Gleich zuerst: Unfallgaffer sind die Pest. Sensationslüsterne Vollpfosten, geil auf verbogenes Blech und Blut und vielleicht den einen oder anderen Klick bei YouTube. Widerwärtige Voyeure, eiskalt mit der Kamera das Leid anderer einfangend und aufzeichnend. Verabscheuungswürdiges, kaltherziges, empathieloses Gesocks.
Auf den Autobahnen rund um Würzburg herrschte in den letzten Tagen wieder Ausnahmezustand. Und ein Unfall auf der A3, bei dem drei Menschen getötet wurden, geriet besonders in die Schlagzeilen, weil ein Feuerwehrmann mittels Wasserstrahl Gaffer am Filmen hindern wollte, weshalb ihm jetzt ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr drohen könnte.
Der Mann hat mein volles Verständnis. Ãœber Stunden ist er mit den schlimmsten Ereignissen konfrontiert. Menschen werden aus zermalmten Autos geschnitten, Leichen geborgen – es müssen unerträgliche Bilder sein, die Feuerwehrleute und Polizei dort aushalten. Nun kommt also wieder so ein Arschloch mit der Kamera im Anschlag vorbei und der Mann hält mit dem Schlauch auf Autos, um die Typen am Filmen zu hindern. Sie vielleicht daran zu erinnern, dass die Leute, die da tot oder sterbend oder verletzt in den Trümmern liegen, ein Recht darauf haben, nicht im Nachhinein und auf Ewigkeit von aller Welt betrachtet und beglotzt zu werden. Und weil es vielleicht der zwanzigste, dreißigste, fünfzigste ist, der ungerührt seine niedere Neugier auf Kosten der Opfer befriedigt. Müsste ich diese Arbeit verrichten, ich wäre nicht sicher, ob ich es ab einem gewissen Unverständnisgrad bei einem Wasserstrahl belassen könnte.
Trotzdem und schweren Herzens ist für mich klar, dass es die Prüfung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Feuerwehrmann geben muss. Er hat auch die Unfallstelle zu sichern und nicht eine neue, gefährliche Situation zu schaffen. Was, wenn der Depp im Auto vor Schreck sein Lenkrad verreißt und in andere Helfer fährt oder aufs Gas tritt und in den Vordermann rauscht? Auch wenn ich auf einen guten Ausgang für den Helfer hoffe, die Gaffidioten filmen, anzeigen und empfindlich bestrafen ist der einzig richtige Weg.
Um die Rettungsgasse und das Unvermögen der Autofahrer, eine solche zu bilden, ist es ja letzthin etwas ruhiger geworden. Ob dazugelernt wurde oder einfach weniger berichtet wird, vermag ich nicht zu sagen. Kürzlich kaufte ich bei teamrettungsgasse für ein paar Euro Aufkleber. Es gibt ähnliche bei anderen Portalen auch umsonst, aber diese können farblich zum Auto passend gewählt werden.
Es kann ja nicht schaden, die anderen Verkehrsteilnehmer im Fall des Unfalles an eigentlich selbstverständliches zu erinnern. Und überfällig war die eben in kraft getretene Verschärfung der Strafen sowieso.
Update: Eben hörte ich die Meldung, dass die Staatsanwaltschaft in Aschaffenburg keine Ermittlungen einleiten wird. Nochmal gut gegangen.
Bleibt sicher unterwegs!
moggadodde
Ich kann die Aufregung nachvollziehen, fahre an Unfällen immer maximal konzentriert auf die Vorfahrer vorbei – kann ja sein das die schlagartig anhalten um Details zu sehen, bin halt auch gegen Berufsgaffer – meinetwegen können die kommen und Material anfertigen wenn aufgeräumt ist; währenddessen ist es für mich das gleiche wie das was die von der Straße machen. (Da war kurz so ein Video im Umlauf, das zeigte von hinter der Absperrung wie der Feuerwehrmann agierte, prangerte die Sensationslust an und um nächsten Bild waren die Wracks und das Befüllen der Leichenwagen zu sehen)
Ah, ja, bei dem Punkt bin ich vollkommen Deiner Meinung: Ich muss keine Fotos, Clips oder Drohnenvideos von Unfällen sehen. Das hat für mich den gleichen Ruch wie die Filmer aus den Lkw, nur dass hier mit der Bezeichnung „Berichterstattung“ bemäntelt wird. Es gibt keinen Unterschied, ob ich das zerquetschte Auto eines verunfallten Verwandten oder Bekannten in der Zeitung sehe oder in einem verwackelten YouTube-Clip, außer bei der Auflösung. Beides wird gleich traumatisch sein.
Hatten wir im Sommer. Die Leute stehen im Stau vor einem Schild wie eine Rettungsgasse zu bilden ist und raffen es nicht.
Generell scheint es in der letzten Zeit zu einer totalen Verblödung im Straßenverkehr zu kommen. Vorletzte Woche dreimal beim einkaufen die Chance gehabt das Blech im Auto zu verbeulen. Scheinbar gilt im Kreisverkehr jetzt rechts vor links und §1 der StVO muss abgeschafft worden sein, so dass man jetzt voll Stoff in eine Baustelle reinhalten darf nur weil man ja Vorfahrt hat.
Alle bekloppt.
Den Eindruck habe ich auch, wobei es sogar Tage gibt, an denen sich die Deppen selbst noch toppen. Ich habe ja ungefähr 20 km zur Arbeit, aber wenn was in der Luft liegt, dann richtig. Dann ist alle 5 km eine Situation, bei der ich nur noch nach Luft schnappe und hoffe, dass mir keiner in die Karre kracht oder ich noch rechtzeitig ausweichen kann, wenn mal wieder Harakiriüberholung auf dem Programm steht.
Wirklich alle bekloppt.