Wie es sich für eine treusorgende Mami gehört, sehe ich vor dem Schlafengehen nochmals nach dem Gelege. Nun muss man wissen, dass meine Augen auch ohne Brille noch scharf sind wie eine Packung fabrikfrischer Skalpelle, tagsüber. In der Dämmerung finde ich mich noch leidlich zurecht, aber in Dunkelheit packt mich auch auf bekanntem Terrain eine gewisse Orientierungslosigkeit.
So kam es, dass ich beim wackeligen Getapse durch die stockfinstere Wohnung Hanks vermeintlich sicher geortete Zimmertür verfehlte und mit einem kernigen Rumms an den ziemlich scharfkantigen Türstock donnerte.
Leicht benommen federte ich ein bisschen hin und her und konstatierte, dass morgen wohl ein dickes, buntes Hörnchen die knöcherne Begrenzung meiner Augenhöhle zieren würde. Dann spürte ich etwas Warmes, das sich auf meiner Nase kitzelnd den Weg nach unten bahnte und folgerte, dass es sich möglicherweise um Blut handeln könnte, was kurz darauf der eindeutige Geschmack auf der Oberlippe bestätigte.
Ich tropfte also tüchtig vor mich hin, verschweinte ein bisschen mein Negligé und den Flur und schlug mich langsam bis ins Bad durch, langsam, weil ich ein wenig Panik hatte, nochmals an irgendeinem verfluchten Winkel anzudotzen und mir das Antlitz vollständig zu demolieren. Im Bad fummelte ich erstaunlich behende nach dem Lichtschalter und besah mir die Bescherung. Inzwischen fand sich auch Dixie ein, alarmiert durch meine nicht jugendfreien Flüche auf dem Weg. Mit dem MamS konnte ich zu der Zeit nicht rechnen. Wenn der im ersten Schlaf liegt, könnte ich nebenan einen kreischenden Todeskampf führen, ohne dass ihn das jucken würde. Dixies Schulsanitäterausbildung war nicht wirklich hilfreich, denn blutige Wunden seien auch nicht so ihr Ding, meinte sie. Die mentale Unterstützung liege ihr mehr.
So überlegte ich kurz, ob der zwei Zentimeter lange Cut genäht werden muss, entschied mich aber dann dagegen, weil ich weniger als keinen Bock hatte, mitten in der Nacht ins Krankenhaus zu kutschieren. Das würde schon irgendwann von selbst aufhören zu bluten, was es irgendwann auch tat. Ich tupfte, wusch, pflasterte und holte das Kühlkissen aus dem Gefrierschrank, das zwar komisch müffelte aber immerhin das tat, was es sollte. Das kalte Ding presste ich fest auf das Epizentrum des Schmerzes, bis ich irgendwann einschlief und mit Hilfe des gestern noch zu lang geglaubten Ponys, der heute aber genau richtig ist, kann ich die Schramme ganz gut verbergen, ohne blöde Fragen gestellt zu bekommen, denn nur wenig ist unglaubwürdiger als der Spruch „Bin gegen die Tür gelaufen!“, der in den meisten Fällen doch mit „Die wurde von ihrem Alten vertrimmt!“ übersetzt wird.
Wenn ihr also in Zukunft jemanden nach der Herkunft der einen oder anderen Blessur befragt und die Verletzte eine unfreiwillige Begegnung mit der Tür als Grund nennt, könnte es sein, dass sie schlicht und ergreifend genauso nachtblind ist, wie ich.
Euch einen heilen Abend wünscht
moggadodde