Hank ist, wie sehr viele seiner Altersgenossen im Augenblick, ganz versessen auf Yu-Gi-Oh! und faselt pausenlos von „Spezialbeschwörung“, „Harpyie-Monstern“, „Ekstatischem Funkendreieck“, „Kettendrescher“ und „Triggereffekt“.
Eine spezielle Beschwörung nehme ich zwar des öfteren vor, mit Monstern habe ich auch gelegentlich zu tun, unter dem beschriebenen Dreieck könnte zumindest ich mir etwas vorstellen, mit Kettendreschern assoziiere ich jemanden, der mir ziemlich auf die Nerven geht und der Trigger ist mir als Auslöser in der Schmerztherapie bekannt. Aber die Jungs kennen das Regelwerk bezüglich dieses Kartenspiels vermutlich besser als ich.
Das August-Taschengeld wollte Hank nun komplett in ein neues „Structure-Deck“ investieren und nachdem ich heute nicht aus dem Haus muss, fiel die komfortable Kutschfahrt mit Muddis Mietwagen für ihn aus.
Jetzt kam er auf die Idee, die 6 km ins Nachbardorf, wo der angesagte Spielzeugladen sitzt, per pedes zurückzulegen, was im Grunde kein Problem wäre. Nur muss er auf der Strecke ein kurzes Stück auf einer Bundesstraße gehen und eine andere, stark befahrene Straße queren und da hege selbst ich Bedenken, denn erst wenn es einem dort ohne Blechkarosse stehend das ungeschützte Körperlein durchrüttelt erkennt man nämlich, WIE schnell die Autos tatsächlich dort unterwegs sind.
Er war aber voller Selbstvertrauen, das zu schaffen und ich erkannte keinen Übermut oder falsches Heldentum in seinem Entschluss und so packte ich ihm mein Mobiltelefon in den Rucksack, gab mir einen Stoß und Hank letzte Instruktionen und winkte ihm mit einem zwiespältigen Gefühl in der Brust hinterher.
Eine halbe Stunde später meldete er, er sei jetzt über die Bundesstraße. 30 weitere Minuten später rief er an, er verlasse jetzt den Spielzeugladen. Einige Zeit später später informierte er mich, er wäre erneut über die Bundesstraße gekommen und wieder eine halbe Stunde später schlug er mit stolzgeschwellter Brust und neuem „Structure-Deck“
hier wohlbehalten auf.
Ich muss zugeben, ganz wohl war mir selbst nicht, aber sein Auftreten in der Diskussion um das „Für und Wider“ hat mich überzeugt. Hätte er augendrehend auf obercoolen Macker gemimt, für den es ja „babyleicht“ wäre, den Marsch zu absolvieren, hätte ich meine Erlaubnis nicht gegeben. So vernünftig, wie er sich aber gerierte, fiel es mir etwas leichter, über meinen naturgegebenen, mütterlichen Angsthasen-Schatten zu springen und ihn mit dieser Aktion sein Selbstbewusstsein ausbauen zu lassen. Ziemlich stolz bin ich – auf mich und auf ihn.
Euch einen mutigen Tag wünscht
moggadodde