfarrer und auf der anderen Seite durch ein Schiebetürchen abgetrennt der nächste reuige Sünder, dem sich der Pfarrer nach Behandlung meines Falles zuwenden würde. Flüsternd zählte man nun die Verfehlungen der letzten Zeit auf, die sich in meinem Fall stets auf die gängigen Feld-Wald- und Wiesen-Sünden beschränkten: „Ich habe meine Eltern angelogen. Ich habe der Monika ans Schienbein getreten. Ich habe einen Kaugummi geklaut“. Streng genommen hätte auch das Vorhandensein unkeuscher Gedanken oder gar Taten zum Vortrag kommen müssen, aber noch bevor ich in den dunklen Beichtstuhl trat wusste ich, dass ich diese Sünde mit niemandem teilen würde, was darauf hinweist, dass meine religiöse Karriere schon zu früher Zeit zum Scheitern verurteilt war, denn bei der notwendigen Gewissenserforschung im Vorfeld konnte ich nicht versprechen, dass ich diesbezüglich nicht wieder sündigen würde – wer kann schließlich schon etwas für seine Gedanken? „Ich will mich ernstlich bessern und bitte um Buße und Lossprechung“ waren die letzten Worte, die der Beichtvater dann mit dem Ausspruch einer der Sünden angemessenen Strafe quittierte. 10 Ave Maria oder 3 Vaterunser. Der MamS musste in seiner Jugend auch des öfteren den Kreuzwegberg erklimmen.
Hank hatte heute eine Einführung ins Beichtprozedere und ich muss sagen, da hat sich Großes geändert. Während wir uns unsere Verfehlungen noch selbst aus den Tiefen der verdrängten Erinnerung hervorpopeln mussten, bekam Hank ein Vorschlagsblatt überreicht mit einer üppigen Auswahl an Sünden, kategorisch getrennt in „Daheim“ (z.B. „streiten“, „schimpfen“, „Teller kaputt machen“, „dreckig sein“, „Eltern schlagen“), „In der Schule“ (z.B. „abgucken“, „schwätzen“, „in der Pause prügeln“, „schlechte Noten schreiben“), „Beim Spiel“ („mogeln“, „heimlich vorrücken“, „jemanden schlagen“) und „Gebet und Gottesdienst“ („Blödsinn machen“, „Sünden begehen“, „nicht an Gott glauben“), wobei mir die Auswahl schon etwas engstirnig anmutet. Niemand schreibt schlechte Noten vorsätzlich und dass „dreckig sein“ eine Sünde ist, war auch mir neu. Und wer gar nicht erst an Gott glaubt, kann folglich auch gar keine Sünden begehen. Böser Denkfehler, Herr Pfarrer!
Praktischerweise wurde Hank gleich noch ein DIN A-4 Blatt übergeben, auf dem er seine Sünden aufschreiben und ihn als Spickzettel mit in den Beichtstuhl nehmen darf. Das nenne ich mal fortschrittlich!
Wenn euch jetzt der Sinn nach Erleichterung steht, ihr müsst nicht einmal das nächste Fachgeschäft aufsuchen. Hier ist nämlich u.a. genau beschrieben, wie die Online-Beichte funktioniert und da habe ich schon nicht schlecht gestaunt.
Hank wird wohl neben den lässlichen, alltäglichen Sünden nicht viel zu beichten haben, denn in seinen Augen ist er sowieso fehlerlos. Ein Vergehen, das er zu beichten gedenkt, hat er mir allerdings sogar eröffnet: „Mama“, sagte er „jetzt weiß ich, was ich beichte! Ich beichte einfach, dass ich beim Fußball letzten Samstag den Ball zu wenig abgegeben habe!“ Wenn ich mir die obige Sündenliste so anschaue glaube ich ohne Zweifel, dass das alsbald noch in den Schandtatenkatalog aufgenommen werden müsste.
Euch einen sündigen Abend wünscht
moggadodde
Was bin ich froh, evangelischer Atheist zu sein.
Meine Eltern haben versucht, mich evangelisch zu erziehen. Mit dem Erfolg, das ich an keinen Gott ausser mir selber glaube ;-).
Das hat den Vorteil, das ich niemandem irgend etwas beichten müsste, ausser meiner Frau.
evangelischer atheist? wunderbar! dann bin ich ein katholischer. aber so vermessen mich als meinen gott zu bezeichnen bin ich nunmal nicht. ich bin atheist!
das mit diesem vorschlagsblatt ist ja kaum zu glauben, die katholische kirche versucht modern zu sein. aber, bei aller liebe, diese beispiele sind doch zum haareraufen…
Das klingt jedenfalls alles doch sehr traditionell, aber andererseits… auch schön. Schön anstrengend allemal. 😉
„Wir sind alle kleine Sünderlein,
’s war immer so, ’s war immer so.
