Augenschmaus!

120 Kilometer einfach sind ja kein Pappenstiel, aber die Berichte der Main-Post hatten mich neugierig gemacht, die Ausstellung in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch-Hall anzufahren. Zweidimensionale optische Täuschungen finde ich schon faszinierend genug, die dreidimensionalen Bildobjekte von Patrick Hughes wollte ich unbedingt im Original erleben.

Erstaunlich, wie leicht sich das Gehirn überlisten lässt. Vor den Werken stehend, hin- und her und zurück und vor wippend, daran vorbei gehend, den speziellen Fixierblick aufgesetzt und die Bilder bewegen sich tatsächlich! Geben Tiefe, wo kaum eine ist, eine nur minimal veränderte Perspektive stellt den Blick auf den Kopf – Hughes ist ein Meister der Illusion.
Nicht nur seine Kunst überzeugt, auch die anderen Werke sind optische Leckerbissen, ebenso wie die parallel in den gleichen Räumen stattfindende künstlerische Vereinigung von Wilhelm Busch und Heinrich Hoffmann. Wir erfahren anhand vieler Zeichnungen, dass Wilhelm Busch auch ein Meister der Abbildung war, sehen viele alte Ausgaben von Hoffmanns „Struwwelpeter“ und auch der „Struwwelhitler“ wird nicht vergessen.
Weiter und sehr treffend beschrieben wird hier und hier.

Busch und Hoffmann warten auf Besucher bis 13.09.2016, die optischen Verwirrkunstwerke sind nur noch bis 28.03.2016 zu sehen. Geöffnet ist die Kunsthalle Würth täglich von 10 – 18 Uhr und der Eintritt ist – tatsächlich – frei!

Als kleinen Begleiter habe ich mir dann auch mal wieder eine Handtaschen-Ausgabe von „Max und Moritz“ zugelegt sowie ein paar psychedelische Postkarten und Anstecker für das innere Kind.

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Mag der Eintritt auch frei sein – Museumsshops wissen, wie sie mich kriegen!

Gehet hin und staunet!
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Was guckst du?

Gut ist, dass seit Sonntag die dritte Staffel von „Die Brücke“ im ZDF läuft. Schlecht ist, dass Saga Norén und Kollegen erst um 22.00 Uhr auf Sendung gehen. Gut ist, dass die rund 115 Minuten langen Folgen auch in der zugehörigen Mediathek gesehen werden können. Schlecht ist, dass das nicht nach zeitlicher Lust und Laune erfolgen kann, sondern wegen des Jugendschutzes ausschließlich in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, womit die Katze auf dieselben Füße fällt, weil ich mit lediglich viereinhalb Stunden Schlaf selbst zum hohläugigen Killer würde.

Ich sehe gnädig darüber hinweg, dass sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit den Sehgewohnheiten von Jugendlichen so gut auszukennen scheint, wie Miss Marple mit dem Bodymass-Index. Ganz sicher wäre ein tempoarmer Fünfteiler aus Skandinavien mit bislang schlappen 2 1/2 Opfern und komplexer Handlung bei den meisten handelsüblichen Jugendlichen ganz unten auf der Watchlist, gleich hinter dem Fernsehgarten und dem Wort zum Sonntag, so dass die Gefahr einer nachhaltigen Verstörung der ghettogestählten Gangstaseele eher gering erschiene. Sei’s drum. Drauf gepfiffen.

Als gestern Abend zur Primetime nämlich keine Brücke in Sicht war, wollte ich „mal eben“ Abhilfe schaffen und lud ein Programm zum Betrachten von Mediatheken herunter, das klappte so mittel. Weil dieses zudem als .zip-Datei geliefert wurde und das relativ neue Laptop noch kein Auspackprogramm beherbergte, lud ich auch das und dann musste noch was von Java her, damit überhaupt irgendetwas gestartet werden konnte.
Das alles herauszufinden, zu installieren, wieder zu finden, auszuprobieren, dauerte. Als alles endlich am Platz und startbereit war, war der Vollnoob MamS statt voll des Lobes für meine technische Beschlagenheit voller Enttäuschung, dass ein Stream via ChromeCast auf die große Mattscheibe nicht vorgesehen war. Es folgte eine mittlere kleine Diskussion.

Mittlerweile war es kurz vor 22.00 Uhr und so knipsten wir die Mediathek ohne Umwege an. Bereits nach einer Stunde forderte das Tagwerk den Schlaftribut, die Hälfte der zweiten Folge fehlt also bereits. So, wie es aussieht, werden wir die nächsten Folgen ab werktätigenfeindlicher Uhrzeit wieder nur in Häppchen sehen, damit der MamS seine altersschwachen Augen auf den Seniorenscreen 46-Zöller richten kann. Sollten wir am Wochenende keine Nachtschicht einlegen können, wird es also ein wenig dauern, bis wir die Auflösung des richtig starken Skandinavierpuzzles gesehen haben.

