Timing

Den heutigen Tag wollten wir am Nachmittag mit einem Kinobesuch krönen. „Born to be wild“, Kartenbestellung Nr. 268, 16.10 Uhr. Kurzfristig ändern musste ich diesen Plan nach dem Anruf meiner Mutter, wenn ich meine Oma noch einmal lebendig sehen wolle, müsste ich heute ins Krankenhaus.

Ich bin nur ein bisschen traurig, weil ich weiß, dass meine Oma mit ihren 85 Jahren ein in bescheidenem Rahmen erfülltes Leben hatte, drei gesunden Töchtern dasselbe schenkte und nicht lange leiden muss. Sie hatte ein immer sonniges Gemüt, obwohl in den letzten Jahren immer mehr die eigene Krankengeschichte in den Vordergrund ihrer Erzählungen trat, was mir an ihrer Stelle ganz sicher nicht anders ginge. Sie war eine begeisterte Sängerin und bekam mit einem Schoppen zuviel stets flammendrote Ohren, sie liebte Tiere und hatte bis zuletzt eine Kollektion von schreiend kitschigen Puppen auf dem Sofa sitzen, sie war eine miserable Bäckerin, kochte aber den besten Pichelsteiner Eintopf. Ihren Sinn fürs Dramatische hat sie meiner Mutter vererbt und den Tag zum Abschied nehmen hat sie sich so ganz konsequent richtig ausgesucht.

Den Nachmittag verbrachte ich also im Kreise meiner Tanten, Cousins und Cousinen, meines Bruders und meiner Mutter und abwechselnd streichelten wir ihren Arm, der immer kälter wurde, erzählten Geschichten von früher und begleiteten sie ein Stück auf dem Weg zu ihrer eigenen Himmelfahrt.

Euch einen wunderbaren Abend wünscht
moggadodde

Das Joch mit dem Stilfser

Ich war mal wieder im Supermarkt. Seit die bei toom umgebaut haben, macht Einkaufen dort gefährlich viel Spaß. Heute allerdings war es nur solange lustig, bis ich an die Käsetheke kam.

Eine rotwangige Käseabteilungsfachverkäuferin, die die Schwester von Joy Fleming sein könnte, bedient nämlich den Herrn, der vor mir an der Reihe ist. Der Mann mit dem hässlichen Blockstreifenpullover ist unschlüssig, welchen Käse er noch nehmen soll. Hinter mir steht ein sportlicher Kunde, südländischer Typ, gut durchgebräunt und im folgenden „SL“ genannt.

Der Pullover scheint mit seinem wulstigen Finger auf jede der 350 Sorten zu zeigen und Joy, anfangs noch recht freundlich, erklärt zunehmend gereizt den Geschmack der einzelnen Produkte und auch nach fünf Minuten ist der Pullover mit seiner Bestellung noch immer nicht durch. Hinter mir trippelt der SL schon nervös von einem Bein aufs andere. Entweder er ist in Eile oder er muss dringend aufs Klo, vielleicht beides. „Der Stilfser“, sagt der Pullover, „wie schmeckt der?“ „Gut“, antwortet Joy schon ziemlich kurz angebunden aber mit dieser maulfaulen Auskunft gibt sich der Pullover nicht zufrieden. „Wie ‚gut‘? Würzig wie Appenzeller oder eher lau wie Butterkäse?“ will er wissen und Joy setzt an und hält einen Monolog über Stilfser Käse, der so lange dauert, dass ich den „Wilhelm Tell“ auswendig lernen könnte. Auf Schwyzerdütsch, wohlgemerkt.
Inzwischen dauert die Chose dem SL zu lange, er schert hinter mir aus der Schlange aus und platziert sich vor dem Pullover. „Suldigung? Haben Sie Parrrmessann hierre?“ unterbricht er freundlich mit einem entzückenden, italienischen Dialekt das zähe Verkaufsgespräch. „Ja, hier“, antwortet Joy sichtlich genervt und stochert mit ihrem langen Käsepiekser zwischen den Parmesanbrocken herum. „Iche brauche nurr eine Stügge“ sagt der SL und der Pullover signalisiert mit einem kurzen Nicken, dass er mit dem außerplanmäßigen Einschieben des SL einverstanden ist. „Oh, das isse sssu gross“ bemerkt der SL, als ihm ein Stück in Plastikfolie eingewickeltes Stück Käse gezeigt wird und Joy verdreht ihre mit azurblauem Lidschatten garnierten Augen. „Das muss jetzt aber schnell gehen“, bellt Joy ihn an und dabei beginnt das Häubchen auf ihrem ondulierten Kopf vor lauter Unmut ein bisschen zu wackeln. Als er auch das nächste Stück als unpassend betrachtet, tritt der Pullover auf den Plan. „Wirklich! Wenn ich Sie schon vorlasse, sollten Sie schon wissen, was Sie wollen“ ätzt er dem SL entgegen. „Jetzt mal ruhig“, springe ich dem SL zur Seite, „ich warte ja hier auch schon ziemlich lange und ich glaube nicht, dass Sie so genau wissen, was Sie wollen“ sagte freundlich ich zum Pullover, der mich mit einem Blick bedenkt, der Frau Antje umgehend versteinert hätte. Der SL nimmt inzwischen das Stück Parmesan, das ihm Joy aufgenötigt hat, in Empfang, schaut mich mitleidig an und dreht mit einem Kopfschütteln ab. Nun wendet sich Joy wieder dem Pullover zu und erklärt, der Stilfser sei ein herzhafter Österreicher. Warum denn da dann ein italienisches Fähnchen im Käse stecke, will der Pullover, der mir inzwischen mehr als gründlich auf den Keks geht, wissen. Dass der Käse aus Südtirol käme, antwortet Joy nun, und dass sie kein österreichisches Fähnchen mehr hatte und Italien da ja unterhalb liege. Südtirol sei ja Österreich.

