„Ein Leben ohne Handy ist möglich, aber sinnlos.“ Das ist die Devise nicht nur der meisten jugendlichen, sondern auch einer ganzen Reihe von ausgewachsenen Menschenwesen in meinem Bekannten- und Verwandtenkreis und nein, ich nehme mich selbst hier nicht aus. Sowohl Fluch als Segen ist es trotzdem ja auch praktisch, immer und überall erreichbar zu sein. Schließlich weiß man nie, wann Clooney klingelt oder Dixie mit der frohen Botschaft einer ergatterten Wohnung aufwartet; beides wären äußerst glücklich gefügte Umstände, die sofortiges Kofferpacken Handeln erforderlich machten.
Längst taugt ein Handy nicht mehr nur zum Telefonieren, Fotografieren, Musikhören, Navigieren, Terminieren, Netzwerken oder -surfen. Ein Handy heißt jetzt Smartphone und lüftet Wohnungen, beobachtet, ob noch aufs Display geguckt oder in Standby-Modus geschaltet werden darf, überwacht den Userschlummer und versucht, für das angegebene Zeitfenster eine Leichtschlafphase zu erwischen, um ein möglichst sanftes Wecken zu ermöglichen. Klar, dass man das Gerät zu diesem Behufe möglichst nicht im Badezimmer platziert, sondern am besten direkt unters Kopfkissen pflanzt, damit eventuelle Schlafzuckungen korrekt erkannt und risikobereite Nutzergehirne mittels noch immer nicht abschließend für unbedenklich erklärter Mobilfunkstrahlung schrankenlos zu Klump gegrillt werden können.
Auf der gerade laufenden „Mobile World Conference“ macht sich die Branche Gedanken, wie noch mehr an Smartphones und mobilem Internet verdient werden kann. Größtes Thema heuer ist die Durchführung von Zahlungsverkehr mittels Smartphone, wozu sich allerlei Anbieter bereits weitgehende Pläne ersonnen haben, z.B. auch die Telekom, die nach einem Versuchsstart in Polen auch hierzulande „myWallet“ zu installieren versucht und damit seine Nutzer zu noch mehr bargeldlosem Geldfluss animieren will. Böse Zungen mögen behaupten, wenn’s eine bargeldlose Mobilbörse in Polen schafft, taugt sie auch für die Restwelt, aber ich meine, Schuldnerberatungs- und Privatinsolvenzstatistiken sprechen eine mehr als deutliche Sprache: Noch mehr simple Schnurstracks-Zahlungsmöglichkeiten, noch mehr Schulden. Ist es eine so große Strapaze, bar zu bezahlen? Oder mit Karte? Zum Glück sind nur die Wenigsten unter uns dauerglobetrottende Prosperitäter, die von Jetlag geplagt wegen permanenter, überseeischer Wirtschaftskonferenzen nicht mehr wissen, auf welchem Kontinent sie gerade wandeln, aber trotzdem noch dringend einen frischen Schlüpper aus dem Dutyfree brauchen!
Für meine paar Kröten und normalen Bedürfnisse tut’s das Bargeld, die antike EC-Karte und für den Rest das Homebanking am heimelischen PC, aber auch nur, weil meine Hausbank über ein recht dünnes Filialnetz verfügt. Das ist auch schon alles, was ich an mobiler Zahlung durchzuführen bereit bin und ganz sicher werde ich meinem winzigsüßkleinen Smartphone keinen Zugang zu meinen hart verdienten Moneten gewähren, selbst wenn der Anbieter der Papst persönlich restlos und zweifelsfrei über jeden Verdacht erhaben und die Welt an sich eine Bessere ohne Hackergesindel und Betrugsgelichter wäre.
Ebenfalls auf dieser Konferenz hat der der Vorstandschef des größten, indischen Mobilfunkanbieters verkündet: „Afrika hungert nach Internet“. Bremsklötze für weiteren, schier unermesslichen Profit seien hier dummerweise die hohen Preise sowie mangelnde Bildung und der weitreichende Analphabetismus der zu beglückenden Kundschaft. Einmal davon abgesehen, dass ich diese Aussage in ebendiesem Wortlaut ein klitzekleines Häuchlein zynisch nennen möchte, bin ich der Meinung, dass nicht unbedingt Internet und Smartphones die Probleme dieses Kontinents zu lösen vermögen, sondern Bildung und Nahrung und ein ansonsten kriegs- und krisenfreies Leben, was meines Wissens kein noch so pfiffiges Smartphone dieser Welt zu schaffen vermag.
Einziger Grund für diese in meinen Augen durchsichtige Aussage ist der Umstand, dass der Smartphonemarkt in der restlichen Welt offenbar nahezu ausgereizt ist und die Ankopplung einer weiteren Milliarde Menschen ans mobile Wehwehweh einen schier unermesslichen Profit für Hersteller, Anbieter und Aktionäre bedeutet. Was zum Teufel sollen die Leute im größten Teil von Afrika damit? Pizza bestellen? Oder ein Jamba-Sparabo?
Sollte man nicht zunächst Nahrungsmittelspekulationen unterbinden, Bauern fair bezahlen, Bewässerungssysteme optimieren oder Menschen zuerst Lesen und Schreiben beibringen? Ach, richtig: Dafür gibt es ja schon Hunderte billiger Apps.
Tatsächlich dürfte vielleicht sogar der nützliche Effekt eintreten, dass mittels Mobiltelefonie das Heer der kleinen Händler und Handwerker schneller erreichbar ist und sich Bauern über Marktpreise informieren können. Zwar könnte Letzteres auch nach hinten losgehen, weil der Bauer dann quasi in Echtzeit verfolgen darf, wie er zwar für seine Erzeugnisse vom Rest der Welt über den Tisch gezogen wurde, aber immerhin kann er dann noch ein paar Schenkelklopferclips auf YouTube hochladen. Hakuna Matata!
Eine störungsfreie Nacht wünscht
moggadodde