Vielleicht habe ich aber da auch nur den Slogan falsch verstanden. Für die Mediathek der öffentlich-rechtlichen Sender muss es jedenfalls heißen: Mit dem Zweiten siehst du länger.

Eine Nacht mit Durchblick wünscht
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Major Tomate

Im Supermarkt beobachte ich eine Frau, die mit ihrem Einkaufswagen schnurstracks eine Wand mit kleinen Schließfächern ansteuert. Sicher will sie dort ihre Handtasche deponieren, doch ich sehe, wie sie einen Säugling in die Wand steckt, wie eine Puppe, sitzend, denn das Fach ist nicht sehr groß. „Na toll“, denke ich, „die Schnalle will in Ruhe einkaufen und steckt das Baby ins Schließfach!“. Ich hoffe, sie kommt bald wieder, aber vergeblich. Eine Weile ist vergangen, bis ich mich daran mache, das Schloss zu knacken. Das Baby ist höchstens 8 Wochen alt, trägt einen gelben Strampelanzug und ist nach dem Aufenthalt im Schließfach vollkommen durchgeschwitzt. Ich nehme es an mich und mache mich aus dem Staub: Die bekommt das Kind nicht wieder!

Es wird behauptet, man verarbeite Erlebtes, bereite sich auf Kommendes vor, verfestige Erlerntes – meine Träume sind aber oft so skurril, dass ich mit aller Phantasie nichts erkennen kann, was mit mir und dem Leben, das ich führe, zu tun haben kann. Auch den Schließfach-Traum ließ ich erst mal sacken, sicher auch nur einer unter vielen, die bald vergessen sind.

Zu dieser Zeit beherrschte der Fasching die Franken. Von wegen „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“! In puncto Fasching sind der MamS und ich der Apfelbaum und der kleine Hank eine Fleischtomate. Wir verdrehen die Augen ob der Narrendichte, der Bub kauft sich eine SWAT-Ausrüstung und stürzt sich in den fröhlichen Nahkampf, wobei die Flüssigkeitszufuhr in dieser Zeit überwiegend durch ethanolhaltige Affektauflockerer erfolgt. Trotzdem ich seine Truppe zum Großteil kenne – alles vernünftige junge Männer – ich kenne sie eben nur nüchtern und dieser Zustand kann vom alkoholisierten Status ja stark abweichen.
Ich war ab Freitag also in durchgehender Dauersorge: Wie käme er nach Hause? Käme er überhaupt nach Hause? Wenn ja, mit wem? Würde er in den Bus kotzen oder doch erst daheim oder gar nicht? Riskiert er eine dicke Lippe und bekommt von einem anderen Gaudiburschen das Gesicht neu dekoriert? Wie kalt ist es draußen? Besteht Erfrierungsgefahr, sollte er volltrunken an des Feldes Rain zum Liegen kommen? Erwähnte ich, dass ich ab Freitag in durchgehender Dauersorge war?

Erstaunlicherweise führt der sonst so gestreng-gestrige MamS einen lockeren Umgang mit der Problematik. „Lass ihn, er ist doch noch jung“, „Reg‘ dich nicht auf, da passiert schon nichts“, sagt er. „Gell, jetzt ist die Mamutschka wieder glücklich, dass der kleine Hank wieder da ist!“, zieht er mich auf und ich würde ihn gerne hauen und dann wieder nicht, weil er ja Recht hat. An keinem Abend kam der kleine Hank mit allzu großen Ausfallerscheinungen heim. Ein glasiger Blick aber aufrechten Ganges, verlangsamte Sprache aber untadelige Grammatik – stets verzog er sich bald ins Bett und all die hineingeschüttete Flüssigkeit verließ den Körper nur auf statthafte Weise und am richtigen Ende.

Selbstverständlich muss sich der kleine Hank am jeweils nächsten Tag einem kleinen, beiläufig gestellten und als desinteressiert getarnten Fragenkatalog unterziehen, gefolgt von einem Vortrag über Alkohol im Allgemeinen sowie Leberschäden und irreparabel zerstörte Gehirnzellen im Besonderen. Auch wenn er in weniger als vier Wochen die Volljährigkeit auf dem Papier erreicht – solange er die Füße hier unter die hiesigen Tische parkt (ja, ich entblöde mich nicht, diesen Satz zu verwenden), muss er durch diese Mühle, auch wenn er rein rechtlich ab diesem Zeitpunkt tun und lassen kann, was immer er will.

