Pax Mogga

Als ich ungefähr 11 Jahre alt war, gab es Uwe. Uwe war ein Drecksack, der sich einen Spaß daraus machte, andere und da ausschließlich Schwächere und Mädchen, zu ärgern. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich mit meinem damals todschicken, gesmokten Neckholder-Oberteil im schattigen Gemeinschaftshof saß, während sich der rothaarige und kompakt gebaute Uwe von hinten anschlich und mir seine sommersprossige Bratpfannenpranke auf den leuchtend roten weil sonnenverbrannten Rücken knallte.
Uwe war echt ein Arschloch und ziemlich brutal. Schwächere Jungs machten einen Bogen um ihn, weil er unberechenbar war und auch wenn man an ihm vorbei lief und nur komisch guckte, hatte man schnell den massigen Uwe an der Backe, der einem dann den Arm in einer Art Kreuzfesselgriff fest auf den Rücken schraubte und erst aufhörte, wenn man heulend um Gnade winselte. Eigentlich konnte man aber gucken wie man wollte, irgendwas gab es immer, das Uwe nicht passte und ihm Gelegenheit gab, über einen herzufallen und wenn es nur das Vorhandensein hoher Luftfeuchtigkeit war. Außerdem besaß er auch ein Blasrohr, mit dem er zu unserem Leidwesen ziemlich zielsicher umgehen konnte. Uwe war ein echtes Arschloch und aus heutiger Sicht betrachtet konnten wir froh sein, dass er nie genug Kohle hatte, um sich andere Waffen zu besorgen, mit denen er uns schuriegeln konnte.

Der gar nicht mehr so kleine Hank nun hat nächsten Dienstag Geburtstag. Noch vor vier Wochen wünschte er sich unbedingt einen Sportbogen, was ich für keine besonders gute Idee hielt. Wir haben hier kein eingezäuntes Grundstück und es laufen auch immer andere Kinder durch die Gegend. Die Gefahr, dass er aus Unachtsamkeit jemanden verletzt, machte mir Bauchschmerzen und ich war froh, dass das Thema einschlief und wähnte mich sicher.

Akut ist allerdings seit einer Woche sein neuer Wunsch nach einer Softair-Waffe. Er will auch gar nichts anderes, üüüüberhaupt nicht, nur dieses Gewehr, bittebittebitte, das er in einem Internet-Shop gefunden hat und seine Kumpels J.C. und Schamhaar-Addi hätten sowas doch auch schon.
Meinem Einwand, dass für dieses Modell die Altersempfehlung „ab 14“ gelte, entgegnete er mit dem Argument, dass er schließlich auch Computerspiele mit FSK 16 habe, was richtig ist. Trotzdem sehe ich einen Unterschied darin, ob er Klonkrieger in Star Wars Battlefront über den Bildschirm jagt, oder ob er mit einer täuschend echten Knarre im zwar riesigen aber doch von Mehreren genutzten Garten auf Zielscheiben ballert.
Zwar habe ich volles Vertrauen zu ihm. Er würde nie anderen Angst einjagen, sie quälen oder demütigen, wie einst das Arschloch Uwe. Aber die Durchschlagskraft der „ab 14“-Waffen ist nicht zu unterschätzen und ich kann doch nicht durch die Nachbarschaft pilgern und Schutzbrillen verteilen, nur weil Hank draußen Schießen übt!

Heute nun habe ich ihm meinen endgültigen Entschluss mitgeteilt, dass ich ihm zum 11. Geburtstag keine Heckler und Koch G36C kaufen werde, worüber er natürlich maßlos enttäuscht war. Die Tränen nur mühsam unterdrückend verzog er sich in sein Zimmer und ich gab ihm eine halbe Stunde, bevor ich ihn mit den geliebten Apfelpfannkuchen plus kross gebratenen Speckstreifen wieder in die Küche lockte. Jetzt erklärte ich ihm, dass wir zusammen zum Sportwaffenhändler gehen und dort ein geeignetes, altersgerechtes Teil aussuchen würden. Und wenn er dann nach ein paar Wochen immer noch Interesse daran hätte, würde ich ihn bei einem Schießsport-Verein in einem Nachbarort anmelden, wo er unter professioneller Aufsicht sicher für sich und andere lernen kann. Er akzeptierte den Vorschlag sofort und war immer noch enttäuscht, aber nicht mehr so sehr.

Ich bin wirklich froh, dass er mir mein Kleiner einen theatralischen Dampfhammerauftritt erspart und die Entscheidung hingenommen hat wie ein Großer, fast so froh, wie ich darüber bin, dass Arschloch Uwe in meiner Jugend nie eine Softair in die Finger bekommen hat, wo doch die Erbsen aus seinem Blasrohr schon schmerzhaft genug waren.

Euch eine sichere Nacht wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

10 commenti su “Pax Mogga

  1. prey sagt:

    Auf jeden Fall gut, dass Uwe keine Softairwffe oder ähnliches hatte. Ich erinnere mich, dass bei uns mit abgeschnittenen Fingern von Gummihandschuhen auch Erbsen übel zwiebelnd verschossen wurden…

    Und Dein Hank scheint ja richtig gut gelungen. Aber wollte er nicht letztens noch ne Wii – und nichts anderes? Auf jeden Fall eine gute Lösung, für alle (Zum Glück noch nicht so sehr wie möglich) Beteiligten. Da gratuliere ich zu.

