To pee or not to pee

Zugegeben, „edle Prägung“ und „wunderschönes Blattdekor“ sind Kriterien, die mir in Bezug auf Toilettenpapier am Arsch vorbei gehen. Solange ich nicht mit Blattwerk der natürlichen Art auf die Keramik muss, taugt mir alles, ausgenommen sogenanntes „Hygiene-Krepp“, das genauso schmirgelt, wie sich der Name anhört.
Auch wenn ich der Meinung bin, dass die Welt nichts weniger gebraucht hat als noch ein neues Klopapier, gefällt mir der zugehörige Werbesong, der dort auch abgerollt heruntergeladen werden kann, richtig gut.

Offenbar scheint das Geschäft mit dem Geschäft recht lohnend zu äh, laufen, nicht zuletzt, weil manche Menschen in ihren Kabinettgewohnheiten etwas verschroben sind. Die Eigenart sehr vieler Japanerinnen, denen das eigene Pinkelgeräusch peinlich ist, ist mir allerdings nur zu geläufig; auch mein Schließmuskel lässt unerklärlicherweise nicht recht locker, bis ich mich sicher wähne, dass mindestens die Klokabinen links und rechts von mir unbesetzt sind, weil mir unangenehm ist, wenn andere zuhören, während ich meinen Geschäften nachgehe. Was ich bisher für meine höchstpersönliche Schrulle hielt, hat sogar einen Namen: Die Paruresis fällt unter die Kategorie der psychischen Störungen und die englische Bezeichnung „shy bladder“ hört sich doch gleich nicht mehr so dramatisch an. Einer scheuen Blase kann man doch nicht böse sein.

Die Japaner wären aber nicht die Japaner, wenn sie sich nicht auch zu dieser Unannehmlichkeit eine Lösung hätten. In ihren hochtechnisierten Washlets ist sehr häufig die Otohime zu finden, die „Geräuschprinzessin“, die ein lautes Toilettenspülgeräusch erzeugt, auf dass die genöse Japanerin beruhigt in Fluss kommen kann. Ein stilles Örtchen ist das aber dann jedenfalls nicht mehr.

Wer viel unterwegs ist, kommt öfter in Not mit der Notdurft. In fremden Städten ist es es nicht einfach, öffentliche Toiletten zu finden. Internetfähige Mobiltelefone können hier ganz einfach nach public pees fahnden und über die Benotung erfährt man auch gleich, ob diese sauber und begehbar sind, ohne sich mit einer hübschen Collection anhänglicher Colibakterien zu infizieren, safer strullern, sozusagen. Praktisch, oder?

Für den weiblichen urban cruiser mit dringendem Bedürfnis nach einer Biobreak und mickriger Oberschenkelmuskulatur ist das „Urinelle“ unverzichtbar, ein Pinkeltütchen, mit dem, einige Zielübungen vorausgesetzt, dem Ruf der Natur auch in einem versifften Bahnhofsklo halbwegs hygienisch gefolgt werden kann.

Manche Menschen sind von Schachtjor Donezk, wie der MamS die Toilette liebevoll zu nennen pflegt, offenbar so begeistert, dass sie gleich sitzen bleiben, nach dem Motto: „Nach dem Klo ist vor dem Klo.“

Eine 35jährige aus Kansas verbrachte jedenfalls gleich zwei geschlagene Jahre ununterbrochen auf der Brille und wurde während dieser Zeit von ihrem Freund dort auch mit Essen versorgt. Während der langen Sitzung war ihre Haut schließlich um den Toilettensitz herumgewachsen, so dass sie im Krankenhaus operativ davon befreit werden musste. Was für ein „Scheißleben“, sowas.

Verflixt, jetzt ist das Posting so lang geworden, dabei wollte ich euch doch nur den Tempo-Song zeigen! Ich geh‘ jetzt erstmal kurz … ihr wisst schon.

Eine besonders druckvolle Nacht wünscht
moggadodde

Visualqual á la Würzburg – Tatort Bahnhofsvorplatz

Schon viel ist über die unbestrittene Scheußlichkeit des Würzburger Hauptbahnhofs geschrieben, geredet und geschimpft worden. Völlig zu Recht, der Bahnhof und das angrenzende Gelände sind nämlich optische Umweltverschmutzung in Reinkultur und eine Schande für die Stadt. Für das widerwärtige Gebäude selbst kann die Stadt Würzburg nichts, wohl aber für die Gegend drumherum.

Ein Bahnhof braucht Abstellfläche für die Fahrräder der pendelnden Bevölkerung, das sehe ich ein. Weil die Drahtesel aber kreuz und quer vor der Front des Gebäudes

Stillleben mit Drahteseln

platziert werden, sieht das aus wie bei Hempels unterm Sofa. Anstelle der hässlichen Verkaufsbüdchen aus der Nachkriegszeit mit dem seit 30 Jahren schon provisorisch anmutenden Taxistand am Ende (dort, wo seit langem die billigen Plastikstühle die Fahrer zur Rast rufen) stünde dem Bahnhofsvorplatz seitlich eine verblendete Abstellmöglichkeit (ähnlich der am Kulturspeicher, meinetwegen mit barocken Schnörkseln, damit’s zum Brunnen passt) wirklich nicht schlecht zu Gesicht.

