Die Wahl des richtigen Hairstylisten ist für eine Frau ja beinahe so wichtig wie für so manchen Mann die Bundesligatabelle am Sonntagabend. Naja, nicht für alle, aber für viele.
Ãœber den Salon „Zum Doppelten Lottchen“ gibt’s im Grunde nichts zu meckern. Zwischen gewickelten, unter der Trockenhaube schlummernden Ömchens und plärrenden Dreijährigen, die auch gegen Bestechungsversuche mit Gummibären das langmähnige Köpfchen partout nicht zum Nackenschnitt beugen wollen, versenke ich mich stets tief in die „Frau im Spiegel“ oder ins „Goldene Blatt“ und schlürfe an meinem Kaffee. Immer, wenn ich den Salon „Zum Doppelten Lottchen“ verlasse, sehe ich fast aus wie vorher. Gut, frisch coloriert und um einige Zentimeter gekürzt bin ich wohl, aber niemandem aus meiner Peripherie fällt mein um die 65 Euro teurer Ausflug in eine plüschige Filiale der chemischen Industrie so recht auf.
So stand mir heute der Sinn nach etwas mehr Veränderung und ich schlug das Telefonbuch auf und studierte die Einträge. Ich entschied mich sehr mutig für einen der bekanntesten Coiffeure und bevor ich mir das nochmal überlegen konnte, rief ich an und bat um einen Termin.
Sie: „Salon Glatzkopf. Was kann ich für Sie tun?“
Ich: „Tach. Mogga mein Name. Ich hätte gerne einen Termin noch in dieser Woche, wenn es geht“.
Sie: „Ja, lässt sich machen. Bei wem?“
Ich: „Das müssen Sie mir sagen. Ich war nämlich noch nie bei Ihnen.“
Sie: „Wollen Sie lieber jemand jüngeren oder jemand älteren?“
Jetzt wurde ich stutzig. Wenn ich mich für eine jüngere Friseurin entschied, würde ich den Laden vielleicht vollkommen entstellt wie ein aufgeplatztes, grünes Sofakissen verlassen, weil die 13jährige Auszubildende die Farben verwechselt und noch nie eine Schere in der Hand gehabt hat. Würde ich mich für eine ältere Mitarbeiterin aussprechen, sähe ich danach eventuell aus wie Mireille Mathieu oder Angela Merkel.
Ich, vorsichtig: „Ich habe generell keine Vorurteile, weder gegen junge, noch gegen ältere Mitarbeiter. Ich will nur einen einigermaßen peppigen Haarschnitt und eine nicht zu grelle Farbe“.
Sie gab mir einen Termin für Donnerstag und als ich auflegte, wurde mir einmal mehr bewusst, dass ich im Moment quasi alterslos bin. Ich bin zu alt für die Jungen und zu jung für die Alten. Wenn ich in den Katakomben den studentischen Aushilfen zuhöre, die in überheblicher Selbstsicherheit die Weisheit mit Suppenkellen gefressen zu haben scheinen, könnte ich, ohne hochstapeln zu wollen, mitreden, wenn es z.B. um RSS, den letzten Muse-Auftritt im Wembley-Stadion oder die Wirkung von Jägermeister-Red Bull auf ungefüllte Mägen geht. Nun sehe ich leider nicht mehr aus wie Anfang 20, werde deshalb in derlei Gespräche nicht eingebunden und den Teufel tun und mich ungefragt in diese Debatten einmischen, um nicht als überkandidelte Muddi belächelt zu werden, die mit ihrem Alter nicht klar kommt.
Bei den bejahrteren Mitarbeiterinnen fange ich gar nicht erst an von Bloggen, Downtime oder Gravataren zu reden, weil dort in erster Linie über Geranienzuchtprobleme, braune Flecken an Tomatenstauden oder den richtigen Umgang mit halsstarrigen Enkeln diskutiert wird und weil ich keinen grünen Daumen und keine Enkel habe, gehöre ich dort auch nicht dazu.
Eine prekäre Situation also, die sich, realistisch betrachtet, nur dadurch lösen lässt, dass ich selbst noch älter werde, bunte Geranien pflanze und Oma von halsstarrigen Enkeln werde, was sich mir aber im Moment auch nicht als besonders prickelnd darstellt.
Ich werde also noch eine gewisse Zeit den Habitus der alterslosen Nomadin zwischen den Generationen pflegen müssen, bevor ich mich zwangsläufig endgültig im Lager der welken Walküren niederlasse. Zuerst aber werde ich mir aber am Donnerstag einen richtig geilen Haarschnitt verpassen lassen und mich zumindest temporär ein bisschen so fühlen, als wäre ich von der Altersdemenz noch mehr als ein paar lausige Jahre entfernt. Ich finde übrigens, Friseure haben einen sehr verantwortungsvollen Beruf. Ich hoffe nur, ich gerate am Donnerstag an ein besonders fähiges Exemplar, ob jung oder alt ist mir dabei vollkommen egal …
Euch eine schneidige Nacht wünscht
moggadodde