Wäre Rothenburg o.d.T. ein Rockstar, wäre es Iggy Pop: Eine unumstrittene Ikone, exaltiert, genial und zuweilen ziemlich voll.
Auf der Romantischen Straße machten wir diesmal einen Bogen um Rothenburg und besuchten Dinkelsbühl, das ich in diesem Kontext als Eric Clapton unter den Medieval-Hotspots bezeichnen würde: Ebenfalls Kultfigur und ähnlich alt, ebenso begnadet, mit leiseren Tönen allerdings und einer unerschütterlichen Gemächlichkeit an der Grenze zu baldrianesker Beschaulichkeit. Dinkelsbühl atmet Mittelalter aus allen Gassen, jeder Winkel bietet malerisches Augenfutter, die Kopfsteinbepflasterung der kompletten Altstadt bremst das Tempo des Autoverkehrs, weshalb High Heels in Dinkelsbühl keinesfalls nicht unbedingt Schuhwerk der Wahl sind.
Jegliche Leuchtreklame ist untersagt. Auch große Ketten oder Versicherungskonzerne müssen sich der strengen Gestaltungssatzung unterwerfen, die nicht nur die Farbe des Hauses innerhalb enger Grenzen vorschreibt: Hausnummern sind inmitten einer geschwungenen Schleife (liegendes Oval) mit schwarzer Schrift auf weißem Hintergrund aufzutragen, die Namen aller Läden werden geradewegs aufs Haus gepinselt und zwar zwingend in Frakturschrift, was zuweilen zum Schmunzeln bringt.
Laternenpfähle existieren ebenfalls nicht, denn die Straßenbeleuchtung ist überall direkt an den Häusern verankert, was zusätzliches Mittelalterfeeling verleiht. Wirft man an der Schranne vier Euro in den Automaten,
gibt es auch das Extralicht für den Nachtspaziergang inmitten einer verträumten Kitschkulisse, wie sie sich Walt Disney auf Valium ausgedacht haben könnte. Romantic Overkill at its best. Ein pures Heidschibumbeidschiidyll. In diesen durchgeknallten Tagen kann ich gar nicht genug davon aufsaugen.
Wir fuhren idyllisch Kutsche, bestiegen Türme, so idyllisch wie ich das als Nikotini hinkriege, und ließen uns vom Stadtführer vollumfänglich aufklären über die sagenhafte Geschichte dieses märchenhaft idyllischen Orts, der btw. bereits zur schönsten Altstadt Deutschlands gekürt wurde. Gut, vom Focus. Aber immerhin!
Bekanntester Sohn der Stadt ist ein gewisser Christoph von Schmid, der mit „Ihr Kinderlein, kommet!“ den klerikalen Weihnachtsgassenhauer schlechthin kreierte, was reichlich weitsichtig scheint, denn ich kann mich noch heute anschließen: Ihr solltet kommen! Auf nach Dinkelsbühl!
Eine idyllische Nacht wünscht
moggadodde