An Aschermittwoch konnte ich plötzlich einen Zusammenhang der Geschehnisse mit eingangs erwähntem Traum herstellen, indem ich die Perspektive änderte: War ich etwa die Frau, die das arme Baby ins Schließfach packte? Tat ich es, um es vor Schaden zu bewahren? Das war doch so falsch! Und plötzlich war ich die Schnalle, die nicht klarkommt damit, dass die Frucht ihres Schoßes allmählich abdriftet, heraus aus der schützenden Umlaufbahn der Erdmutter, hinaus ins gefährliche Universum, das „eigenes Leben“ heißt. Und dort intelligentes Leben zu finden, da steht die Chance ja bei Eins zu mehreren Promilleonen.

Wehmütig
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Ärmelleuchter

MRSA. VRE. EBSL. Was wie der Refrain eines bekannten Liedes der Fantastischen Vier klingt, sind einige der bekanntesten hospitalen Schreckgespenster: Keime, so böse wie der leibhaftige Satan, wenn er mit dem linken Fuß aus der Hölle aufgestanden ist, Bakterien und Viren, widerstandsfähig gegen Antibiotika, Virostatika und alles, was die Schatzkiste der Pharmazie hervorzuzaubern in der Lage ist. Es gibt Komplikationen und Todesfälle in zunehmender Zahl, was auch der allzu sorglosen Gabe von Antibiotika geschuldet ist (aber das ist eine andere Baustelle). So weit, so bekannt und so gefürchtet. Da scheint es doch als eine Sache des gesunden (sic!) Menschenverstandes, dass seitens der Krankenhausverwaltungen jede nur erdenkliche Maßnahme ergriffen wird, das Risiko, sich diese Schurken einzufangen, zu minimieren. Macht sich ja schließlich nicht gut sowas, in Presse, Bilanz und bei den Angehörigen.

Vor einigen Jahren fand man heraus, dass die Ärmel von Arztkitteln ein erkleckliches Maß an multiresistenten Keimen beherbergen. Mit gestärktem Zwirn von Bett zu Bett eilend, hier ein eitriges Bein abtastend, dort eine nässende Naht prüfend, immer hautnah am Patienten: Bis zur Mittagspause hat sich da schon ein hübsches Quantum Keim am Kittel abgelagert. Da kann sich der Doktor die Hände in Sterillium baden wie einst Frau Tilly in Palmolive: Der Ärmel bleibt trocken. Und verkeimt.

Schon vor mehreren Jahren, nach entsprechenden Forschungsergebnissen, wurden deshalb den Krankenhäusern z.B. von den Niederlanden und Großbritannien kurzärmelige Arztkittel verordnet, Kasack genannt. In einigen deutschen Kliniken tragen nun auch die Halbgötter in Weiß halbarmen Chic, aber erst nach Anordnung und viel Überzeugungsarbeit. Noch immer ist der langärmelige Kittel Symbol von Macht und Kompetenz, umweht den Träger die Aura hippokratesker Grandezza. Hallo? Es ist ein Arbeitskittel! Reinigungsfrauen haben so etwas. Oder Automechaniker! Es ist ein Kleidungsstück und kein Prestigeobjekt!

Vor allem höher gestelltes Heilpersonal ist Befürworter des Ganzarmgewandes und behauptet, allein der Anblick einer langen Armbekleidung befeuere den Placeboeffekt. Für wie dumm hält man hier den Patienten? Meinetwegen kann der Dottore auch splitterfasernackt und mit einem Ring in der Nase behandeln, Hauptsache, er kennt die richtige Therapie! Und ja, das gilt auch für Dottoressas! Genau genommen setzen Krankenschwestern und -brüder sowieso die schönsten und angenehmsten Verweilkanülen, noch ehe ein studierter Mediziner überhaupt „Abrechnungsfaktor“ gesagt hat (das aber nur nebenbei).

Was ich sagen will: Es ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der nach Hippokrates vereidigten Halbheroen, Schaden von Kranken fernzuhalten. Und wenn dazu das Tragen von halbärmeligen Kitteln gehört, dann ist das so. Wenigstens die Asklepios-Gruppe hat das endlich umgesetzt. Wer ein Statussymbol zum Bauchpinseln des ärztlichen Gemüts benötigt, kaufe sich bitte einen Maserati, ein Golfplatz-Abo oder einen Hund, den er anjammern möchte.
Es möge verhindert werden, dass ich alsbald ein Krankenhaus von innen sehe. Aber allen anderen wünsche ich Ärzte mit soviel Verstand, Nutzen über Dünkel zu stellen. Hippokrates hätte das gefallen.

Eine gesunde Nacht wünscht
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