Schade, dass mir gerade heute, zur Spargelpremiere in den hiesigen Hallen, so sehr die nicht mehr vorhandene Galle kocht.
Dass sich Wurst-Uli mit seinem dummen Steuerfoul in Reputationsabseits gezockt hat … geschenkt. Er ist schließlich nicht der erste A bis F-Promi mit bisher tadellosem Leumund, der blind vor Gier über das Strafgesetzbuch stolpert oder sich zumindest in den Fallstricken der Grauzone verheddert. Vorbilder in der Politik hat man als ambitionierter Pharisäer ja reichlich: Niebel und die Teppiche, Süssmuth, Schmidt, von der Leyen und die Dienstwagenaffären, Özdemir, Gysi und privat verballerte Bonusmeilen, Trittin und Künast und die Flugbereitschaft, die Liste ließe sich noch seitenlang fortsetzen.
In dieser Woche kamen ja erneut zumindest zweifelhafte Selbstbedienungspraktiken von einigen bisher respektierten Abgeordneten im Bayrischen Landtag ans Licht des weißblauen Himmels. Der CSU-Fraktionsvorsitzende Schmid zum Beispiel beschäftigte seine Ehefrau fürs Home-Office. Sie nehme in seiner Abwesenheit schon mal Telefonate entgegen und leite erste Schritte ein, offenbarte er in einem Interview. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses Winter hingegen stellte gegen Ende 2000, kurz vor einer dies untersagenden Gesetzesänderung, seine damals 13 und 14 Jahre alten Söhne für Computerfragen auf die Gehaltsliste.
So gesehen sind der kleine Hank und ich ganz schön blöd, dass wir uns unsere Bemühungen, dem technikdebilen MamS endlich das Simsen beizubringen, Termine zur Physiotherapie zu vereinbaren oder ihn für nervtötende Meinungsumfragenanrufe zu verleugnen, nicht auch versilbern lassen. In meiner Unbedarftheit dachte ich immer, das seien Leistungen, die zum innerfamiliären Tätigkeitsbild gehören. Offenbar dachte ich falsch.
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass die Etymologie des Wortes „Moral“ so unklar ist, wie dessen Bedeutung offenbar manchen Menschen, die ebenso „Anstand“ einzig als Beobachtungsposten eines Jägers kennen. Raffgier, Amigogeklüngel und Selbstbevorteilung prägen große Teile des Politikzirkus, der Haute-Volée bis hin zur Bussi-Bussi-Gesellschaft und sonstiger Semiprominenz.
In einer kurzen Minute der Selbstkritik hinterfragte ich mich selbst: Würde ich an der Stelle dieser Leute genauso handeln? Würde ich auch jedes Schlupfluch auf Zugewinn suchen und ausnutzen? Allein aus Steuerspargründen nach Monaco, in die Schweiz oder Österreich ziehen? Scherte ich mich auch einen feuchten Furz um Ehrgefühl und Gerechtigkeit? Schließlich habe ich irgendwo im Keller doch auch den längst überholten „Konz“ mit den 1000 ganz legalen Steuertricks!
Ich glaube nicht. Meine bisher einzige, erinnerliche Verfehlung zum Nachteil anderer war der Diebstahl eines Päckchens Wrigleys Spearmint im Alter von 12 Jahren und sollte ich nur eine Stange Zigaretten zuviel über die Grenze schmuggeln müssen, würde mir jeder blutige Zöllnerlehrling das schlechte Gewissen bereits aus großer Entfernung auf der Stirn ablesen können. Es fehlt mir halt einfach, dieses spezielle Betrü-Gen.
Problematisch für mich ist, dass man offenbar niemandem vertrauen kann, völlig egal, was er von sich gibt, verspricht, fordert, anmahnt. Man sei „durchblutet und beseelt vom Willen des Erfolges“, sagte Seehofer eben auf der Vorstandsklausur. Um bei seinen blumigen Worten zu bleiben, bin ich nach den Vorgängen der letzten Woche, die bei näherer Beleuchtung sicher nur das Ufer eines anrüchigen Sumpfs bilden, durchblutet und beseelt von tiefem Misstrauen gegen jeden, der mich salbadernd auf seine Seite zu ziehen versucht. Es ist noch nicht einmal Wahlkampfzeit und ich habe jetzt schon die Schnauze voll!
„Die moderne Menschheit hat zwei Arten von Moral: Eine, die sie predigt, aber nicht anwendet und eine, die sie anwendet aber nicht predigt“, sagt Bertrand Russell. Und ich bin noch nicht sicher, ob ich am 15. und 22. September nicht vielleicht Besseres zu tun habe, als Kreuzchen hinter Namen zu setzen.
Einen anständigen Abend wünscht
moggadodde