Kürzlich weilte ich ja für ein paar Tage in Italien. Zwar ist die Gegend um den Gardasee ja inzwischen quasi der Zweitwohnsitz zumindest vieler Süddeutscher. Wir Unterfranken, maretechnisch strategisch äußerst ungünstig gelegen in der Mitte zwischen Nordsee und Mittelmeer, sitzen da locker schon mal 8 lange Stunden im Auto. Trotzdem ist der Gardasee das am schnellsten erreichbare Gewässer mit südlichem Flair, fremdländischem Zungenschlag und den typischen Panini in Golfballkonsistenz.
Wir mieteten uns mit 8 Personen in einem kleinen Hotel ein, in San Zeno di Montagna, fast 600 m über dem See gelegen. Umso verwunderlicher, dass der heilige Namensgeber u.a. der Schutzpatron gegen Überschwemmungen ist. In dieser Höhe ist sowas ja auch eher selten anzutreffen.
600 m Luftlinie und ein atemberaubender Blick auf den See bedeuten allerdings auch 20 Minuten Gegurke über aberwitzig enge Serpentinen. Die Italienerin in mir befand meinen Fahrstil als angemessen, der MamS, ganz Teutone der Herzen, war angesichts dessen Zügigkeit allerdings nicht begeistert. Er fuhr mir ständig in die Parade. Verunsichert durch ihren unablässig moppernden Vater meckerten die Kinder im Fond dauernd irgendwas à la „Muddah, mach langsam!“ und der MamS hielt auch nicht die Klappe, sondern maßregelte mich permanent, was mich allerdings recht wenig anfocht, sondern sogar, ich gebe es ungern zu, anstachelte. Immerhin fahren wir kein Goggomobil, sondern ein technisch hochwertiges Vehikel japanischer Provinienz mit allerlei Sperenzien. ESP, ASR und ABS sind nicht zum Spaß im Auris Hybrid verbaut. Ich bin auch nicht wenig motorisiert unterwegs, habe seit 25 Jahren ununterbrochen den Führerschein und erst zwei kleinere Unfälle auf dem Konto, davon nur einer selbst verschuldet und dieser wiederum bereits 20 Jahre zurück liegend. Etwas mehr Vertrauen in mich, meine Fähigkeiten und das Auto hätte ich schon begrüßt. Ein beherzter Einwurf: „Dann fahr doch einfach selbst, Himmelarschundzwirn!“, erübrigte sich allerdings angesichts diverser, vom MamS im Ristorante genossener, aperolhaltiger Kaltgetränke. Ich glaube, auch die Italiener sind bei der Alkohol-am-Steuer-Problematik recht unentspannt. Er hatte also keine Wahl, denn Führerscheinneuling Dixie überkam schon angesichts der ersten beiden Biegungen mit Gegenverkehr das kalte Grausen.
Der See selbst war wie immer: Wunderhübsch und majestätisch anzusehen und von gefühlten Myriaden von Lokalitäten gesäumt. In einigen fühlt man sich als Ausländer sogar ernst genommen. Ich habe vor Jahren mehrere Semester Italienisch gelernt, um mit fundiertem Wissen punkten zu können, aber viele der eingeborenen Kellner ignorieren grammatikalisch völlig korrekt dargebotene Bestellungen und servieren zu allem Ãœberfluss selbst noch reichlich verhunzt „Zwei Espresso!“. Zu gerne hätte ich insistiert und den einen oder anderen pomadigen Cameriere bezüglich italienischer Grammatik aufgeklärt, aber dafür war der Tag dann doch zu schade. Fortan bestellte ich konsequent auf Deutsch. Sollen sie sich ja nur nicht beschweren, dass der Teutone die Gestade des Lago überschwemmt! Wer seine Sprache nicht pflegt, hat nichts Besseres verdient.
Für kulturelle Aktivitäten bot sich nur wenig Raum. Wir nutzten die knappe Zeit für üppige Exkursionen durch Pizza-, Eis- und Getränkekarten sowie zum Auftanken des Seelenspeichers durch ausgedehnte, liquidoptische Streicheleinheiten. Immerhin hatten wenigstens die Jungs Gelegenheit, sich trotz der relativ kühlen Temperaturen im See zu tummeln.
