Gerade wollte ich dem MamS gestern ins Bett folgen, da verfiel ich auf den Gedanken, nur noch mal ganz schnell durch die Programme zu schalten. Schon auf Programmplatz 12, tagsüber vom harmlosen KiKa besetzt, stieß ich auf ein für mich Profizapperin nicht ganz neues Format, den „Kanal Telemedial“. Ein Typ mit fettigen Haaren und grusliger Goldrandbrille, ein hochnäsiges, ungepflegtes, schwer atmendes Schwabensäggl, fertigt kostenpflichtig einsame und unglückliche Leute ab, sabbelt esoterisch verquastes Gelump und zieht den Zuschauern die Kohle aus der Tasche. Es quatscht von Energielöchern und Zeitfenstern und springt mit der zahlenden Kundschaft recht rüde um („Jetzt komm’ auf den Punkt, sonst häng ich dich ab!“), was die hechelnden, weiblichen und offenbar höchst unbefriedigten Groupies aber nur noch devoter werden lässt. Sie hängen an den Lippen dieses Bauernfängers wie Fliegen an einem Hundehaufen.
Herr Thomas Hornauer ist gleichzeitig der Chef von dem Sender, die Baden-Württemberger haben ihm den Laden geschlossen, weshalb er jetzt hauptsächlich von Wien aus operiert.
Als ich zuschaltete, sprach eine blond gelockte Dame mit rotem Jogginganzügle gerade telefonisch mit einer gewissen Astrid, die ihrerseits über familiäre Probleme berichtete. Statt Astrid den erhofften Input zu verschaffen, empfahl die Blondine in schwerem Sächsisch, Astrid möge erstmal „in die Liebe und Vergebung reinkommen“. Wenn Astrid „in die Liebe und Vergebung reinkommen“ könnte, wäre das quasi die halbe Miete und genau ab diesem Zeitpunkt würde sich die arme Astrid besser fühlen.
Astrid, die Gute, war zwar so blöd dort anzurufen, hatte sich aber offenbar einen Funken kritischen Verstandes bewahrt. Sie fragte die Sächsin betont beiläufig nach deren Qualitäten, erkundigte sich über Hintergründe, ihr Leben, ihren Werdegang und wie sie zu Thomas und Kanal Telemedial gekommen sei. Diese wiederum antwortete arglos. Als gelernte Textilingenieurin sei sie ja quasi Designerin im weitesten Sinn und habe auch dreimal im Verkauf hochwertiger Kleidung in der eigenen Boutique versucht. Wieso dreimal, wollte Astrid wissen und die Sächsin erzählte vorsichtig, dass sie dreimal pleite gegangen sei und sich dann eben bei Thomas beworben habe. Astrid fragte nun mit Recht, was die Sächsin denn eigentlich zur Erteilung von Lebenshilfe befähige, ob sie denn eventuell über spirituelle Kräfte verfüge, worauf die Sächsin unsicher antwortet, dass sie eben versuche, Impulse zu geben. Astrid wird mir immer sympathischer und will wissen, was sie denn jetzt bitte für Impulse bekommen haben soll. Dann geht sie in die Offensive: Wie das denn mit Thomas wäre. Im Internet stünden schlechte Sachen über ihn zu lesen und dass er doch auch in Pornosektor verkehrt wäre und damit bringt sie die Sächsin in die Bredouille. Sie stockt und wartet auf Anweisung in ihrem Ohrknopf, bis ihr die Regie eingeflüstert, dass sie nicht über Menschen spricht, die nicht anwesend sind, obwohl der fettige Thomas bestimmt nur drei Meter weit weg sitzt. Astrid insistiert noch ein bisschen, aber plötzlich ist die Leitung tot. Die Sächsin ist sichtlich erleichtert, die Nervtante Astrid von den Hacken zu haben und brabbelt was von leerem Handyakku.
Am unteren Bildrand werden die Zuschauer währenddessen zum „Energieausgleich“ aufgefordert. Dafür, dass sie durch bloßes Zusehen Energie gewinnen, mögen sie doch bitte ihre „Wertschätzung“ zeigen und die eingeblendete Nummer wählen, die pro Anruf mit ganzen 10,00 € zu Buche schlägt. Während ich eine Stunde zugesehen habe, habe ich ganz viel Energie gewonnen, die aber dürfte Herrn Telemedial gar nicht gefallen, sie ist nämlich außerordentlich negativ und ausschließlich auf ihn und seine Erfüllungsgehilfen gerichtet.
Ich habe mich ja schon mal zu den beiden Möpsen mit der Frau dran mit dem netten Namen „Angel“ auf DSF, dem Sportsender mit den nächtlichen Nacktratespielen ausgelassen. Klar, dort kostet auch jeder Anruf, aber immerhin haben die ratefreudigen Herren, die im Feinripp auf der Couch fläzen die Chance, dass die Alpen-Äintschl vielleicht den einen oder anderen Nippel lüftet und ihnen so auf spritzige Weise eine spezielle Lebenshilfe erteilt. Bei Telemedial allerdings werden seelisch labile Leute schlicht verarscht und abgezockt und müssen dabei auch noch fettig aussehende, selbstherrliche Moderatoren ertragen und halbgare Psychotanten, die salbadernd dusseligen Krampf verzapfen.
Dieses Format stellt wirklich alles in den Schatten, was ich bisher an Verdummungsfernsehen gesehen habe. Die österreichischen Medienwächter wären wirklich gut beraten, es den Baden-Württembergern nachzumachen und diesem scharlatanösen Abzocker die Lichter auszudrehen. Das wäre echte Lebenshilfe, kostenlos aber alles andere als umsonst.
Euch einen energischen Tag wünscht
moggadodde