Auf dem Weg in die Katakomben sah ich am Donnerstagfrüh dichten Rauch über Würzburg. Anfangs noch vorsichtig an Frühnebel denkend wusste ich spätestens, als mir fieser Brandgeruch in die Nase stieg, dass es sich um ein Unglück handeln musste. Später erfuhr ich dann, dass es in der Stadtmitte tatsächlich ein Feuer gegeben hatte, einen schlimmen Großbrand im Petererviertel, bei dem die Dachstühle mehrerer Gebäudeblocks in hellen Flammen standen. Glücklicherweise wurde bei diesem Großfeuer in der Nacht kein Mensch verletzt. Auch wenn er in die Millionen geht, in diesem Fall ist es nicht verkehrt, auch bei immens hohem Sachschaden von den bekannten Peanuts zu sprechen. Autos und Häuser lassen sich ersetzen. Menschen nicht.
Es ging also alles relativ glimpflich aus. Die Feuerwehreinheiten agierten trotz der mehr als beengten Altstadt-Straßenverhältnisse schnell und professionell, alles andere ist jetzt Sache der Brandschutzversicherung und der Sachverständigen. So weit, so gut.
Dass die örtliche Tageszeitung über ein derartiges Ereignis groß und umfassend berichtet, ist selbstverständlich und dank moderner Technik darf der geneigte Leser zu diesen und anderen online bei der „Main-Post“ erscheinenden Artikeln auch seinen Senf abgeben seine Meinung kundtun. An und für sich könnte diese Kommentarfunktion zu den Artikeln bei Online-Auftritten von Zeitungen keine schlechte Sache sein. Man könnte Meinungen austauschen oder diskutieren, vielleicht bei der einen oder anderen Gelegenheit über seine eigenen Scheuklappen hinausplinsen und feststellen, dass auch andere, vernunftbegabte Wesen über eine durchaus nachvollziehbare und dezidierte Meinung zu diesem oder einem anderen Thema verfügen. Könnte. Konjunktiv. Es könnte tatsächlich eine gute Sache sein, wenn sich unter den dortigen Kommentatoren oftmals nicht, sagen wir es mal gelinde, absolute Vollspacken die Taste in die Hand gäben.
Spätestens sobald es in den Artikeln der Main-Post um Tiere oder Kirche geht, drehen die „Kommentatoren“ so richtig auf. Unter dem vermeintlich schützenden Deckmäntelchen einfallsreicher und zugleich oft vielsagender Pseudonyme glaubt jeder, der eine Tastatur von einer Klobürste unterscheiden zu können meint, seinen Mentalabfall in die Online-Ausgabe einer Tageszeitung kotzen zu können.
Nun hatten die betroffenen Gebäude leider das Pech, im Eigentum des Bischöflichen Ordinariats Würzburg zu stehen. Dieser Umstand allein reicht manchen Menschen als Grund, um ihren Geisteszustand einer großen Leserschaft zu präsentieren. Dem Fass den Boden schlug ein Hammel Schäfchen aus, das den Brand als Strafe Gottes sehen will. Ich zitiere:
„Das war die Strafe für euer lustvolles Luderleben.
Es kann doch nicht sein, dass geschiedene Leute ihre Kinder Taufen dürfen und sie noch die Hostie empfangen. Man sollte solche Leute exkommunizieren.
Des weiteren habt ihr aufgehört 3 Mal am Tag zu eurem rachsüchtigen Gott zu beten. Würzburg ist zur einer hedonistischen Sündenstadt verkommen. Es wird Zeit die Gottlosen aus der Stadt zu treiben, sonst wird der Zorn Gottes euch treffen.“
„Hedonistische Sündenstadt“? Na, davon wüsste ich aber! Einmal davon abgesehen, dass ich aus eigener, freudvoller Erfahrung nur den Begriff „Lotterleben“ kenne, mich vom Kommentator „Kampfdackel“ aber gerne dahin belehren ließ, dass es auch synonym verwendet wird, gehe ich mit dem restlichen Kommentar mitnichten im Detail d’accord. Aber das ist ein anderes Thema und ich werde den Teufel tun, auf einer Kommentarplattform über Glaubensfragen zu disputieren. Eher hätte ich gern galoppierenden Fußpilz.