Kaum hatte ich mich wegen des drahtigen Tohuwabohus wieder gefasst, fiel mein Auge auf einige Müllcontainer, blicktechnisch ungünstig so an der Straba-Abfahrtskante platziert, dass meine wie auch die Sicht von sehr vielen Besuchern unweigerlich darauf fallen muss. Bei näherer Betrachtung erkannte ich, dass es sich gar nicht um eklige Müllcontainer handelt, sondern vielmehr um abschließbare Fahrradgaragen, die nur aussehen wie eklige Müllcontainer!

Fahrradgrab im Müllcontainer

Eine Schande, eine einzige Schande ist der Platz und wenn der ADFC bei dieser Scheußlichkeit auch noch seinen Papper draufmacht, diskreditiert er sich selbst. Pragmatismus ist eine Sache, Beihilfe zur Stadtverschandelung eine andere.

Mir ist klar, dass eine mittelgroßstädtische Bahnhofskulisse nicht so putzig perfekt und sauber geleckt aussehen kann wie aus einem Johanna-Spyri-Roman, aber der Vorplatz des Würzburger Hauptbahnhofs ist so abstoßend, dass er eine Beleidigung für jeden Passanten darstellen muss, woran auch der aufwändig sanierte und demnächst wieder installierte Kiliansbrunnen nichts ändert. Kosmetik ist eine Sache, Geschmack ein anderer und wenn die visuellen Baustellen so erdrückend sind wie dort, ist es mit der bloßen Errichtung eines die Optik täuschenden Blickfangs nicht getan.
Hätten die Würzburger Hammel nur nicht den Arcadenbau abgelehnt, dann hätten sie einen ansprechend und einladend gestalteten Platz vor ihrem Bahnhof und kein optisches Brechmittel, in dessen Anhängsel Ringpark sowieso nur meistens allerlei Gelichter zu finden ist.

Manchmal bereue ich nicht, aufs Land gezogen zu sein.

Euch einen bahnbrechenden Tag wünscht
moggadodde

Filosofische Füsik

Dass das länger dauern würde, wusste ich ja. Im sonnigenbestrahlten Wartezimmer lässt sich wegen der Hochhauslage kein Fenster öffnen, ab und an pustet eine Klimaanlage etwas Frischluft in den Raum, was sich weniger durch das Vorhandensein neuen Sauerstoffs als durch das Geräusch des Gebläses feststellen lässt. Bei meiner Ankunft sitzen nicht weniger als 20 Personen in diesem Raum, dösend, lesend, sich leise unterhaltend. Bei einigen muss der letzte Waschtag schon eine Weile zurückliegen; es ist stickig und riecht nach Muffel, Schweiß und ungelüfteten Kleidern. Kaum wird ein Patient aus dem Zimmer geholt, kommen ein oder zwei neue herein und grüßen in die Runde.
Ich selbst grüße nicht, wenn ich ein Wartezimmer betrete, habe ich noch nie getan. Dass ich mit diesen wildfremden Leuten hier sitze, ist schließlich reiner Zufall und auch nur zwangsweise und hoffentlich kurz. Niemand grüßt Fremde im Bus oder wenn man sich am Waschbecken auf der öffentlichen Toilette begegnet und wenn man ein Restaurant betritt, wird man vom Kellner oder vom Wirt begrüßt, aber nicht von den anderen Gästen. Vielleicht ist die Wartezimmer-Grüßerei auch eine Art von zweckoptimistischem Aberglauben: Wenn ich hier nett bin, ist es heilbar.
Melodisch zwar aber auf Dauer trotzdem nervtötend klingelt das Praxistelefon ununterbrochen. Die MTA’s müssen doch träumen davon, wenn mir sich mir selbst schon nach ein paar Stunden der Ton dauerhaft ins Trommelfell gebrannt hat.
Ein 86jähriger Alleinunterhalter, unüberhörbar von der Schwäbischen Alb kommend, beschwallt lebhaft einen 83jährigen Thüringer, beide erstaunlich rüstig für ihr Alter. Offenbar ist das hier eine gute Adresse. Da lohnt sich das Warten.

Leises Gemurmel neben mir, zweifelsfrei Russisch, lullt mich langsam ein und meine Augen werden plötzlich schwer. Meine Hand stützt meinen Kopf während des Nickerchens und als ich aufwache, schaut keiner belustigt, woraus ich schließe, nicht geschnarcht zu haben.

Von meinem power nap frisch gestärkt rate ich die Vornamen der anderen Patienten, die vom jeweiligen Arzt persönlich mit vollem Namen aufgerufen werden und liege immer falsch. Eine vermeintliche Barbara entpuppt sich als Hildegard und ein Josef ist eigentlich ein Herbert. Miese Trefferquote zwar, aber wieder ist eine Viertelstunde rum.

