Die letzte Urlaubswoche liegt vor uns. Erst am nächsten Dienstag beginnt für den MamS, die Kinder und mich wieder der geregelte Alltag. Trotzdem ist es mit der ruhigeren Zeit jetzt schon vorbei, denn meinem Vater geht es sehr schlecht. Diejenigen von euch, die mich hier schon länger begleiten wissen um die Leidensgeschichte meines Vaters, die das Leben meiner Eltern seit Anfang Februar auf den Kopf gestellt hat. Heute nun wurde mein Vater nach Hause entlassen, zum Sterben, wie die Ärzte es verklausuliert zwar aber recht deutlich darstellten.
Er schrie vor Schmerz, erzählte meine Mutter, als ihn die Sanitäter am Nachmittag brachten. Seit einem Sturz im Krankenhaus in der vorletzten Woche ist sein Knie noch geschwollen. Bis auf die Knochen abgemagert erschwert der mit Flüssigkeit prall gefüllte Bauch ein Umbetten meines fast zwei Meter großen Vaters. Die Ärzte erklärten, keine Punktion des Bauches mehr durchführen zu können was bedeutet, dass die immer mehr werdende Flüssigkeit nach und nach auf sein Herz drücken wird. Erste Dekubitusanzeichen verursachen zusätzlich Schmerzen, Trachealkanüle, Magensonde und Katheterisierung komplizieren die Versorgung.
Meine Mutter weigert sich vehement, der Empfehlung der Ärzte zu folgen und die Unterbringung in einer Palliativstation in Betracht zu ziehen. Sie will ihn daheim mit Hilfe des Sozialdienstes pflegen, will ihn bis zum Ende bei sich haben, eine Entscheidung, für die ich ihr großen Respekt zolle, die ich selbst möglicherweise anders getroffen hätte. „Er hat immer für uns gesorgt“, hat sie gesagt, „wie könnte ich ihn da jetzt abschieben?“. Nach monatelanger, unglaublicher Anstrengung, um die Hoffnung zunächst auf Genesung, dann auf möglichst langes Ãœberleben aufrecht zu erhalten, hat nun auch meine Mutter mit schrecklicher Gewissheit realisiert, dass er sehr bald sterben wird.
Schon jetzt erschrecke ich, wenn das Telefon klingelt und wenn ich mit meiner weinenden Mutter spreche, nehme ich mich zusammen, aber ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll. Ich kann ihr nicht sagen, dass ich mir um seiner Willen wünsche, dass es schnell geht, sonst erscheine ich herzlos und kalt. Ich will nicht, dass er stirbt, aber es ist der unausweichliche Weg und trotzdem würde ein Ausspruch dieses Gedankens einem Schlag ins Gesicht meiner Mutter gleichkommen, deshalb behalte ich ihn für mich.
Der Anfang vom Ende ist gekommen und ich bin aufgewühlt und habe fürchterliche Angst vor dem was vor meinem Vater, meinem Bruder, mir und vor allem vor meiner Mutter liegt.
Euch eine gute Nacht wünscht
moggadodde
Oh, Mensch! Nachdem länger nichts von Deinem Vater zu lesen war, hatte ich die leise stille Hoffnung, daß es aufwärts gegangen sei und er es schaffen könnte. Umso betroffener sitze ich nun hier und lese das. Mir fehlen auch leider ein wenig die Worte, die wahrscheinlich ohnehin nicht recht zu trösten vermögen. Ich ziehe in größtem Respekt den Hut vor Deiner Mutter und ihrer Einstellung zur Begleitung des todkranken Lebenspartners. Mir bleibt nur, Euch allen sehr viel Kraft, Mut und Zuversicht (trotz allem) zu wünschen. Ich finde es wahnsinnig toll von Euch allen, Euren Vater begleiten zu wollen. Ich denke, das ist es, was wir alle uns erhoffen, wenn unsere Zeit gekommen ist.
Als ich das grade von deinem Vater gelesen habe ist auch bei mir wieder alles ein bisschen hochgekommen. Ich habe das alles genauso vor knapp 1 Jahr erlebt. Meine Mutter hat sich genauso wie deine entschieden, damals habe ich es nicht gut gefunden, ich dachte es wird alles zuviel für sie. Aber letztendlich weiß ich das ihr damit der Abschied leichter gefallen ist.
Es ist hart das mitansehen zu müssen, ich verstehe so gut was in dir vorgeht. Ich fühle mit dir, denn das alles ist so unsagbar schwer. Fühl dich sehr fest gedrückt unbekannterweise, ich wünsche Euch sehr viel Kraft und Ruhe um ihm die letzte Zeit noch soweit wie möglich zu erleichtern!
Ganz ganz liebe & mitfühlende Grüße, Ela
Lange hab ich überlegt, was ich Dir schreiben soll.
Hochachtung an Deine Mutter. Es wird ein anstrengender und schwerer Weg. Viel Kraft für Dich und Deine Familie.
Ich kenne Deine Gedanken und ich denke auch Deine Mutter weiß, daß es zu Ende geht. Es auszusprechen ist aber wie es herbeizureden. Du machst das schon richtig so.
