Meine Mutter hätte gerne meinen Vater bei sich gehabt, und wenn es nur seine Asche in einer Blechbüchse wäre. Das Bestattungsgesetz in Bayern schreibt aber vor, dass die „sterblichen Ãœberreste“ in einem Urnen- oder Erdgrab untergebracht werden müssen und so werden wir morgen früh den letzten gemeinsamen Gang auf dem Hauptfriedhof antreten. Ich hatte verschiedentlich bereits erwähnt, dass ich in einer kompostierbaren Urne an den Füßen eines alten Baumes in einem Friedwald irgendwann meine letzte Ruhe finden wollte, doch im Moment bin ich etwas unschlüssig.
Vielleicht denke ich morgen anders darüber, aber für den jetzigen Moment war mein Vater noch mein Vater, als er in seinem Sarg aufgebahrt war. Mein Vorstellungsvermögen gestattet mir gerade nicht, den Inhalt der Urne, der wir morgen zum Grabplatz folgen werden, als meinen Vater anzusehen und ich werde möglicherweise Probleme damit haben, eine andächtige Kongruenz zwischen dem letzten Bild, das ich von ihm habe mit dem staubigen Inhalt einer schwarzen Dose zu erlangen.
Vielleicht ist so eine Erdbestattung inklusive verfallender Gebeine gar nicht so schlecht. Zumindest in der Vorstellung des Trauernden bleibt der Inhalt des Sargs doch so, wie er ihn zuletzt gesehen hat und es ist vielleicht einfacher, an einem Grab zu stehen in dem Bewusstsein, dass der Verstorbene zumindest ein einem Stück darin untergebracht ist, als mit dem Wissen, dass er als grauer, formloser Verbrennungsrückstand begraben ist.
Ach, ich weiß auch nicht. Klar, dem Toten ist es naturgemäß völlig egal, wie er bestattet wird. Es geht danach um die Angehörigen und doch, ich denke, ich werde mir die Idee mit der kompostierbaren Urne an den Füßen eines Baumes nochmal überlegen.
Für meine Mutter wäre es wohl schön gewesen, meinen Vater selbst in diesem Zustand bei sich zu haben, mit einen Ehrenplatz in der Schrankwand und immer präsent. Sie hätte sich mit ihm unterhalten und am Samstag über den unmöglichen Aufzug von Thomas Gottschalk gelästert und womöglich nie ins reale, wirkliche, tatsächliche, restliche Leben zurückgefunden. So gesehen ist die Sache mit der Bestattungspflicht von Urnen gar nicht verkehrt.
Im Augenblick bin ich etwas verwirrt, was die Gefühlsebene dieser vermeintlichen Formalien angeht und vielleicht sehe ich morgen klarer.
Aber wer jemals den ersten Teil von „Meine Braut, ihr Vater und ich“ gesehen hat weiß, dass eine Urne im Wohnzimmer nichts verloren hat, auch wenn meine Mutter keine Katze hat.
Euch einen lebendigen Abend wünscht
moggadodde