Titten auf den Tisch Hand aufs Herz: Wann habt Ihr zuletzt eine Ansichtskarte geschrieben? Für die jüngeren Semester unter Euch sei kurz erklärt, dass Ansichtskarten jene bunten Hochglanzsendungen aus Brasilien oder Bibione, China oder Castrop-Rauxel sind, die nur noch äußerst selten in Briefkästen landen, den Empfänger aber ungleich mehr erfreuen als die üblichen Rechnungen und Aus Einwurfsendungen von Blödmärkten oder Billigdiscountern.
Die Ansichtskarte sagt: „Schau, da bin ich gerade. Ich habe mir Zeit genommen, um eine Karte und Briefmarken zu kaufen. Jetzt sitze ich hier bei einem weißen Martini, in dem eine putzige Olive schwimmt (bzw. Glühwein, wenn es sich um eine Karte aus dem Skiurlaub handelt), beobachte den malerischen Sonnenuntergang über dem pittoresken Hafen (resp. den schneebedeckten, majestätischen Bergen), habe endlich alle Zeit der Welt und denke an dich. Sei herzlich gegrüßt!“
Die immer mehr um sich greifenden Unsitte, ein paar hastig hingehackte Floskeln mit elektronischer Post zu verschicken hingegen sagt mir: „Oh Scheiße. Eigentlich habe ich gar keine Lust, diese Grüße abzusetzen. Du bist nämlich erst die Fünfte auf der Liste und wegen der Internetgebühren werde ich mir heute Abend nur drei statt fünf Daiquiris hinter die Binde kippen können. Aber ich will mir nix nachsagen lassen und schicke dir zwischen Aquagymnastik und Folkloreabend schnell mal zwei hingerotzte Sätze. Essen und Wetter gut, HDL.“
Der Unterschied liegt auf der Hand, im wahrsten Sinn des Wortes.
Ansichtskarten und Briefe sind nur ein Beispiel: Die Handschrift stirbt aus. Außer für eilige Notizen, Einkaufszettel oder die Kreuzchen auf dem Lottoschein nehme auch ich, zugegeben, kaum noch einen Kuli in die Hand. Von Füllern ganz zu schweigen, obwohl ich selbst im Besitz eines echten Meisterstücks bin, das aber meist tieftraurig in der Vitrine auf seinen nächsten Gebrauch wartet.
Meine Internetentdeckung, die liebe Frau @meterhochzwei, hat sich hier ein formidables Projekt ausgedacht: Unter der Schlagzeile „Rettet die Handschrift“ wird erklärt, wie es funktioniert. Noch bis zum 31. März kann man sich eintragen, danach wird jedem durch Frau @meterhochzwei aka Frau Quadratmeter eine Adresse zugelost. Sodann darf man dem Zugelosten einen Brief schicken, vielleicht originell, vielleicht außergewöhnlich, einfallsreich oder künstlerisch aber jedenfalls zwingend handschriftlich! Eine tolle Idee und eine schöne Möglichkeit, einmal wieder selbst Hand anzulegen, anstatt schnell hastig in die Tastatur zu klimpern. Ich bin schon arg gespannt, wen ich mit meiner Klauen-Kreation beglücken darf!
Passend zum Thema hatte ich heute eine Ansichtskarte der lieben Frau Schaaf
im Kasten. Frau Schaaf weilte in Barcelona und ist wie Frau Quadratmeter und ich selbst der unumstößlichen und hoffnungsvollen Meinung, dass die Handschrift nicht aussterben darf! Die Teilnahme am Handschreib-Projekt ist, wie bereits erwähnt, noch bis 31. März möglich, Näheres entnehmt bitte dem obigen Link! Tut es, macht mit!
Die twitternde Frau @meterhochzwei bloggt übrigens auch, wie erwähnt, unter der Anschrift www.quadratmeter.wordpress.com, ebenso wie @FrauSchaaf, die blogtechnisch unter frau-und-herrschaaf.de firmiert. Beide sind ab sofort Bewohner meiner Blogroll und Eurer gewohnt freundlichen Aufmerksamkeit anempfohlen. Los, reinschauen!
Gezeichnet
moggadodde
P.S. Auch der Herr Rööö freute sich kürzlich über Ansichtskarten. Ich glaube fast, die Menschheit lechzt nach solchen Relikten aus (scheinbar) vergangenen Zeiten. Ist das nicht eine einfache und günstige Möglichkeit, einem lieben Menschen einmal wieder eine Freude zu machen? Los! Jetzt!