Der Herrgott wird es uns bestimmt verzeih’n,
’s war immer, immer so.
Denn warum sollten wir auf Erden
schon lauter kleine Englein werden?
Wir sind alle kleine Sünderlein,
’s war immer so, ’s war immer so.
Englein können wir im Himmel sein,
’s war immer so, immer so.“
Zum Glück 😉
@ Uwe: Heißt es nicht sogar: „Du sollst keine anderen Götter neben dir haben“ :-)) ?
@ markus: Es ist ein Dilemma. Ich persönlich bin zwar katholisch getauft aber im Grunde bin ich jetzt Anhängerin der Rosinenreligion. Aus jeder Glaubensrichtung picke ich die mir zusagenden Elemente ein bisschen heraus und bin von allem etwas. Ich bin also weder ein katholischer noch ein evangelischer, sondern ein Multikulti-Atheist.
@ Karin: Hast schon Recht, traditionell heißt ja, es war halt schon immer so und ich gönne auch jedem seinen Glauben. Ich habe aber den Eindruck, als sei in manchen Familien der avantgardistischste Türschmuck, die kostspieligste Menüfolge oder der aufwendigste Einband für das „Gotteslob“ wichtiger als das Sakrament an sich und das kann ich genausowenig leiden wie aufoktroyierte Glaubensvorschriften einer verknöcherten Altherrenorganisation. Aber was machen Mami und Papi nicht alles mit … 🙂
@ babs: 🙂 Ganz genau! Und ohne Sünden wäre das Leben ziemlich langweilig und wenn die Sünde auch nur aus einem Stück Buttercremetorte besteht …
Sorry, ich konnte nicht anders. Bei meinem Nicknamen darf ich das aber:
Fiktive Dialoge im Beichtstuhl
Für was denn sorry? Es freut mich doch, wenn ich dich auf Gedanken bringe … und auf das Angebot von Glücksspiel beim Beichten muss man erstmal kommen 🙂
Ich bin absolut unschuldig! Irgendwie lass ich dein Posting und tippte im nächsten Augenblick den Dialog runter… 🙂
Ich habe dich also
mit der Idee geschwängert befruchtetinspiriert, was bedeutet, dass eigentlich ich das Böse bin. Ätsch!Darum ja das „Sorry“ – weil ich schüchterne Gestalt dir das Böse virtuell geklaut habe, um meinem Ruf den Hauch der Verruchtheit anzuhängen.
Ach, dein Lieblingswort – schüchtern – taucht auch wieder auf! Dabei musst du dir den Ruf der Verruchtheit gar nicht anhängen, er eilt dir doch schon voraus 🙂
Mist … „schüchtern“ war ja schon ausgebrannt, ich wollte ja mit „bescheiden“ weitermachen. Ok, nächstes Mal 😉
Gute Wahl! „Bescheiden“ hört sich auch besser an als „anspruchslos“, was zwar das gleiche ist. Aber als „anspruchslos“ werden meist nur pflegeleichte Zimmerpflanzen bezeichnet. Wollt‘ ich nur mal so gesagt haben …
Ich fühle mich nicht ernst genommen …
Weichei, bescheidenes!
Pffft! Als ob du wissen könntest, welche Konsistenz meine … ähm … Nee, lieber nicht 😉
Also meins war heute morgen ziemlich weich, ich mag sie gerne ziemlich kurz gekocht, 5 Minuten maximal …
Trinken tue ich lieber Weizen, bleifrei. Das Ei – vor dem Wort „mein“ scheue ich mich an dieser Stelle – darf acht Minuten kochen.
Barbarisch! Ich trinke gerne Eierlikör und das Gelb meines Eis darf noch leicht schlonzig sein.
