Vorhin hat sich in den Straßen der Großstadt Dramatisches ereignet: Dixie zeigte ganz großes Theater, ein Schauspiel, wie es selbst in den Straßen des einst verrufensten Viertels nicht so häufig aufgeführt werden dürfte. Arbeitstitel: „Abmachungen und wie ich sie am besten breche“.
Schatzi weilt übers Wochenende wieder bei seinem Kumpel T. in der Stadt und schon ein- oder zweimal durfte auch Dixie bei diesem Freund mit übernachten. Mit T’s Mutter habe ich besprochen, dass es nicht zur Regel werden darf, dass immer, wenn Schatzi in der Stadt ist, auch Dixie dort nächtigt. Bei der letzten Gelegenheit hat sie nicht dort geschlafen und ich rechnete damit, dass sie heute, bevor sie sich mit den beiden traf, das Thema anschneidet. Tat sie aber nicht, vielmehr besprach der MamS mit ihr, dass wir sie am Abend abholen würden und ich rief ihr noch hinterher, sie solle ihr Telefon mitnehmen und angeschaltet lassen, damit wir uns verabreden könnten. Alles schien klar, sie war einverstanden und ich wähnte alles in Butter.
Am Abend waren wir bei W’s zum Grillfest eingeladen und als es Zeit wurde, rief ich Dixie an, natürlich war sie nicht erreichbar. Gegen halb 11 ruft sie an und fragt, ob sie bei T. schlafen könne. T’s Mutter hätte auch gar nichts dagegen. Warum sie nicht an ihr Handy gehe, frage ich. Sie antwortet, sie habe es bei T. vergessen. Nach einigem Hin und Her wird der Ton sehr schnell sehr laut und sie verkündet, dass sie aber ganz sicher da schlafen wird und weil sie mir lautstärke- und tontechnisch reichlich dumm kommt, teile ich ihr mit, dass ich sie jetzt auf der Stelle abholen werde. Ich weiß genau, dass es pure Berechnung war: Sie rechnete damit, dass ich, wie schon zweimal, nachgeben würde, wenn sie nur spät genug anriefe und unsere Zustimmung wollte. Dass sie ihr Telefon absichtlich bei T. gelassen hatte, während sie durch die Stadt streiften, erscheint mir sicher. Auch als sicher und inzwischen von ihr bestätigt ist der Umstand, dass sie schon heute Mittag, bei der Abhol-Absprache genau ins Kalkül gezogen hatte, dass ihre Alten nachgeben, wenn sie wieder auf die kurzfristige Ãœbernachtungsidee kommt.
Ich wusste ja, wo sie sich aufhalten und blitzgeschwind fuhr ich dort hin. Dixie meinte zunächst lapidar, dass sie nicht einsteigen werde, ich könne gerne wieder heimfahren. Sie lief langsam von mir weg, während Schatzi und T. sich abwartend auf dem Bürgersteig niedergelassen hatten. Ich ging ihr hinterher, redete zunächst ruhig. Die letzte Absprache wäre die von heute Mittag gewesen und die werde sie nun auch einhalten, was sie zunächst lächelnd abtat. So hatte ich sie noch nie gesehen. So entschlossen und eisig. Während ich ihr Konsequenzen androhte, stellte sie sich mitten auf die Frankfurter Straße und fing an zu geifern, mit ihrer lauten, schrillen Stimme. Sie werde ganz bestimmt nicht mitfahren. Sie werde bei T. schlafen, ich hätte es ihr versprochen. Richtig ist, dass ich ihr zusagte, sie könne dort bei jedem zweiten Besuch von Schatzi schlafen und das wäre jetzt auch gewesen. Hätte sie vor Abfahrt heute Mittag darüber mit uns gesprochen, wäre das auch in Ordnung gegangen. Hat sie aber nicht, die letzte Absprache lautete eben anders. Ich packte sie am Arm und zog sie von der Straße, während sie immer lauter brüllte und ich ihr hilflos androhte, dass ich ihr gleich eine scheuern würde.
Jetzt kam Schatzi und vollkommen hysterisch klammerte sie sich an seinen Hals. Sie flüsterten und er sprach beruhigend auf sie ein. Ich sagte, er solle dafür sorgen, dass sie jetzt zum Auto komme, ich würde dort warten. Nach einigen Minuten, in denen diverse Vorhänge bewegt und zahlreiche Hälse gereckt wurden, kamen die beiden an. Nun kam mir Schatzi ein bisschen blöd und meinte, dass er ja für alles Verständnis habe aber allein die Androhung von Gewalt verursache im Unbehagen und er fände Schläge ja wohl das Allerletzte. Ich antwortete ihm, dass ich das auch finde, aber er erwarte wohl jetzt nicht ernsthaft, dass ich das mit ihm hier ausdiskutieren würde. Er solle selbst erstmal ein paar Kinder in die Welt setzen und dann könnten wir ja nochmal über das Thema reden.
Dixie hatte sich schon im Auto verkrochen als ich einstieg und grußlos ging Schatzi ab.
Auf der Heimfahrt war der Hormonspiegel schnell auf Normalnull und sie war schon nach einigen Minuten wieder normal ansprechbar. Sie gab zu, genau diesen Gedankengang gehabt zu haben: Wenn ich mein Handy nicht mitnehme, kann sie mich nicht anrufen. Wenn ich spät genug anrufe, bekomme ich sie wieder rum. Ich gestehe, sie hätte mich wieder weichgekocht, aber als sie anfing, in ihr Telefon zu brüllen, fiel bei mir der Verständnis-Vorhang.
Ich habe vorhin eine unglaubliche Geduld bewiesen und danke dem Herrn, so es ihn gibt, ggf. auch auf Knien dafür, dass der MamS nicht dabei war. Der hätte Dixie nicht nur um einiges heftiger von der Kreuzung gezerrt, sondern ihr wahrscheinlich wirklich eine verpasst und dem Schatzi nach seiner neunmalklugen Ansprache gleich noch eine.
Natürlich bin ich gegen Gewalt. Aber ein vierzehnjähriges Gör, dem die Pubertätshormone das Gehirn lahmlegen, macht es einem wirklich schwer, nicht mitten auf der Frankfurter Straße ein legendäres Blutbad anzurichten.
Euch eine friedliche Nacht wünscht
moggadodde