Ich war mal wieder im Supermarkt. Seit die bei toom umgebaut haben, macht Einkaufen dort gefährlich viel Spaß. Heute allerdings war es nur solange lustig, bis ich an die Käsetheke kam.
Eine rotwangige Käseabteilungsfachverkäuferin, die die Schwester von Joy Fleming sein könnte, bedient nämlich den Herrn, der vor mir an der Reihe ist. Der Mann mit dem hässlichen Blockstreifenpullover ist unschlüssig, welchen Käse er noch nehmen soll. Hinter mir steht ein sportlicher Kunde, südländischer Typ, gut durchgebräunt und im folgenden „SL“ genannt.
Der Pullover scheint mit seinem wulstigen Finger auf jede der 350 Sorten zu zeigen und Joy, anfangs noch recht freundlich, erklärt zunehmend gereizt den Geschmack der einzelnen Produkte und auch nach fünf Minuten ist der Pullover mit seiner Bestellung noch immer nicht durch. Hinter mir trippelt der SL schon nervös von einem Bein aufs andere. Entweder er ist in Eile oder er muss dringend aufs Klo, vielleicht beides. „Der Stilfser“, sagt der Pullover, „wie schmeckt der?“ „Gut“, antwortet Joy schon ziemlich kurz angebunden aber mit dieser maulfaulen Auskunft gibt sich der Pullover nicht zufrieden. „Wie ‚gut‘? Würzig wie Appenzeller oder eher lau wie Butterkäse?“ will er wissen und Joy setzt an und hält einen Monolog über Stilfser Käse, der so lange dauert, dass ich den „Wilhelm Tell“ auswendig lernen könnte. Auf Schwyzerdütsch, wohlgemerkt.
Inzwischen dauert die Chose dem SL zu lange, er schert hinter mir aus der Schlange aus und platziert sich vor dem Pullover. „Suldigung? Haben Sie Parrrmessann hierre?“ unterbricht er freundlich mit einem entzückenden, italienischen Dialekt das zähe Verkaufsgespräch. „Ja, hier“, antwortet Joy sichtlich genervt und stochert mit ihrem langen Käsepiekser zwischen den Parmesanbrocken herum. „Iche brauche nurr eine Stügge“ sagt der SL und der Pullover signalisiert mit einem kurzen Nicken, dass er mit dem außerplanmäßigen Einschieben des SL einverstanden ist. „Oh, das isse sssu gross“ bemerkt der SL, als ihm ein Stück in Plastikfolie eingewickeltes Stück Käse gezeigt wird und Joy verdreht ihre mit azurblauem Lidschatten garnierten Augen. „Das muss jetzt aber schnell gehen“, bellt Joy ihn an und dabei beginnt das Häubchen auf ihrem ondulierten Kopf vor lauter Unmut ein bisschen zu wackeln. Als er auch das nächste Stück als unpassend betrachtet, tritt der Pullover auf den Plan. „Wirklich! Wenn ich Sie schon vorlasse, sollten Sie schon wissen, was Sie wollen“ ätzt er dem SL entgegen. „Jetzt mal ruhig“, springe ich dem SL zur Seite, „ich warte ja hier auch schon ziemlich lange und ich glaube nicht, dass Sie so genau wissen, was Sie wollen“ sagte freundlich ich zum Pullover, der mich mit einem Blick bedenkt, der Frau Antje umgehend versteinert hätte. Der SL nimmt inzwischen das Stück Parmesan, das ihm Joy aufgenötigt hat, in Empfang, schaut mich mitleidig an und dreht mit einem Kopfschütteln ab. Nun wendet sich Joy wieder dem Pullover zu und erklärt, der Stilfser sei ein herzhafter Österreicher. Warum denn da dann ein italienisches Fähnchen im Käse stecke, will der Pullover, der mir inzwischen mehr als gründlich auf den Keks geht, wissen. Dass der Käse aus Südtirol käme, antwortet Joy nun, und dass sie kein österreichisches Fähnchen mehr hatte und Italien da ja unterhalb liege. Südtirol sei ja Österreich.
Als ich mir meinen Wagen greife, mich unglaublich fremdschäme und kurzerhand beschließe, dass es heute keinen Käse geben wird, bin ich heilfroh, dass der Italiener neben der Offenlegung deutscher Unfreundlichkeit nicht auch noch den letzten Bodensatz deutscher Dummheit mit anhören musste.
Hoffentlich kriegt der Pullover einen monströsen, tagelang andauernden Durchfall von seinem Stilfser und hoffentlich gerät Dumpfbacke Joy demnächst an einen Kunden, der ihr das aufgesetzte, dümmlich-falsche Grinsen von den rosigen Backen haut.
Euch einen friedlichen Abend wünscht
moggadodde