Dass ich mir im Vorfeld über das Risikoaufkommen ein wenig sehr ins Hemd gemacht habe, kommt mir jetzt zugute: Ich bin umso mehr erleichtert, dass ich ziemlich heil geblieben bin, inkl. Stimme, Bezahnung und Nackenmuskulatur, trotz operationslagerungsbedingt überstrecktem Kopf. Nur ein paar blaue Flecken unklarer Herkunft sind zu verzeichnen.
So kann ich mir also das Erlernen der weltweit einzig noch existenten Pfeifsprache „El Silbo“ gottlob sparen; damit mich jemand versteht hätte ich auch nach La Gomera umsiedeln müssen und hätte mich dort ausschließlich mit alten, verschwitzten Spaniern unterhalten können. Auch nicht so schön.
Nach Anlegen des OP-Hemdes hat sich mein verängstigtes Gehirn offenbar ausgeklinkt: Der restliche Tag ist aus meinem Gedächtnis restlos getilgt. Während die beiden Gallen in meinem Zimmer sich allmählich in den Schlaf röchelten, unterhielt ich den Rest der Woche nächtliche Plaudereien mit einem künstlichen Darmausgang in den 50ern. Verdammt nett war auch der vorstammtischliche Besuch einiger Würzburger Blogger und Twitterer. Virgin Cuba aus Plastikbechern, aber stilecht mit crushed ice und Limette: Des hat mich fei arch gfreut!
Ach, aber sonst, das Klinikwesen lässt zu wünschen übrig: Zwar werden in den Operationssälen deutscher Krankenhäuser in einem fort Leben gerettet und Heldentaten vollbracht, die das menschliche und medizinisch unbeleckte Vorstellungsvermögen sprengen. In den Zimmern, in denen sich die Geretteten und erfolgreich Operierten danach erholen sollen, ist allerdings eine unmögliche Unart immer noch nicht ausgestorben: Pünktlich um 6.15 Uhr stürmen zwei Schwestern in den Raum, schalten Festbeleuchtung und ätzend gute Laune ein um schreiend zu verkünden, dass sie nun die Betten aufzuschütteln gedenken und scheuchen dazu alle Anwesenden aus den Federn. Blitzwirbelwindig fegen sie durchs Zimmer, während die Patienten dröge neben den Betten stehen und ihr Pech nicht fassen können. Dann rauscht das Schlafkiller-Kommando wieder hinaus, schaltet das Licht aus und man darf das eben gerichtete Bett erneut zerwühlen, bis eine Stunde später das spärliche Frühstück serviert wird und es mit der Ruhe endgültig vorbei ist. Putzgeschwader, Blutdruckmess- und -Abzapf-Kommandos sowie Stuhlgang-Abfrage-Beauftragte geben sich den Rest des Tages die Klinke in die Hand. Ist es von der Logistik einer hoch technisierten deutschen Klinik wirklich zuviel verlangt, dass Betten um, sagen wir 9.25 Uhr aufgeschüttelt werden? Oder um 11.05 Uhr? Oder gar nicht? Und wenn doch: Muss das wirklich um diese Zeit sein?
Bleibt noch, über meinen Hals zu sprechen. Beide Schilddrüsenlappen sind bis auf einen ganz kleinen Rest ausgebaut. Nach Entfernung des ersten Verbands war ich ehrlich entsetzt über die Länge der dünnen, horizontalen Naht, die mit vielen kleinen Klammerpflästerchen vertikal verschlossen ist. Das Ganze sieht aus, als wäre ich mit dem Profi-Kochmesser ausgerutscht und hätte mich selbst mit kleinen Tesafilmstreifen verarztet. Immerhin brauche ich mir um eines keine Sorgen zu machen: Mit meinem entblößten Hals beeindrucke ich zu Halloween auch hartgesottene Horroristen. Meinen Vorrat an Schals aller Art werde ich in den nächsten Monaten aber noch aufstocken müssen, damit Blicke nicht allzu erschrocken an meiner Kehle hängen bleiben und sich die Leute heimlich fragen, warum wohl mein offensichtlich stattgehabter Selbstmordversuch gescheitert ist.
An dieser Stelle sage ich endlich herzlichen Dank allen, die mich durch Kommentare, Mails und SMSen oder bei Tante Twitter aufgemuntert, getröstet und mir Mut zugesprochen, die mich besucht und reich beschenkt oder auch nur an mich gedacht haben. Das fand ich wirklich sehr hilfreich und hat mich oft zum Lachen gebracht. Als besonderes Dankeschön zum Zwischendurchgruseln gebe ich übrigens gerne eine MMS oder Mail mit einem Foto meiner immer noch verklammerpflasterten Gurgel weiter: Bei Interesse bitte melden!
So. Und jetzt darf der MamS prüfen, ob sich der Eingriff vielleicht mildernd auf mein nächtliches Schnarchstörfeuer ausgewirkt hat. Drückt ihm die Daumen!
Euch eine erleichterte Nacht wünscht
moggadodde