Für einen Launenabsacker von Aperol Spritz auf Flipflopfüßen zu Ingwertee in Wollsocken braucht es nur ungefähr 8 Stunden und 693 Kilometer. Nicht leicht, das sonnige Limone verlassen zu müssen nach dieser Woche, mit der Aussicht auf Kälte, Nebel, Lebkuchen und Sinusitis. Ich musste jeden Moment dort genießen und kann deshalb erst jetzt über die letzten Tage berichten, die zum Niederknien schön waren, übrigens.
Gardone, den Ort mit dem mondän-morbiden Charme vergangener Grandezza, besuchten wir nach dem Tag im Vittoriale erneut: Der MamS hatte da noch was auf dem Besichtigungszettel.
1901 übersiedelte der angesehene Zahnarzt des Zaren und Parodontosepapst Arthur Hruska nach Gardone und weil er auch Naturforscher, Botaniker und noch viel mehr war, gelüstete ihm nach einem Garten, den er 1912 am Monte Lavino anzulegen begann (überhaupt scheint mir Gardone DAS Mentalmekka für Tausendsassas aller Art zu sein).
1988 kaufte André Heller, Künstler, Chansonnier und Mitbegründer des Circus Roncalli Hruskas Villa und Gelände, baute den botanischen Garten weiter aus und ergänzte die Flora aus allen Erdenecken mit zeitgenössischen Skulpturen und Installationen bekannter Künstler. So findet sich heute am Rande schmaler Pfade und Brücken Keith Haring neben Roy Lichtenstein, Joan Mirò neben Joseph Hirt, zwei 4 m hohe Amethysten aus Uruguay schauen auf einen babylonischen Wassergott, Ganesh und Buddha wachen neben Pan. Beschattet von hohem Bambus, unter Palmen, zwischen Büschen aus aller Welt gibt es ununterbrochen etwas zu entdecken: Einmal Verkehr und Trubel hinter sich gelassen kehrt Ruhe ein, innerlich.
Da hat André Heller, der ab und an auch in der Villa wohnt, eine wunderbare „Kollektion von Weltgegenden“, wie er es selbst nennt, geschaffen. Einfach paradiesisch!
Trotzdem wir also nun so trefflich geerdet waren, trieb es uns am nächsten Tag in die Höhe: Tignale und das atemberaubende Tremosine waren die weiteren Ziele. Der MamS war dankbar für Automatikgetriebe und wenig Verkehr. Obwohl nur wenige Luftlinienkilometer voneinander entfernt, zieht sich die Straße über halsbrecherische Haarnadelserpentinen ganz schön, dafür gibt es aber auch einzigartig verwunschene Aus- und Ansichten. Hoch über dem See gelegen sind die „Schauderterrassen“, zum Hotel Paradiso gehörend, auch ein beliebtes Ziel. Die Aussicht von der 400 m hohen Plattform, gerade bei wechselhaftem Wetter, wie wir es erwischten, ist grandios und nur für schwindelfreie Ausflügler geeignet. Wir saßen sicher zwei Stunden bei Spritz und Espresso und Espresso und Spritz, was bei der Familie bereits völlig unbegründet Besorgnis erregte.
Wir beobachteten das Wetter, das rasend schnell von schlecht zu gut zu schlecht zu gut wechselte.
Die Natur, das launische Ding, legte sich tüchtig ins Zeug für uns!
Mit dem Schaufelradschiff nach Riva, nachts im wunderschönen Pool baden, das schlechteste Abendessen ever (everever!) in einem zweifelhaften Lokal ausgerechnet am letzten Abend, so schlecht, dass wir nach einer schlimmen Nacht schon wieder darüber lachen konnten – es war eine wunderbare Woche im Hotel Riviera, sehr zu empfehlen übrigens, blitzsauber, gepflegt und mit familiärer Atmosphäre.
Nach vielen Besuchen auf der Ostseite des Gardasees waren das unsere ersten zusammenhängenden Tage auf der Westseite – aber definitiv nicht unsere letzten. Der MamS hat sich vorhin bereit erklärt, beim nächsten Mal dort mit mir einen Paragliding-Tandemflug zu machen. Und da, das wisst Ihr, werde ich ihn beim Wort nehmen!
(Noch) Tiefenentspannt
moggadodde