Als ich mir meinen Wagen greife, mich unglaublich fremdschäme und kurzerhand beschließe, dass es heute keinen Käse geben wird, bin ich heilfroh, dass der Italiener neben der Offenlegung deutscher Unfreundlichkeit nicht auch noch den letzten Bodensatz deutscher Dummheit mit anhören musste.
Hoffentlich kriegt der Pullover einen monströsen, tagelang andauernden Durchfall von seinem Stilfser und hoffentlich gerät Dumpfbacke Joy demnächst an einen Kunden, der ihr das aufgesetzte, dümmlich-falsche Grinsen von den rosigen Backen haut.

Euch einen friedlichen Abend wünscht
moggadodde

Geiler Stoff!

Die Vorhänge waren heute zu waschen und jetzt stelle ich fest, dass ich es mag, wenn es in der Wohnung nach Pirsel riecht. Wahrscheinlich ist dem Flüssigwaschmittel neben einem Hauch Vernel auch irgendeinen Ephedrinzusatz; ich war umtriebig und leistungsfähig wie selten. Vielleicht hatte ich auch nur endlich mal genug Schlaf.
Jedenfalls machte ich mich danach über den Kleiderschrank her und förderte Klamotten zutage, die noch nicht einmal die Bewohnerin eines Wüstenkrals in Burkina Faso tragen würde. Drei Müllsäcke füllten sich binnen einer halben Stunde mit Modesünden vieler Jahre und wanderten später in den mobilen Container. Trotzdem wurde ich wehmütig: Mit dieser Bluse bestieg ich 1990 einen Elefanten in Kenia! Diese Hose versaute ich mir auf den schweineheißen Zinnen irgendeiner türkischen Festung! Abgeschnitten und unprofessionell umgenäht fristete auch sie ein dunkles Dasein in den Tiefen des Schwetürenschrankes, ebenso wie ein Dutzend Hosen, in die ich mich auch nicht mehr hineinpressen könnte, wenn ich vorher in Olivenöl gebadet hätte. Unsicher wurde ich kurz bei einem schwarzen Pailletten-Top (weg damit!) sowie einem perlenbesetzten Seidengürtel, der vor verdammt vielen Jahren mein Hochzeitskleid zierte (bleibt vorerst da!).

Erkenntnis des Tages: Ein Kochtopf, randvoll mit Steinpilz-Risotto, gibt beim Umrühren obszöne Geräusche von sich.
Frage des Tages: Kann man auch aus Silberfischchen eine leckere Bouillabaisse zubereiten?
Lacher des Tages: Spongebob strickt Thaddäus einen Pullover aus Augenbrauen.
Empfehlung des Tages: Vorhänge waschen mit Pirsel – verleiht Flügel und erweitert das Bewusstsein!

Euch eine klare Nacht wünscht
moggadodde

THINK !

Mit stolzgeschwellter Brust hat mir Hank heute früh einen selbst gemachten Kresseigel überreicht. Dass mir allein von dem leicht modrigen Geruch ganz blümerant zumute wird, hat er ja nicht wissen können und ich habe es ihm selbstverständlich auch nicht verraten, deshalb spende ich das geerntete Grünzeug gerne der Allgemeinheit. Die Schokopralinenstange vom MamS habe ich schon nach dem Frühstück vertilgt und einen Rosenquarzanhänger übergab er mir am Nachmittag. „Damit du mich nicht vergisst, wenn ich mal gestorben bin“, sagte er. Gut, dass ich eine Sonnenbrille trug, damit er meine sentimental-feuchten Augen nicht entdeckte.

Zeit hatte ich heute genug, um eine neue Kopfnuss della casa zu kreieren. Nach dem letzten, recht einfachen Rätsel finde ich, solltet ihr eure Gehirnflüssigkeit mal wieder ziemlich nahe an den Siedepunkt bringen müssen.
Ich suche heute ein Wort, das im weitesten Sinn dem Feld „Technik“ zugeordnet werden kann:

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plus z.B.

Drei Engel für Charlie
oder
Dallas
oder
Daktari

Ich denke, auch diesmal ist die Nuss nicht unlösbar. Der Kniff mit der deaktivierten Kommentarfunktion hat sich ebenfalls recht gut bewährt. Eure Lösungsvorschläge könnt ihr ab Montag, 12.00 Uhr MESZ einreichen; zu dieser Zeit werde ich die Kommentarleitung wieder freigeben.
Ein bisschen gemein bin ich ja schon, denn ich hoffe, euch rauchen diesmal ordentlich die Köpfe …

Hautnei!
moggadodde

Warnhinweis

Zur Vermeidung von überaus unangenehmen Reizungen der Atemwege i.V.m. nachhaltiger Übelkeit, die, ein sensibles Bronchialsystem vorausgesetzt, durchaus über mehrere Stunden anhalten kann, ist das Betreten eines Raumes, in dem drei pubertierende Jugendliche genächtigt haben während dieser lediglich durch Kippbelüftung mit Sauerstoff versorgt wurde, nur mit ABC-Schutzmaske anzuraten.

Wenn ich heute früh auf die Idee gekommen wäre, dort ein Streichholz anzuzünden, wäre der Schuppen mit Sicherheit sofort hochgegangen.

Euch einen aromatischen Tag wünscht
moggadodde