Es kommt doch auf die Länge an

Wenn in den Hallen dieses altehrwürdigen Blogs derzeit postingtechnisch ein wenig Flaute herrscht, könnte das auf den ersten Blick im Sommerloch, den unmenschlich langen Schulferien oder der Tatsache begründet liegen, dass die moggadoddeschen Weinvorräte zu Ende gehen.
Ein erkleckliches Maß Mitschuld liegt allerdings in dem hübschen, hellblauen Knöpfle gleich rechts neben diesem Eintrag.
Twitter, so dachte ich lange, sei ein völlig überschätzter Nonsens und unnötig wie ein Kropf am Hals einer Jungfrau. Das denke ich nach ein paar Wochen zwar immer noch, bin aber trotzdem entflammt.
Angetan vom Zusehen, wie die äußerst rührige @textzicke ihre chronische Verbaldiarrhoe so erfolgreich zum Fishing for Followers nutzt, bin ich begierig darauf, mir mit @terrorythmus kleine wortakrobatische Battles zu liefern oder neugierig auf Botschaften oder Befindlichkeitsberichte mir persönlich bekannter Personen zu warten. Nörgler könnten jetzt einwerfen, dass man mit letzteren auch einfach telefonieren könnte, aber mit Twitter geht das viel effizienter. Ich habe z.B. gerade keine Lust auf langes Telefongequatsche, erfahre aber trotzdem, dass die Karre von @der_roe die Grätsche gemacht hat und eine neue Lichtmaschine braucht.

Forscher der Universität von Süd-Kalifornien wollen festgestellt haben, dass der dauerhafte Gebrauch von Portalen wie z.B. Twitter den moralischen Kompass im Gehirn fehlleitet und für eine wachsende Gleichgültigkeit gegenüber menschlichem Leiden verantwortlich ist, weil die massierte Nachrichtenflut ein handelsübliches Oberstübchen überfordert und durch die Rasanz der auflaufenden Botschaften eine Entwicklung von Emotionen wie Mitleid oder Bewunderung verhindert wird. Zum Gefühlskrüppel mit Twitter, na ich danke. Erleichtert war ich dann etwas als ich las, dass vorrangig noch nicht voll ausgebildete Gehirne betroffen sind, denn so kann ich mich ja wenigstens in dieser Hinsicht glücklich schätzen, dass meine gammeligen Neurotransmitter schon zwei Generationen auf dem Buckel haben und sich mein EQ schon vor Erfindung von Blogs oder Twitter auf, so behaupte ich, mustergültige Werte eingependelt hat. Bei meinen, zugegeben noch nicht sehr ausgedehnten Streifzügen durch Twitterworld sind mir allerdings nur User begegnet, die sich auch auf 140 Zeichen zu artikulieren wissen und der Schreibe nach jenseits der Volljährigkeit angesiedelt sind. Ich glaube, das Jungvolk tummelt sich eher auf StudiVZ oder SpickMich und nach den Dialogen zu urteilen, denen ich anlässlich einiger Schulterblicke bei Dixie ansichtig werden durfte, sind dort viel mehr potenzielle Kandidaten für den Seelenklempner unterwegs als bei Twitter oder Facebook.

Voraussetzung für die seelische Invalidität bei Benutzung all dieser Plattformen ist doch, dass soziale Kontakte außerhalb des Netzes nicht gepflegt werden und da fällt mir jetzt spontan schon der eine oder andere ein, den ich wieder einmal anklingeln müsste. Aber mit halbflüggenen Kindern und einem MamS bin ich eigentlich immer ganz froh, meine Klappe halten zu dürfen, nur beim Tippen die Finger bewegen zu müssen, schweigend abzutauchen und trotzdem teilzuhaben am Geschehen im Rest der Welt.

Durch die Tatsache, dass in der vergangenen Woche z.B. Herr @AgenteCatarella noch direkt aus dem Kreissaal getwittert hat und Tausende von Followern quasi live bei jeder Presswehe und dem finalen Entschlüpfen des Babys aus der Gattin Bauch Lesezeuge werden durften, ist meines Erachtens auch der Vorwurf der kalifornischen Forscher widerlegt: Der moralische Kompass hat beim Livetwittern direkt aus der Geburtsklinik offenbar nicht nur bei mir ziemlich stark ausgeschlagen.

Twittern ist nicht schlecht. Wie mit allem kommt es nur darauf an, was man damit macht. Und genau deshalb könnte man das so sehen: Twittern ist so wie ein Quickie mit einer angeschickerten Kneipenbekanntschaft in einem Aufzug, aber Bloggen ist immer noch wie ausdauernder Sex mit einem glutäugigen Liebhaber auf einem duftenden, baumwollenen Himmelbett: Beides hat seinen ganz eigenen Reiz.

