Alles Gute kommt nicht von oben

Da laufe ich doch heute nichts Böses ahnend durch die Haugerpfarrgasse, am äußersten Rand der Gehsteigkante, als ich plötzlich einen Schuss höre. Nicht, dass ich in meinem Leben schon einen echten Schuss aus nächster Nähe gehört hätte, meine Schusserlebnisse beschränken sich auf Actionfilme und das Geballer des Jägers aus dem nahen Wald, aber genauso müsste sich das anhören. Instinktiv drücke ich mein Kinn nach unten, klatsche mir die Hände auf die Ohren und ducke mich. Schon spüre ich, wie mir etwas auf den Kopf rieselt und als ich mich schüttle, fallen mir Splitter aus dem Haar. Kurz fühle ich mich wie die Hauptdarstellerin in einem Katastrophenfilm. Passanten bleiben auf der anderen Straßenseite entsetzt stehen, halten erschreckt die Hände vor den Mund und starren abwechselnd auf mich und in die Luft.

Nach der ersten Schrecksekunde schaue ich auch nach oben. Das gläserne Vordach schräg über mir hat tatsächlich so etwas wie ein Einschussloch. Überall sind Scherben und Splitter.
Schon strecken zwei Männer ihre Köpfe aus einem Fenster im ersten Stock. Sie hätten einen Knall gehört und wollen sehen, was passiert ist. Soweit ich sehe, sind die Fenster darüber jetzt geschlossen.
Eine größere Scherbe, schwer wie der Boden eines Whiskyglases und sicher 10 cm groß, liegt auf der Straße. Irgendwo aus den oberen Stockwerken muss jemandem dieses Monstrum aus dem Fenster gefallen (vielleicht wurde es auch geworfen), auf das Vordach geknallt und explosionsartig dort in tausend Teile zersprungen sein, die sich gerade teilweise in meinen Haaren befinden.
Aus der Apotheke kommen die Frauen gerannt. Ich gebe ihnen die größte der Scherben, direkt vor meinen Füßen liegend, sage, dass es mir gut geht und dass sie sie als Beweisstück für die Versicherung aufbewahren sollen. Ich schüttle mir die letzten Scherben aus den Haaren und gehe ungerührt weiter, zum Treffen mit dem Schwager im thailändischen Restaurant. Offenbar bin ich zu geschockt, um ein Foto zu machen, denn sonst fotografiere ich ja auch alles.

Erst jetzt, nach diesem auch sonst eher desaströsen suboptimalen Tag (Montage entwickeln sich übrigens gerade zu meinen persönlichen Feinden und ja, ICH NEHME DAS PERSÖNLICH!), geht mir auf, was ich für ein Glück hatte. Dass ich gerade, unbebrillt wie ich bin, nach oben zum blauen Himmel hätte schauen und die Splitter meine Netzhaut hätten perforieren können. Dass ich ohne das gläserne Vordach jetzt mit einem schönen Krater im Oberstübchen im Kranken- oder Leichenhaus liegen könnte. Und das alles nur, weil irgend so ein gottverblödeter Vollpfosten massive Gläser aus dem Fenster auf die Köpfe anderer Leute schmeißt, statt an Wände, wo wütend geworfenes Glas besser aufgehoben ist.

„Glück und Glas, wie leicht bricht das“, heißt ein reichlich erzwungen-verunglückter aber gar nicht so verkehrter Volksmund-Vers. Ein anderer sagt aber auch, dass Scherben angeblich Glück bringen. Nach den vielen Hiobsbotschaften der letzten Zeit müsste dann ja jetzt eine total und vollkommen rosige Zeit vor mir liegen! Los, du Schlampe Schicksal, jetzt zeig doch mal, dass du auch was anderes als Nackenschläge austeilen kannst! Hopp jetzt!

Einen glücklichen Abend wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

2 commenti su “Alles Gute kommt nicht von oben

  1. socki sagt:

    Wenn man hier nicht chronologisch sonder von oben nach unten ließt, stellt sich einem schon die Frage, ob Mrs. Destiny wirklich so beschimpft werden mußte! Das haste jetzt davon.

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