Allen Respekt für deinen Mut hier darüber zu schreiben und vor allem dem Mut deiner Mutter den geliebten Mann bis zum Ende zu pflegen. Ich stand vor einigen Jahren in der selben Situation. Meine Stiefmutter pflegte damals auch meinen todkranken Vater ein halbes Jahr lang bis zu seinem Ende. Übrigens bin ich in diesem halben Jahr meinem Vater so nahe gekommen wie die gesamten Jahre davor nicht.
Ich wünsch viel Kraft
hallo mogga, ich denke darüber habe ich schon alles geschrieben zu seiner zeit. nur soviel noch: ich wünsche euch allen viel kraft für das unvermeidlich bevorstehende.
@ fourtysomething: Es ging eigentlich die ganze Zeit nur bergab, mit kleinen Hoffnungsschimmern, an die man sich klammert, zuletzt, als er vor 8 Wochen für mal für 14 Tage nach Hause konnte. Ich wusste ja, dass es kein Dauerzustand ist, dachte aber, es ginge noch etwas länger. Für so etwas gibt es ja nie den richtigen Zeitpunkt …
@ Ela: Ich glaube auch, dass es für sie der einzig richtige Methode ist, auch wenn es die härtere der Alternativen ist. Sie plagt sich sehr. Als ich vorhin dort war, hatte sie vorher zwei Stunden lang versucht, ihn vom Toilettenstuhl wieder ins Bett zu bringen. Sie war eigentlich nie eine sehr starke Frau, aber ein gutes Beispiel dafür, dass der Mensch über sich hinauswächst, wenn es sein muss.
@ socki: Wir saßen vorhin in seinem Zimmer, er war ein bisschen wach und es war eine ganz besondere Stimmung. Keine trugen keine Trauerminen, sondern weil er Opiumtropfen wegen der Verdauungsprobleme bekommen hat, flachsten wir darüber, dass das Zimmer jetzt seine ganz private und legale Opiumhöhle wäre. Erst draußen mussten wir ein paarmal kräftig schlucken …
@ biffo: Das mit der Nähe hat bei mir nicht geklappt. Mein Vater ist kein Mann der großen Worte, sondern ist schon immer ein knurriger Brummbär gewesen. Vielleicht ist es aber auch zwischen Söhnen und Vätern nochmal eine andere, stärkere Verbindung.
@ markus: Natürlich … und es tröstet mich, dass der Arzt heute wieder gemeint hat, dass er, weil er nicht mehr dialysiert wird, einfach schmerzlos einschlafen wird. Dieses Wissen ist für mich eine Beruhigung, aber für meine Mutter der blanke Horror, weil bestimmt sie es sein wird, die ihm dann zuerst begegnet.
@ all: Danke für eure guten Wünsche! Der Zuspruch tut mir gut.
Ich wünsche Dir/Euch viel Kraft. Bislang war ich nie in einer solchen Situation, aber die Radien werden kleiner, der Bruder meines Vaters ist jetzt in einer sehr schlechten Verfassung. Ich verdränge den Gedanken, dass es irgendwann so kommt, noch immer.
Ganz liebe Grüße,
Karin
„… weil er nicht mehr dialysiert wird, einfach schmerzlos einschlafen wird“ Mogga, ein Traum, vielleicht ein Traumtod. Bei einem Unfall wird man aus dem Leben gerissen und hat nicht mal mehr die Chance, reflektierend sein Leben zu betrachten. So wie ich es verstehe, hat dein Vater die Chance, seinen Frieden zu machen. Mit dem leben, mit den Menschen, mit Gott. Um dann schmerzlos einzuschlafen. Herrje, ein größeres Geschenk des Lebens gibt es doch gar nicht. Wer liebt, freut sich darüber – das Festhalten ist oft weniger Liebe als Egoismus.
Ich wünsche euch viel Kraft und alles Gute!
@ Karin: Ãœber solche Dinge sollte man sich auch in unbeschwerten Zeiten nicht so viele Gedanken machen. Wenn es soweit ist, ist es früh genug. Alles Gute für dich …
@ Georg: Danke. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass es wirklich so funktioniert.
Ich wünsche Euch viel Kraft.
Genaugenommen hat fortysomething schon das geschrieben, was ich auch schreiben wollte…
ich kann dich gut verstehen liebe Mogga. Ein schwerer und schmerzvoller Weg steht an.
Alles andere ist ja schon geschrieben.
liebste Grüße
@ Al Gore, Mephisto und barbara: Es wird alles irgendwie weitergehen. Allein das ist jedenfalls sicher.
Ziemlich spaet, hoffentlich nicht zu spaet mein Kommentar mit meinem Wunsch, dass deine Wuensche in Erfuellung gehen. Mehr faellt mir leider nicht ein, bei einer derart ausweglosen Situation.
Ich haette mir fuer meine Rueckkehr in knapp drei Wochen schoenere Beitraege gewuenscht. Aber wie sag ich immer, „…das Leben ist kein Wunschkonzert.“
Gruss aus fernen Gefilden