Allein der Umstand, dass sich die Gebäude in kirchlichem Besitz befinden, gibt aber auch den anders gearteten „Kommentatoren“ Anlass, sich an völlig auf einer anderen Baustelle befindlichen Themen wie Pädophilie, Zölibat und Klingelbeutelplünderei zu weiden. Wer es sich antun mag, darf sich hier ein Bild des gesamten, kommentatorischen Grauens zu nur einem einzigen Artikel machen. Aber auch zu den anderen Nachrichten ist es keinen Deut besser.
Nun gibt es bei der Main-Post sicher auch bedauernswerte Online-Redakteure, die sich derlei unverdaulicher Gedankensülze Stunde um Stunde, Tag um Tag, Woche um Woche annehmen müssen und in meinem Hirn sehe ich diese unselige Abteilung, die die Kommentare zu den Artikeln kontrolliert, als eine Art pressetechnischen Gulag. Die Kommentarbeauftragten der Online-Redaktion: Willkommen auf der Teufelsinsel der Main-Post!
Nur wenige Kommentatoren sind erfrischend sachlich und nehmen sich in der Flut der Statementspacken seltsam exotisch aus. Sie nehmen teil an den Problemen der Einrichtungen, schnell Ausweichquartiere zu finden, loben Einsatzkräfte, tun Erleichterung, dass nichts Schlimmeres passiert ist kund.
Das Problem mit unsachlichen Kommentaren ist nun kein Spezifisches der Main-Post. Auch größere, überregionale Blätter haben ihre liebe Not mit Lesern, die grob unsachlich, beleidigend oder auch rassistisch werden. Manche lassen in der Nacht, wenn Redaktionen nicht oder nur unterbesetzt sind, Kommentare gar nicht zu, manche lassen Kommentare einfach auflaufen, bis das Ende der Fahnenstange erreicht ist und die Kommentarfunktion geschlossen wird, wie in obigem Fall. Aus die Maus. Ob die Option, Kommentare generell nicht zuzulassen die Richtige ist, weiß ich nicht. Aber auf alle Fälle wäre sie die erträglichere Lösung. Und wenn, wie in den herkömmlichen, guten alten Leserbriefen eine nachprüfbare Klarnamenpflicht bestünde, würde dies mit ziemlicher Sicherheit für Ordnung im Stall sorgen. Ja, wenn ich’s recht überlege, ist das mein Favorit.
Viele dieser „Kommentatoren“ geben überdies vor, dass ihnen das Wohl der Stadt am Herzen liegt. Wenn sich aber durch die umfangreiche Berichterstattung im Fernsehen der eine oder andere Besucher auf die Kommentarseiten zu den z.B. diesen Brand betreffenden Artikeln verirrt, muss er doch annehmen, die Würzburger sind ein Haufen degenerierter Spinner, die sich unflätig, dumm und gemein im Minutentakt mit Dreck beschmeißen! „Neee, Norbert! Lies das mal! Die sind ja verrückt. Ich will nicht nach Würzburg!“. Liebe Leute, die Ihr da bei der Main-Post Eure Kommentarkacke absondert: Habt Ihr Euch mal überlegt, wie das da draußen in Restdeutschland wirkt? Würzburg – Provinzstadt ohne Hirn!
Alles könnte so schön sein. Könnte. Konjunktiv. Man könnte aber auch einfach mal nur seine Klappe halten. Oder wenigstens seinen Kommentar ohne Pseudonym schreiben, damit die Meinung endlich auch einen richtigen Namen hat!
Eine aufgeklärte Nacht wünscht
Heidi Luger
aka moggadodde
Wie wahr, wie wahr… Dem lassen sich aus dem Stand noch ein Kommentar hinzufügen zum Artikel über den 18jährigen, der volltrunken einen Rettungswagen klauen wollte: Scheinbar hatte da einer der Kommentatoren auch nur quer gelesen (vermutlich jeden ersten Buchstaben jeder Zeile) und schnell geschossen, dass man den Brandstifter ja nun hätte, aber ihm ja gar nichts könne, denn was habe denn ein 18jähriger Schüler schon und dass er sicher nur Sozialstunden bekommen werde.
Ja, dem ist dann wirklich nichts mehr hinzuzufügen.
Ich frage mich manchmal, wer da überhaupt kommentiert. Manche, und nicht grad wenige, geben ja zu allem ihren degenerierten Mist ab.
Ein positives scheint es ja zu haben: Würzburg dürfte sicher sein vor einer Invasion der Zombies. Bevor die auf Hirn stoßen, sind sie schon verhungert 😉
Oh, ja. Diesen Diskussions“strang“ striff ich auch. Eigentlich weiß ich überhaupt nicht, warum ich mir das öfter antue. Vielleicht ist es so wie bei einem Unfall: Schrecklich, aber hinschauen musst du trotzdem.
