Es ist schon komisch: Ist Dixie mit ihren Freundinnen unterwegs und übernachtet sie dann auch bei einer in der Stadt, weil der letzte Bus schon weg ist, bin ich ziemlich gelassen. Ist sie allerdings, so wie gestern, bei einem neuen Anwärter für das Amt des aktuellen Romeo zum Hausbesuch, bin ich unruhig und kann nicht schlafen, bis sie endlich kommt. Heute früh war es 2.00 Uhr und auch danach waren Morpheus Arme für mich noch lange nicht in Sicht. Ich habe sie nie über Gebühr unter der mütterlichen Käseglocke erstickt und jetzt ist sie 16 1/2 und ich fange tatsächlich an, ein wenig durchzudrehen.
Wenn wir in den Kassenschlangen im Einkaufsmarkt stehen, entdecke ich Kerle, deren abschätzender Blick auf Dixie haften bleibt und ich schaue stier zurück und mein vernichtender Blick sagt unzweifelhaft:„Nimm sofort deine grindigen Glubscher von meiner Tochter, du Saftsack!“. Es mögen vielleicht sogar vom Ansehen ganz nette Typen darunter sein, aber mir ist mir keiner vertrauenswürdig genug und ich begegne den armen Kerlen, die sie hier anschleppt solange mit Misstrauen, bis sie mich davon überzeugt haben, keine Serienkiller, Triebtäter oder Werwölfe zu sein. Ich google ihre Namen, notiere Kennzeichen und überprüfe Telefonnummern mit Reverssuche. Kein Eintrag bei klicktel und schon ist der Typ verdächtig. Die Unschuldsvermutung ist in meinem mütterlichen Grundgesetzestext jedenfalls erst ganz hinten zu finden. Gut möglich, dass ich in dieser Hinsicht ein bisschen paranoid und infolge dessen nicht ganz zurechnungsfähig bin, auf alle Fälle bin ich tausendmal schlimmer als jeder Vater es je sein könnte.
Jetzt ist ja eine ganze Weile erfreulich ruhige Ebbe gewesen in der Beziehungskiste aber nun hat sie ein junger Mann geangelt, der schon in der Probezeit wegen Raserei seinen Führerschein für ein Jahr abgeben musste und den mir vorher vollkommen unbekannten Beruf des Teilezurichters erlernt. Das Wort „Zurichten“ ist für mich eher negativ konnotiert (s.a. „Die Leiche war grausam zugerichtet“). Wenn ich früher etwas zugerichtet hatte, zog das stets einen Krach mit meinen Eltern nach sich („Wie hast du denn dein Zimmer wieder zugerichtet!?“). Tatsächlich ist dieses Handwerk aber ein ehrbarer Ausbildungsberuf, das habe ich jetzt gelernt, auch wenn mir mein inneres Auge beim Gedanken an einen Teilezurichter unweigerlich einen Sargtischler präsentiert.
Ich weiß selbst: Ich bin unfair, voreingenommen, ein engstirniges Arschloch und bestimmt werde ich mal ein grässliches Schwiegermonster. Trotzdem versuche ich, mir meine Unruhe nicht anmerken zu lassen, um informationstechnisch auf dem Laufenden zu bleiben, was mir trotz des inneren, tobenden Gewitters meistens recht gut gelingt. Um mir viele weitere, schlaflose Nächte zu ersparen ist klar, dass ich lernen muss, Vertrauen in ihr Geschick zu entwickeln, sich nicht mit einem fiesen Verbrecher einzulassen, der sie in einer Sickergrube ersäuft. Mir ist klar, dass mich meine dauernde Kontrollsucht irgendwann in Teufels Küche bringen kann. In einem anderen Leben wäre ich bestimmt eine 1-A-Spionin gewesen, aber das Schicksal von Mata Hari erscheint mir tatsächlich nicht sehr verlockend.
So bleibt mir momentan nichts übrig, als darauf zu beharren, den Kandidaten baldmöglichst persönlich vor die Flinte zu kriegen, um ihm meinem persönlichen Screening zu unterziehen und herauszufinden, ob er für das hohe Amt „Aktueller Freund meiner Tochter“ überhaupt geeignet ist. Sollte er den Test nicht bestehen, kann ich leider so schnell auch nicht sehr viel daran ändern. Den letzten Verflossenen, den ich schon ziemlich bedenklich fand, sieht sie aus heutiger Sicht jedenfalls als Riesenpappnase. Das gibt ja schon Anlass zur Hoffnung, finde ich.
Euch einen glaubwürdigen Tag wünscht
moggadodde