Samstag, 10 Uhr. Wir sitzen draußen und genießen das schönste Frühstück der Woche. Der MamS hat warme Brötchen gejagt, die Zeitung liegt bereit und wir haben weichgekochte Eier und allerhand leckeren Pipapo, denn es könnte das letzte mal sein, glaubt man dem Wetterbericht.
Wir sitzen also draußen, lesen Zeitung und versuchen, der Wespenarmada Herr zu werden, die über unsere Wurstbrötchen herfällt. Die Eier sind auf den Punkt pefekt und es könnte ein schönes Frühstück werden.
Irgendwo läuft Musik, Schlager aus den 60ern. Unser Haus liegt am Hang, die Klänge kommen irgendwo von gegenüber und weil die dortigen Gebäude niedriger liegen, hören wir die Musik sehr genau. Als der Wind richtig steht, verstehen wir auch den Text. Den Wencke Myhre-Gassenhauer „Er steht im Tor“ singt da ein Mann. Ich höre genauer hin und in dieser Version wird „Mohr“ aus „Tor“ und allerlei fremdenfeindliche Beleidigungen in Liedform dringen an meine Ohren. Ich traue ihnen nicht und warte. „Zehn kleine Negerlein“ werden danach abgesungen. Das nächste Machwerk ahmt „Trio“ mit „Dadada“ nach, nur dass der Refrain hier aus „Ich lieb dich nicht, du liebst mich nicht“ ein „ich will dich nicht, ich will dich nicht“ macht und eindeutig auf Asylbewerber abzielt. Mein Herz schlägt schneller. Im nächsten Lied geht es um Juden und Geld und die Wall Street und … ich sehe inzwischen tiefdunkelrot und kann nicht einmal mehr sagen, welcher harmlose Schlager als nächstes zur volksverhetzenden Abscheulichkeit ruiniert wird.
Ich bin sicher, DJ Dumpfbacke zu kennen: Es muss der ungefähr 60jährige Feinripp-Gorilla mit der schulterlangen, grauen Haarmatte sein, der von hier oben selten zu sehen, aber durch enthemmtes Rülpsen in seinem Garten quer durch in der Nachbarschaft umso öfter zu hören ist.
Wütend wäge ich die Alternativen ab: Runterbrüllen wird über diese Entfernung keine Lösung sein. Seinen Namen kenne ich nicht, ich muss also hin. Noch bevor der MamS und der kleine Hank Sicherheitsbedenken anmelden können, schwinge ich mich voller Zorn ins Auto und fahre eine Straße tiefer. Seine Gartentür ist offen, der geschmacklose Schund dröhnt und Meister Schwachkopf beugt sich seelenruhig über die Biotonne. Er schaut mich feindselig an und weiß sofort, wieso ich komme. Für Typen mit Graubrot-Aufmerksamkeitsspanne rede ich für gewöhnlich auch nicht lange um den braunen Brei herum: Rundheraus teile ich ihm mit, dass ich mich von seiner Musik belästigt fühle. Ich kann den Satz kaum zu Ende sprechen, da tritt er auf mich zu und scheucht mich mit Handbewegungen und der gebrüllten Verabschiedung „Ab! Raus hier! Ab!“ von seinem Grundstück. Uns trennen nur ein paar Meter und selten kam ich einer Aufforderung lieber nach. Im Rückwärtsgehen biete ich an, dass ich auch gern die Polizei rufen könne und hüpfe ins Auto. Er steht jetzt am Gartentor und schaut mir grimmig beim Wegfahren zu. Eine halbe Minute später bin ich wieder zuhause. Die Musik ist aus und er werkelt ungerührt in seinem Garten weiter.
Wie meistens, wenn eine gewisse Portion Rage Besitz von mir ergriffen hat, machte ich mir erst danach Gedanken. Er hätte mir mit dem Spaten ja auch direkt eins überbraten können. Schlimm genug, dass seine direkte Nachbarschaft aus Angst vor Repressalien (wie ich später höre) still hielt und so etwas als „schrullig“ oder „verrückt“ abtat und nicht einschritt. Aber ich konnte und wollte nicht tatenlos zuhören, wie eine kognitive Nullnummer mit Dörrpflaumen-IQ seinen rechten Durchfall über die Dächer des Dorfes bläst. Ohne mich, Freundchen!
Einen couragierten Abend wünscht
moggadodde