Euch einen befriedigten Abend wünscht
moggadodde

Stockschwerenot

Also ich muss schon sagen: Sechs Rohrstockschläge soll das malaysische Fotomodell Kartika Sari Dewi Shukarno als Strafe für ihren Alkoholgenuss erhalten. Offenbar geht ihr die Bestrafung, die als Abschreckung für andere nach ihrem eigenen Antrag öffentlich vollzogen werden soll, nicht schnell genug, will doch das muslimische Gericht sie erst nach Beendigung des Ramadan verprügeln, während Frau Kartika gar nicht so lange warten will: Die öffentliche Bestrafung sei doch eine gute Methode, um Muslime vom Trinken abzuhalten und sie hänge jetzt bis zum Ende des Ramadan quasi in der Luft. Offenbar befürchtet sie, wegen der Verzögerung durch inzwischen stattfindende, ausländische Ungläubigen-Intervention um ihre gerechte Strafe gebracht zu werden.
Frau Kartikas Vergehen war der Genuss eines einzigen Glases Bier. Ich weiß ja nicht, wie sowas in Scharia-Kreisen geahndet wird, ob sich die Zahl der Stockhiebe nach der Menge des Alkohols richtet und ob ich für einen Vodka-Lemon mehr Dresche erwarten müsste, als für einen Amaretto sei dahingestellt. Ich glaube aber, Saufen ist Saufen und ich an Frau Kartikas Stelle hätte mich nicht mit einem lausigen Bier zufriedengegeben, sondern mir gleich ordentlich mehrere hinter die Binde gekippt, damit sich die Haue auch lohnt. Aber um mich geht es ja hier nicht.

Allen westlichen Gutmenschen, die nun über so viel Barbarei wegen eines einzigen Biers den Kopf schütteln sei gesagt, dass sie sich mal bitte Gedanken darüber machen sollten, dass auch sie sich wegen in unseren Breitengraden eigentlich völlig lässlicher Dinge der Sünde zeihen müssen: Ich habe den Nachbarn angelogen, als ich ihm sagte, der neue Benz sei bar bezahlt, während der Brief noch ein paar Jahre bei der Bank liegt. Ich habe lüsterne und nicht auszusprechende Gedanken gehegt, als ich der Nachbarin, die im Bikini ihr Unkraut zu jäten pflegt bei der Gartenarbeit zusah und mich sodann in die Laube zurückgezogen um das papiernerne Penthouse zu betrachten, während meine Gattin die Kartoffelsuppe zubereitete. Ich habe den Kollegen als faule Sau beim Vorgesetzten denunziert und die IKEA-Kassiererin absichtlich um 20,00 Euro beschissen. Und ich habe meinem Rotzlöffel von Kind wegen dem zweiten nassen Bett in einer Nacht entnervt eines hinter die Ohren gegeben. All das sind typische, zum Beichten geeignete und lässliche Sünden, die mit Glück den Aufenthalt im künftigen Fegefeuer ein bisschen reduzieren, die das Gewissen des Gläubigen erleichtern. Und das ist ja auch gut so.
Aber muss man es nicht deshalb Frau Kartika aus Malaysia genauso zugestehen, die nach ihrer Religion begangene Verfehlung auch nach den Regeln ihres Glaubens büßen zu dürfen? Das, was bei ihr die Stockschläge sind, sind hier fünf Vaterunser und drei Ave Maria, knieend auf einer uralten Holzbank und wer das mal gemacht hat weiß, dass das auch kein Spaß ist!
Selbst wenn ich nicht nachvollziehen kann, dass man auf das eine oder das andere begierig ist werde ich werde den Teufel tun und jemanden verurteilen, der seine Religion lebt, auch wenn ich selbst das noch so abwegig, abstrus und verwerflich finde.

Die Mitteilung der malaysische Religionsbehörde, dass die Bestrafung auf „humanitäre Weise“ mit „kleinem Stock“ erfolgen soll, während Frau Kartika bekleidet ist, was offenbar bei solchen Gelegenheiten nicht immer der Fall ist, beruhigt mich trotzdem nicht wirklich. Alles, was mit dem Willen der Frau Kartika geschieht, ist aber nichts, worüber uns zusteht, zu richten.

Euch eine andächtige Nacht wünscht
moggadodde

‚Naus am See

Bestimmt, weil sich „Baggersee am Zementwerk“ nicht gerade einladend anhört, wurde die 1972 ausgehobene Grube bei Trennfeld idyllenkompatibel auf den Namen „Klostersee“ getauft.