Das trifft es ziemlich genau 😉
Man möchte einfach das innere Gefühl haben, den Kopf gewaltsam gegen die nächste stabile Wand zu rammen
Aber nicht zu arg und zu oft an die Wand bitte.
Sonst steigt die Gefahr, dass man selbst kommentiert.
Ich verkniff es mir bisher, obwohl es mich sehr juckte. Allerdings fürchte ich, die Meute würde mich zerfleischen. Und das will ja niemand, hoffe ich 😉
Guter Artikel!
Ich ertappe mich selbst oft genug dabei wie ich beim lesen solcher Kommentare eine Wand in Reichweite meines Kopfs wünsche 😉
Jetzt mal ehrlich, in jedem durchschnittlichen Hobbyforum wird mehr Aufwand betrieben um das Diskussionsniveau auf einem erträglichen Level zu halten!
Schade eigentlich, dass Zeitungen wie die Mainpost den Kommentarbereich weniger als Teil eines „Community Konzepts“ sondern wohl viel mehr als „Klowand einer Tiefgaragentoilette“ ansehen.
Klar, durch derartig leidenschaftliche Diskussionen auf unterstem Niveau lassen sich sicher einige Page Impressions generieren, aber darüber, dass das ganze langfristig auf das Image der Mainpost abfärben könnte hat sich wohl noch niemand ernsthaft Gedanken gemacht.
Daran, dass ein Kalkül hinter dem Stehenlassen solcher Äußerungen steckt, hatte ich ehrlich gesagt noch gar nicht gedacht. Ich Schäfchen. Ich glaubte eigentlich eher an Unbedarftheit hinsichtlich des Umgangs mit diesen Problemen, bzw. an Bedenken der Mainpost, dass bei stärkerer Moderation von vielen Leuten sofort wieder der Vorwurf der Zensur aufs Tablett kommt. Danke Markus!
Nein, da steckt kein Kalkül dahinter, mehr die Schattenseite der Meinungsfreiheit.
Die paar PIs mehr durch Kommenentarfans stehen vermutlich noch mehr entgangene PIs durch Leser, die solche Kommentare nicht lesen wollen.
Das muss für die MP doch ein Grund mehr sein, die Praxis zu überdenken! Ich wette, wenn da „Hans Meier, Ãœchtelhausen“ stehen würde, statt „Horrorheinz48“,gäbe es eine andere Kommentarkultur. Unabhängig davon, dass die Redaktion ja die richtigen Namen kennt, werden Leserbriefe in der Printausgabe ja auch mit vollständigem Namen veröffentlicht. Dass hier Unterschiede gemacht werden, leuchtet mir nicht recht ein.
Dann möchte ich nicht wissen, wie viel Max Mustermann und Rosa Schlüpfer plötzlich kommentieren werden – gerade die Hardcore-Kommentatoren. Letzlich ließe sich das nur mit Realnamenflicht bei der Anmeldung erreichen und die Leute müssten ihre Adresse angeben. Dann bekommen sie einen Freischaltcode per Post und erst dann ist man einigermaßen sicher, dass die Leute so heißen wie sie angegeben haben.
Wenn Google+ schon eine riesen Realnamendebatte dann, warum dann nicht auch die Main-Post? 😉
Ja, Ralf, genau so etwas meinte ich doch und finde, das ist nicht zuviel verlangt. „Einigermaßen sicher“ ist immerhin mehr als „Tür und Tor geöffnet“. Als Laie gefragt: Hat nicht die Main-Post auch eine Art Hausrecht und kann bestimmen, wie die Prozedur, die zur Kommentarmöglichkeit führt, aussieht? Die Hauptsache ist doch, sie gewährt diesen Zugang!
Bis der Anmeldevorgang absolviert ist, ist vielleicht manches Mütchen gekühlt und wenn auch der Klarname unter der Meinung steht, wird die Wortwahl mit Sicherheit sorgfältiger getroffen!
Unbedarftheit kann man da natürlich auch nicht ausschließen, was aber auch nicht gerade für die Medienkompetenz der Planer sprechen würde finde ich 😉
Ich denke bei sowas wahrscheinlich aufgrund beruflicher Vorbelastung gleich an andere Dinge…
Jaja, da kommt der SEO durch, gell? 😉
🙂