Es gibt bekanntlich vier eherne Gesetze, die beim Durchqueren des gesellschaftlichen Minenfeldes mit dem unverfänglichen Namen „Betriebliche Weihnachtsfeier“ strikt zu befolgen sind:
1.
Kein übermäßiger Alkoholgenuss! Der Versuch, mit Bierfahne, Zazikischnute und Schlagseite bei seinem Chef mit schwerer Zunge eine Gehaltserhöhung rauszuschlitzen, wird sicher nicht von Erfolg gekrönt sein. Vielmehr wird diese Aktion noch an Ostern für Belustigung unter der Belegschaft sorgen. Also: Finger weg vom Alk!
2.
Um über ein Jahr angestaute Animositäten unter Kollegen aus der Welt zu schaffen, ist die tannennadelgeschmückte Tafel definitiv die falsche Örtlichkeit. Wenn eine Diskussion allerdings partout keinen Aufschub duldet, ist der Firmenparkplatz in jedem Fall die bessere Wahl für den Austausch schlagkräftiger Argumente.
3.
Sollte der Chef seinerseits einen Punsch zuviel intus haben und in diesem Zustand das „Du“ anbieten, sollte man dem nicht zuviel Bedeutung beimessen, sondern zunächst abwarten. Wer am nächsten Arbeitstag seinen Vorgesetzten mit „Na, Justus, alte Stinksocke, das war eine Sause, was?“ begrüßt, während Justus sich nicht mehr recht an den Abend, geschweige denn an die Verbrüderung erinnern kann, wird mit diesem Satz seine Aufstiegschancen in diesem Unternehmen unwiderruflich in den Wind schießen.
4.
Ein heikles Thema sind geschlechterübergreifende Kollegenkontakte. Erfahrungsgemäß bewegt sich die Flirtfrequenz bei Weihnachtsfeiern auf höchstem Niveau. Hat sich auch die Liebe am Arbeitsplatz inzwischen zum beliebten Breitensport gemausert ist es nicht ganz ungefährlich, ausgerechnet auf einer Betriebsfeier in womöglich angeschickertem Zustand bei Kollegin Ingrid aus der Expedition den korrekten Sitz der Strümpfe zu überprüfen oder mit Helmut aus der EDV die Steckverbindungen zu testen. Für solche unüberlegten Aktionen möchte man sich ja nicht am Montag aus Scham hinter dem Kopierer verstecken müssen, weil schon vor 9 Uhr gestochen scharfe Beweisfotos über das Intranet verbreitet werden.
Die außerordentliche Weihnachtsfeier der frühschichtlichen Katakombenbesatzung fiel gestern vergleichsweise harmlos aus, wenn auch der Alkohol in Strömen floss – vornehmlich in den Hals eines einzigen Mitarbeiters, der allerdings auch mit schätzungsweise 18 Promille aus dem Stegreif lateinische Deklinationen und Sentenzen aufsagen konnte, wobei man ihm dies schon nüchtern nicht zugetraut hätte. Seiner klammernden Abschiedsumarmung inklusive feuchtem Backenkuss konnte allerdings keine Weiblichkeit entgehen, was, humanistische Bildung hin oder her, schon ein wenig unappetitlich war.
Trotzdem war es ein unterhaltsamer Abend und die von älterem Personal verifizierte Geschichte über auf Fliesenboden drapierte Blutegel, auf denen die vorbeigehenden Mitarbeiter schliddernd zu Fall kamen, während die Witzbolde sich aus sicherer Entfernung über das Spektakel amüsierten, hat mir besonders gefallen.
Prompt habe ich geträumt, dass die Firma einer verheerenden Explosion anheimfällt, kurz nachdem ich das Gebäude verlassen habe. Am nächsten Tag standen die Experten von der Brandversicherung vor der Tür, um mir was anzuhängen.
Das menschliche Gehirn ist schon ein bemerkenswertes Organ.
Euch eine trittsichere Nacht wünscht
moggadodde