Seufzend kündigte meine Mutter beim letzten Gespräch an, ihr Leben umkrempeln zu wollen. Ich erwiderte, dass sie doch erst im letzten Monat die Wohnzimmermöbel verstellt habe. Sie schaute pikiert, teilt sie meinen Sinn für Humor doch nur eingeschränkt.
Ich hörte und staunte: Nach den letzten Reinfällen bei der Kontaktanbahnung rang sie sich kürzlich doch wieder dazu durch, die dräuenden Frühlingsgefühle beim blauen Band zu packen. Weil Amor aber offensichtlich leider keine Hausbesuche macht und ihr einen Freizeitpartner dummerweise nicht auf dem Silbertablett vor die Tür stellt, hat sie mal wieder auf eine Annonce geantwortet.
In der Lokalpresse offerierte sich kürzlich ein Herr gehobenen Alters auf der Suche nach einer Dame für gemeinsame Unternehmungen. Mutter packte sich also ein Herz und traf sich mit ihm letzte Woche in einem Café in der City.
Auf den ersten Blick war Heinz meiner Mutter nicht unsympathisch, er hatte ein nicht hässliches Äußeres und ja, sie fand ihn sogar interessant, weil er sie mit seiner stattlichen Statur an meinen Vater erinnerte. Ein „Grüschperl“, wie sie es auf meefränggisch formuliert, braucht es bei ihr gar nicht erst zu versuchen. „Der könnte richtig sein“, dachte sie.
Man parlierte also über Kaffee und Kuchen hinweg und tauschte Nettigkeiten. Meine Mutter erzählte, dass sie nach mehreren Jahren Witwendaseins doch wieder mehr unter Leute gehen wollte, was er gut und verständlich fand. Er erklärte, pensionierter Beamter zu sein und nicht gewillt, nach zwei gescheiterten Beziehungen die Suche aufzugeben. Er duzte meine Mutter von Anfang an und obwohl er mit Komplimenten ihr Aussehen betreffend nicht sparte, ließ sie sich nicht blindlings einwickeln und blieb ihrerseits standhaft beim „Sie“.
Nach einer halben Stunde schon meinte der gute Heinz, dass der Worte doch genug gewechselt seien. Er würde jetzt gerne sein Auto aus der Tiefgarage holen und mit ihr in seine Wohnung fahren. Bei meiner Mutter fiel sofort der Vorhang. Nachdem sie sich kurz gesammelt hatte, beschied sie ihm, für diese Art von Unternehmung nicht zur Verfügung zu stehen. Sie wollte ihren Kaffee und Kuchen bezahlen, was er sich vehement verbat. Selbstverständlich sei sie eingeladen. Meine Mutter stand auf und wartete draußen auf die Straßenbahn, wo er sie, was sie aus dem Augenwinkel wahrnahm, noch immer beobachtete. Am liebsten, so erzählte sie mir, hätte sie schon in der Straba ordentlich geheult. Aber sie riss sich zusammen und wartete, bis sie zuhause war, wo sie auch sofort seine Telefonnummer in die Tonne schmiss.
Der gute Heinz war also mal wieder ein Griff ins berühmte Datingklo. Selbst wenn der Faktor Zeit in beider, fortgeschrittenem Alter eine nicht allzu üppig gegebene Größe sein mag, der Versuch, einer Frau beim ersten Treffen schon nach einer halben Stunde an die Wäsche zu wollen, zeugt eher von brachialer Blödheit denn von Intelligenz. Lustgreisalarm? Notstandsdruck? Oder ist „Wohnung“ in diesem Fall etwa nicht mit „Briefmarkensammlung“, „Edelsteinsortiment“ oder „Dildokollektion“ gleichzusetzen? Und sollte Mutter sich vielleicht noch geehrt fühlen, dass Heinz nicht gleich ein Zimmer im Hotel um die Ecke gebucht hat? Männer wie Heinz können sich wohl schwer vorstellen, dass für Frauen dieses „unter Leute gehen“ u.a. auch bedeuten kann, einfach nur vorsichtig auslotend die Aufmerksamkeit und Gesellschaft eines Herrn zu genießen, ohne dass ihr Gegenüber sofort die Fleischpeitsche schwingt.
Entschuldigung, ich werde unsachlich. Aber diese Episode macht es wieder schwerer, meine Mutter davon zu überzeugen, dass hinter diesen Kontaktanzeigen zwar viele aber nicht nur tückische Heiratsschwindler, notgeile Zuchtbullen oder sonstige, geistige Grasnarbenschnüffler stecken. Auf zum nächsten Versuch. Es kann ja nur besser werden.
Einen liebevollen Tag wünscht
moggadodde
ahhh das tut ja echt weh…..
manchmal schämt man sich für seine Artgenossen…
Na, und das mit fast 70. Behaupte noch einer, die Jugend von heute sei verdorben oder habe keinen Anstand! Bullshit!
@DayLight: Du nimmst mir die Worte aus dem Hirn 🙁 Auch mein erster Gedanke war, dass ich mich wirklich für meine Art-, respektive ‚Geschlechtsgenossen‘ schäme!
Allerdings hoffe ich doch sehr, dass dieser Reinfall weitere Versuche nicht verhindert. Meine Daumen sind gedrückt. 🙂
Danke, ich hoffe auch, dass sich da auch mal ein „normaler“ Vertreter Eurer Spezies findet. Es sind ja nicht alle so. Aber der Kontaktanzeigenmarkt scheint ein Tummelbecken für geistige Armleuchter zu sein.