    • moggadodde sagt:

      Gummihandschuhfinger!? Da muss man ja erstmal drauf kommen!
      Ja, noch ist er gut lenkbar … noch … wer weiß, ob er nicht seine durchgedrehte Phase mehr als kräftig nachholt und ich ihn dann dauernd sturzbetrunken oder stoned irgendwo aufsammeln und den verständnisvollen Polizisten mit rotem Kopf erklären muss, dass ich das ja gar nicht verstehe, er war doch immer so ein vernünftiger Bub 😉
      Und die Wii: Von der ist gar keine Rede mehr!

  2. Georg sagt:

    Ich sehe das mit den SoftAir-Waffen zwar etwas anders – wer sie nicht bekommt, baut sich letztendlich aus erlaubten Materialien erheblich effektiveres und gefährlicheres – aber deine wirklich gute und … ähm, wie sagt man das denn? Gut-In-Der-Mitte – ausgewogene Entscheidung ist wie immer das absolut Beste.

    • moggadodde sagt:

      Trotz des Teilerfolgs sehe ich dem Freitag noch mit gemischten Gefühlen entgegen. Wenn er vor der Theke steht, hinter der all die dollen „ab 14“- Stückchen liegen, wird er vielleicht nochmal auf die Tube drücken, wunschmäßig 😉

      Klar, sogar mit der guten, alten Zwille wurde schon so manches Auge demoliert, was schlimm genug ist. Aber wenn ich ihm das Ding kaufe, stehe ich auch in der Verantwortung und da habe ich gar keine Lust drauf 😉

  3. ohhh ja, diese kleinen drecksbratzen, die die schwächeren der umgebung piesacken … ja ,das kennen wir alle zur genüge 🙁

    mir sind unsere uwe-pendants als kind auch immer gern auf den keks gegsngen … aber einmal (und davon zehre ich heute noch) – einmal hab ich dem penetrantesten von der truppe auch mal einen überhelfen können :o)
    ich war 10, hatte mir den linken arm gebrochen und trug nun also gips. vermutlich sah ich damit ausreichend hilflos aus. jedenfalls baute sich besagter misthupper frech grinsend vor mir auf, sprach, „wetten, dass ich mich traue!“, und hieb mir eine kreiselpeitsche zweimal um die ohren. nur hatte er nicht damit gerechnet, dass die reflexe bei mir nicht eingegipst waren: ich griff mir den knilch mit rechts (mit links konnt ich ihn ja nicht gut festhalten, hand und gips, ihr wisst schon) und verabreichte ihm eine linke rückhand :oD das wirkte nachhaltig.

    vier jahre später hatte meine liebsteste und besteste schwester der welt auch nen gips, und da begann der kerl wieder frech zu werden. schwesterlein fragte ihn, ob sie ihm denn auch mal eine schießen solle, so mit erhöhter durchschlagskraft wegen gips und so, und von da an hatten wir endgültig unsere ruhe :o)))

    und on topic: hank ist wirklich ein gut zu habender zeitgenosse! und du scheinst sehr überzeugend zu sein. klasse!! ich drück die daumen, dass er nicht auf die idee mit selberbasteln kommt, wie georg schrieb. (das war bei schwesterherz und mir auch oft so, wir haben die anderen glühend um ihre gemeingefährlichen schießdinger beneidet, uns aber nie selber an die herstellung getraut – wahrscheinlich ist unseren nachbarn damit einiges erspart geblieben … *lach *)

    schöne grüße, auch an hank, ausm sonnigen osten :o)

    • moggadodde sagt:

      Das mit dem Gips-Schwinger ist ja eine schöne Geschichte … und dann gleich noch im Doppelpack. Dein Uwe hat seitdem bestimmt eine Aversion gegen Gipsarme …
      Und hilf mir doch mal in Ostdeutsch auf die Sprünge: Was ist eine „Kreiselpeitsche“? Momentan stelle ich mir darunter so eine Peitsche vor, wie sie bei der Pferdedressur verwendet wird. Jedenfalls hört sich das ziemlich gefährlich an!

      • hühnerschreck sagt:

        isset abanit 😉

        also peitsche schon, aber nix mit pferd.

        es gab doch früher, zu omas zeiten, diese kleinen holzkreisel, also kegelförmige gebilde, meist aus holz, bunt bemalt und mit einem nagel in der spitze. und die dinger hatte rillen um die längsachse, in die man die schnur der kreiselpeische reinwickeln und den kreisel damit starten konnte. also:
        kreisel bewickeln, auf die spitze stellen, peitsche mit schmackes wegziehen. und dann konnte man den kreisel – je nach geschick ziemlich lange – in bewegung halten, indem man ihm mit der peitsche immer mal einen wohlgezielten hieb verpasste.
        das mit den hieben hatte der knilch falsch verstanden. aber er hat immerhin was draus gelernt: energie geht im universum nicht verloren, sondern wird umgewandelt … in diesem fall sogar schlag auf schlag *grins*

        schönen tach noch!

  4. Lily sagt:

    Den Kompromiss find ich echt gut 🙂 Wär mir jetzt gar nich gleich eingefallen 🙂

    • moggadodde sagt:

      Ich hatte ja ein wenig Bedenkzeit …
      Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass das wieder ein Strohfeuer ist. Heute heiß ersehnt, übermorgen schon vergessen, das war ja mit seinem heißen Wii-Wunsch auch so – 😀

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