Auf der Suche nach kulinarisch wertvollen Locations befragte der MamS einmal halbherzig seinen Jahrzehnte alten Reiseführer. Zwar war es ihm egal, wo wir speisten: Hauptsache lecker und nicht so teuer. Ich aber fühlte brennenden Ehrgeiz: Ich wollte nun wissen, wo dieses „Nanni“ oder „Nonno“ oder „Nanna“ oder so ähnlich in Costermano zu finden sei, aber die überalterte Navigationsuschi wollte den Weg so recht nicht weisen. Zugegeben, wir gerieten beide ein wenig in Rage, die beziehungsinterne Stimmung war aus diversen Gründen ohnehin seit Stunden nicht die Beste. So hielt ich ziemlich bockig einfach auf dem Parkplatz eines Supermarktes und schnappte mir die nächstbeste Italienerin. Nach dem Weg zu fragen hat für manche Männer möglicherweise etwas Entwürdigendes. Lieber preschen sie stundenlang durch die Pampa, als auch nur irgendeinen umherstreundenden Rentner anzusprechen, der sie und ihre gebieterische Ehre durch bloßes Fragen offenbar auszulöschen vermag. Der alte Charles Darwin könnte das vielleicht erklären. Ich kann es nicht.
Die nette Parkplatz-Italienerin wies mir jedenfalls wortreich den Weg. Mittlerweile hatte sich der MamS zu unser aller, körperlichen und seelischen Unversehrtheit ins andere Auto absentiert und war von dannen gerauscht. Mit der lieben SchwäSu, die seinen Platz dankenswerterweise eingenommen hatte, fuhr ich fast direttamente das gesuchte Ristorante an. Es war teuer. Und die überall angebrachten Kameras vermittelten eher nachrichtendienstliche Tätigkeiten als ordentliche Pizzabäckerkunst. Aber, bitte: Wir hatten es immerhin versucht!
Schließlich aßen wir an diesem Abend in einem überaus reizend gelegenen Lokal in der Nähe des Hotels, das die Männer und wir unabhängig (!) voneinander sowie bar jeglichen Point of interest-Hokuspokus‘ nur nach Augenschein ausgewählt hatten und wo niemand großartig des Deutschen mächtig war. Dort endlich legte man eine erfrischende, südländische Behäbigkeit hinsichtlich des Servierens von Speisen und Ãœberbringen von Rechnungen an den Tag. Na also! Geht doch, Gardasee!
Auf der Heimreise schüttete es auf der Brennerautobahn wie aus himmlischen Kübeln. Die Temperatur sank in Windeseile um satte 15 Grad und ich pflügte den treuen Toyota wacker durch die Fluten. Pünktlich zum Anpfiff des EM-Spiels gegen Portugal schaltete der MamS den Fernseher ein und ich startete die erste Waschmaschinenladung. Schon jetzt war der Gardasee ganz weit weg und reichlich unwirklich. Nur ein leichter Sonnenbrand auf der Schulter erinnerte noch daran.
Beim nächsten mal werde ich also:
Hört sich nach einem guten Plan an.
Eine buona notte wünscht
moggadodde
Wow! Wenn es so schön war, wie du es wundervoll blumig beschreibst, dann ist dieser Kurztrip absolut beneidenswert. Und ich kann mir gut vorstellen, dass damit die menschlichen Akkus wieder voll aufgeladen wurden.
Für mich ist das alles natürlich viel zu weit für einen Kurzurlaub – ABER ich setze mich von Zeit zu Zeit nebenan einfach mal für eine Termoskannentasse Kaffee ans hiesige Rheinufer und betreibe dan Schiffegucken oder modern: „Schiffspotting“. Is‘ auch schön 😉
Am Rhein war ich vor ein oder zwei Jahren auch mal unterwegs. Dagegen kommt unser putziger Main natürlich nicht an. Aber du hast schon Recht: Es ist gar nicht so wichtig, wo und wie groß, Hauptsache: Wasser vor der Nase!
Verona oder Garda? Ich find ja Garda fast schicker muss ich sagen, ist aber auch schon ewig her, dass ich da war.
Nach Verona hab ich’s noch nie geschafft …