Das Gelb schon, das Weiß nicht … jetzt sage nicht, im Norden gehen wie Ihren langsamer 😉
Gute Nacht! 🙂
Mein Wecker klingelt morgen so verflucht früh, dass ich nicht mal an Eier denken kann … Die beiden Eier in meinem Bett dürfen überdies morgen liegen bleiben. Auch dir gute Nacht!
verstehe ich das richtig mit dem Vorschlagsblatt? Einfach nur die Verfehlungen ankreuzen? Vielleicht geht das ja auch online? 😉
Dein Beitrag hat mich zum erstem Mal im Leben mit diesem religiösen Brauchtum etwas intensiver konfrontiert. Thanks! 🙂
Eigentlich erscheint mir das Prozedere gar nicht so übel. Wenn man das ganze heilig-heilig-Geseiere weglässt, ergibt sich letztendlich die Fähigkeit Selbstkritik zu üben und zu erlernen. Du befindest dich dabei sozusagen vor einem Vertreter der Gemeinschaft (damals zumindest war doch der Beichtvater ein ranghoher Vertreter deiner unmittellbaren gesellschaftlichen Umgebung) und musst dich du zu deinen Fehlern bekennen. Eigentlich kein schlechter Ansatz um Konflikte zu lösen und soziale wie auch moralische Kompetenzdefizite aufzuarbeiten. Der fiktive Dialog von Mephisto macht auch humorvoll deutlich, dass man zudem dabei lernen kann sich zu artikulieren und knapp und direkt zur Sache zu kommen.
Leider hat die betreffende Sekte das positive Potential dieser Selbsttherapie im Laufe der Zeit nur zum Selbsterhalt ihrer Macht und einem kleingeistigen Gotteskult verkümmern lassen. Die Lösung mit dem Sündenblatt scheint mir, mit Verlaub, ein Zugeständnis an die Pisastudie.
Weniger ernst: Zugegeben, mich hätte natürlich das Thema der unkeuschen Gedanken auch erbaut. Aber leider bist du verdammt schnell abgeschweift 🙁
*brrr* die beiden Wörter Beichte und Zahnarzt lösen bei mir etwa die gleichen Gefühle aus.
Wir hatten so einen ganz fiesen Pfarrer, der uns als Buse nicht nur 10 Ave Maria sondern Sozialarbeit aufgab, so als wären wir Jugendstraftäter, einen Nachmittag im Altersheim etc.
@mephisto
Vieleicht sollte man nicht nur Bingo anbieten.
So ein einarmiger Bandit, bei dem man spielen muss, bis der Ablass gewährt ist, würde bei den klammen Kassen der katholischen Kirche sicherlich helfen.
@markus
Ich bin mein Gott und welcher Deiner ist, ist mir so egal, wie der chinesische Reissack.
Von mir aus soll jeder sein eigener Gotte sein … oder gar keiner ?
In meinen Beichtstühlen gäbe es Poker und Roulette und alkoholische Getränke. Also was solls.
@azahar
Das war die vorhergenommene Hörigkeit der Obrigkeit gegenüber.
Dein Pfarrer hat das gemacht, was GEZ, die Musik- und Filmindustrie und Schäuble gerade praktizieren.
Alle sind schuldig bis zum Beweis der Gefängnisstrafe.
@ barbara: Naja, er musste die betreffenden Sünden halt von dem Blatt abschreiben. Es hätte aber niemand gemerkt wenn er die betreffenden Verfehlungen mit Textmarker gekennzeichnet hätte. Wäre schneller gegangen, glaube ich 🙂
@ bt: Ich könnte mir schon vorstellen, dass die Grundsteine zum Ausüben von Selbstkritik und all den anderen, nützlichen Fähigkeiten zum sozialverträglichen Individuum zu reifen, hier gelegt werden. Aber ich denke auch, dass mit dem Ausschließlichkeits- und vor allem Unfehlbarkeitsanspruch, den die kath. Kirche ihren Anhängern gegenüber preist, heute keine Kunden gehalten werden können. Die Welt hat sich rasant entwickelt aber der Vatikan ist noch in seiner Höhle und grillt sich ein Wildschwein.
Zu meinen unkeuschen Gedanken und Taten in dem zarten Alter, das ich damals hatte, muss ich nicht viel ausführen. Du stehst doch eh nicht auf Blümchensex 🙂
@ azahar: Och komm, Zahnarzt ist doch nicht schlimm! Aber Angst ist in diesem Alter einfach das Instrument, mit dem die Jugend damals geködert werden konnte … Heute zieht das nicht mehr besonders gut. Wenn ich daran denke, dass unser Pfarrer, als ich Kind war, den Jungs regelmäßig Kopfnüsse gab, wenn sie nicht bei der Sache waren – der gute Pfr. Franz, selig, wäre heute schon exkommuniziert!
@ Uwe: Die Idee mit dem einarmigen Banditen ist hervorragend!
Und exklusiv hier bei mir darf jeder glauben, was er will! Deinen Hinweis an Frau azahar, was die GEZ und die Musik- und Filmindustrie angeht, habe ich ehrlicherweise nicht ganz verstanden …