Ich zähle Eheringe und die Anzahl der Ballerinaschuhe im Raum und stelle fest, dass von den Sandalenträgern keiner eine Brille trägt. Danach versuche unauffällig, den Namen im Tattoo auf dem Unterarm eines Mannes zu entziffern, dessen graue Gabardinehosenbeine ausgefranst sind. Er trägt ein hellblaues Polohemd, der Name ist Sonja und er ist nach mir gekommen, wird aber trotzdem vor mir von einem Medizinmann abgeholt, was mich nicht stört, denn inzwischen erzählt eine falsche Blondine von ihrem letzten Urlaub am Schwarzen Meer. Ich erfahre, dass der ähnlich klingende Discounter in Bulgarien „Valdi“ heißt und ich beschließe, dass ich einen evtl. anzuschaffenden Dackel sofort „Aldi“ taufen werde.

Plötzlich steht doch noch ein Arzt in der Tür und nennt meinen Namen. „Jetzt passt es gar nicht, ich habe die Jan-Weiler-Kolumne noch nicht fertig gelesen!“, will ich sagen, bin aber still und werde kurz darauf angezapft, geschallt und szinigrafiert. Ganze 15 Minuten dauert das, worauf ich vorher siebenmal so lange gewartet habe und ich frage mich, ob der olle Einstein kurz vor Entdeckung der Relativitätstheorie beim Arzt war und als Sprechstundenhilfe bei diesem Nuklearmediziner reinkarniert wurde.

Euch eine strahlende Nacht wünscht
moggadodde

Feuchtbiotope

Eigentlich mag ich Wärme. Aber das feuchtheiße Wetter hat mich heute fertig gemacht. Gerade die Hälfte des ins Auge gefassten Pensums habe ich geschafft, weil ich wegen akuten und heftigen Kreislaufs öfters pausiert habe. Das ist aber nicht schlimm, die Arbeit nimmt mir schon keiner weg, was ausnahmsweise mal schade ist.

Da hatte ich ausreichend Gelegenheit mit der Nachbarin zu plaudern, bei der es heute ganz besonders feucht war, weil sie ein Leck im Wasserbett hatte. Auch wenn viele drauf schwören, ich glaube nicht, dass ich das Geschaukel im Schlaf vertragen könnte. Selbst wenn es so gut befüllt wäre, dass kaum ein Unterschied zur normalen Matratze besteht, die Vorstellung auf einer an einer Steckdose angeschlossenen Wasserbombe zu schlafen, erscheint mir nicht sehr spritzig. Auch für den Fall, dass ein gewisser zwischenmenschlicher Spannungsabfall im Schlafgemach für die Anschaffung eines Wasserbetts verantwortlich zeichnet, könnte die Hoffnung auf steigende Reibungselektrizität durchaus fehl gehen. Ich für meinen Teil müsste mich jedenfalls an den Gedanken, dass man auf einem Wasserbett sogar knien kann, ohne dass einem die Suppe um die Ohren spritzt, erst etwas länger gewöhnen. Nach meiner Meinung sollte sich Hightech im Schlafzimmer auf einen zuverlässigen Wecker und einige batteriebetriebene Objekte im Nachttisch beschränken.
Zugegeben, ich habe noch keine Meldung über durch ein defektes Wasserbett ertrunkene oder durch Stromschlag getötete Schläfer gehört, aber bestimmt gibt es da eine Dunkelziffer. Schließlich hat ganz Europa jahrtausendelang auf Strohsäcken und Rosshaarmatratzen genächtigt, warum soll das plötzlich nicht mehr gut genug sein? Außerdem brauchen auch meine Milben eine Heimat.

Feucht ist es jetzt immer noch, aber merklich kühler, nachdem es seit ein paar Stunden regnet. Und weil ich einen ziemlich geräumigen Stockschirm mein eigen nenne, kann mir sowas

ja nicht passieren.

Euch eine feuchtfröhliche Nacht wünscht
moggadodde

Preisfrage

Welches formaldehydgeschwängerte Marketinghirn gebiert so

shoppen bis der Arzt kommt?

eine Werbeaktion? Was hat die Praxisgebühr bitteschön mit dem Möbelkauf zu tun? Shoppen bis der Arzt kommt? Gibt es vielleicht ein Polsterbett „Ulla“ bei Poco, das so unbequem ist, dass man sich kulanterweise in dieser Form an den entstehenden Arztkosten beteiligen will? Kriege ich bei deren Preisen Herzrasen, Bindehautentzündung oder Bluthochdruck? War das Essen im Restaurant so mies, dass man sich dort im letzten Quartal eine Lebensmittelvergiftung hätte einfangen können?

Ich habe ja noch eine Zuzahlungsrechnung für eine Zahnfüllung hier rumliegen. Kriege ich damit auch den Gutschein, weil ich bei so einer zusammenhanglosen Aktion aus dem Lachen nicht mehr herauskomme?

Euch einen erfreulichen Abend wünscht
moggadodde