Klostersee Trennfeld

Ganz hübsch ist es dort, es gibt weitläufige, auch beschattete Liegeflächen und einen eher rustikalen Kiosk, wenn der kleine Hunger ruft. Das Wasser sieht sauber aus, der Einstieg ist ein bisschen steinig, aber auch für „Mädlifüüß“ überwindbar und wer gerne streifenfrei bräunt, kann auf der gegenüberliegenden Seeseite die Badehüllen fallen lassen; FKK-Jünger müssen hier nicht damit rechnen, von aufgebrachten Sittenhütern mit wehenden Handtüchern verscheucht zu werden.

Einzig das mächtige Zementwerk trübt die Aussicht von der Angezogenen-Meile aus ein bisschen, aber dafür, dass der Klostersee in Trennfeld nicht so bekannt und überlaufen ist, nimmt man das gerne in kauf. Genug Bäume gibt es auch und den Blick auf einen wahnwitzig steilen Weinberg. Ärgern musste ich mich nur, weil ich die Luftmatratze vergessen hatte. In ruhigem Gewässer ein bisschen herumzudümpeln hätte mir heute ganz gut gefallen.

Euch einen besonnenen Tag wünscht
moggadodde

Flirten, aber richtig!

Ganz beiläufig und ohne jeden Hintergedanken erzählt mir der MamS vorhin, dass ihm seine vorlaute extrovertierte und alleinstehende Büroputzfrau heute einen Prospekt mit einer Designer-Couch gezeigt hat. So eine bekäme sie nämlich auch. Naja, es wäre nicht die abgebildete, echte Rolf-Benz-Couch, aber sie sähe fast genauso aus, bis auf dies und das und jenes und die Beine wären auch anders. Die Armlehnen eigentlich auch. Aber so ähnlich halt. Auch mit Leder und so. Und dann fragte sie den MamS, ob er denn Lust hätte, zum Kaffee zu kommen. Und die Couch anzuschauen.
Es ist ja nicht so, dass hier Mangel an Couches herrscht und der MamS sich informieren müsste hinsichtlich der Kommodität eines neu anzuschaffenden Sofas, aber ich bin ja tolerant.
„So?“, fragte ich vielleicht etwas süffisant, „Die Couch anschauen. Hat sie vielleicht sonst noch was, das sie dir zeigen will? Omas Silberbesteck, ihre Putzmittelsammlung oder wie der Kobold auch die Ritzen saugen kann?“
„Blöde Kuh!“ warf mir der MamS entgegen und er hat ja Recht. Aber er kennt die verbreitet anzutreffende Verschlagenheit der Frauen nicht, das liebe Schaf.
Selbstverständlich kann er die Couch inspizieren, wenn er will, das ist ja schließlich ein freies Land und auf der anderen Seite hätte er nie auch den leisesten Hintergedanken, wenn ich einem Palettenschubser aus den Katakomben auf einen Irish Coffee einladen würde, um ihm meine Sammlung mundgeblasener Nippesfiguren zu zeigen. Nicht, dass ich sowas hier hätte, nur so als Beispiel, wobei ich finde, dass mundgeblasene Nippesfiguren viel besser als Lockvogel taugen und nicht so durchsichtig sind wie eine blöde Couch.

Da braucht’s vielleicht noch ein bisserl Nachhilfe in Sachen Flirten und weil ich selbst diesbezüglich auch ein wenig aus der Ãœbung bin, habe ich mich umgesehen und bei der AOK einen Flirtleitfaden entdeckt, der offenbar ernst gemeint zu sein scheint. Nach dem Grundkurs „Aufmerksamkeit erregen“ wird unter „Kontakt aufnehmen“ z.B. zu einem Satz wie „Ich bin so fasziniert von dir, dass ich keinen zusammenhängenden Satz herausbringe“ geraten. Also bitte! Wie doof ist das denn? Wenn mich ein Typ mit so einem Hosenlatz-Gelaber belästigen würde, wäre die Sache schneller gelaufen als mein Bier über seinen Kopf! Unter der Rubrik „Kontakt halten“ wird sogar der Einsatz von Urlauten empfohlen, wobei ein gedehntes „jaaaa“ oder „mmmmmh“ genannt wird, was ich persönlich ja erst ein paar Tage später und vor allem nicht an einem öffentlichen Ort praktizieren würde.
Ich weiß ja nicht, wie AOK-Angestellte zu ihren Partnern gekommen sind, aber wenn sie dieser Flirtschule gefolgt sind, dürften sie ziemlich einsam sein. Möglicherweise läuft die Sache darauf hinaus, dass die AOK ja auch als Gesundheitskasse firmiert und böse Zungen manche Menschen behaupten, dass man sich als Single einen Batzen Stress erspart und alleinstehend am gesündesten bleibt.
Weil ich ziemlich ausgeschlafen bin, habe ich den Hintergrund aber schnell durchschaut: Bestimmt hat die AOK allein aus finanziellen Erwägungen einen derart untauglichen Flirtleitfaden ins Netz gestellt. Da spart man sich dann ja das ganze Gezecke mit der kostenintensiven Familienversicherung, gell?

Euch einen prächtigen Abend wünscht
moggadodde

Herr Schlämmer, Sie gehen mir auf die Eierstöcke!

Obwohl ich komödiantischer Materie ganz und gar nicht unabgeneigt bin, finde ich das Gewese um diesen Schlämmer derzeit ziemlich unerträglich.
Zugegeben, auch ohne fingierte Kanzlerkandidatur fand ich Herrn Kerkelings alter ego Horst Schlämmer ziemlich räudig, selbst wenn sich die Floskel „Rücken haben“ inzwischen auch in meinen Sprachgebrauch eingeschlichen hat. Allein das Äußere stößt mich schon ab: Zähne, die jeder Beschreibung spotten, Haare, die einen Udo Walz sofort in den Suizid treiben würden und dieser columboeske Staubmantel, der unter Schlämmers Achselhöhlen eine Champignonzucht vermuten lässt! Ein gutes Beispiel für schlechten Geschmack.

Was als Interims-Gag möglicherweise noch mehr als ansatzweise komisch gewesen wäre, ist durch die anhaltende Schlämmerisierung in sämtlichen Medien jedoch nur noch peinlich. Und wenn Frau Roth anlässlich der Filmpremiere von „Isch kandidiere“ tönt, dass sie sich anstrengen werde, damit Herr Schlämmer „gewinnt“, macht sie sich für mich nicht weniger zum Affen als Herr Kerkeling.
Ganze 18 % der Bundesbürger würden Kerkelämmer zum Bundeskanzler wählen wollen und das stimmt mich nachdenklich, obwohl ich schon vermutete, dass für das gemeine Volk freie Solariumbesuche und Strafftaten auf Kassenrezept wichtigere Themen sind als Mehrwertsteuermodifikation und Konjunkturflaute.

Gedacht war das Ganze wohl als eine Art Eulenspiegelei und das wäre wohl dosiert wirklich gut gewesen, hätte es nicht diese dampfhammerharte Hyperisierung der Kunstfigur Schlämmer gegeben, von dem traurigerweise ganz sicher der eine oder andere BILD-Leser glaubt, es handele sich um eine ernsthafte Alternative zu Merkel und Konsorten. Daraus jetzt einen Kinofilm zu machen ist so, als würde man einer Gans unaufhörlich die Leber stopfen: Irgendwann platzt das Ding, ist ungenießbar und ein Fall für die Biotonne.

Natürlich will Kerkeling der Nation den Spiegel vorhalten, natürlich will er die Diskrepanz zwischen Wollen und Können auf Seiten hilfloser Politiker entlarven und vielleicht will er auch unterhalten. Aber ich persönlich glaube, er hat das passende Maß hierzu in irgendeinem ollen Refugio auf dem Jakobsweg verloren. Viel hilft nicht viel, Herr Kerkeling, übertreiben Sie es nicht!

Wenn er lernen will, wie man jemandem den Spiegel vorhält, ihn entlarvt und seine hinterfurzigen Absichten feinsinnig und geschickt ans Licht bringt, sollte er sich bei Herrn Ulmen umschauen. Der hat das als Knut Hansen beim Bürgermeister von Chamerau leise aber schonungslos und in einer Weise geschafft, dass sich der selige Till Eulenspiegel vor ihm verneigen würde.
Ich werde mir die grunzende Geißel des guten Geschmacks jedenfalls nicht noch in Spielfilmlänge antun, fürchte aber, dass dieses Possenspiel noch bis zur Bundestagswahl andauert, bis alle Kassen gefüllt, alle Egos bis zum Bersten aufgebläht wurden und sich jeder Hinterbänklerpolitikerpopanz mit Schlämmer hat ablichten lassen.
Wie sagt doch das Sprichwort: Der Schlämmer geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Und in diesem Fall bin ich dann diejenige, die, mit Verlaub, kotzen muss.

Euch eine ungenervte Nacht wünscht
moggadodde