Eine Woche Sommer

Am Ende dieses Sommers, der gefühlt keiner war, verschlug es uns also doch noch schnell an den Lago der Herzen. Natürlich ist es am Wasser unvergleichlich schön. Kein Gebirge könnte mir jemals dieses Gefühl von so tiefer Entspannung geben, wie ein Gewässer, an dessen Gestaden ich meine bleichen Gebeine in starke, südliche Sonne strecken kann und in dessen Kühle ein aufgeheizter Leib zittrige Erfrischung findet.

Nach einigen Tagen des Dösens und Labens, unterbrochen nur von häufigen Aperolsprizzbetankungen am Strand, stand uns der Sinn nach Abwechslung: Die Wallfahrtskirche „Madonna della Corona“ war mir aus Reiseführern wohlbekannt und eines der wenigen Gardasee-Highlights, die ich in zahlreichen Besuchen dort noch nicht angesteuert hatte.

Ein Ticket für die Autofähre auf die andere Seite des Sees war just an diesem Tag nicht möglich. So gondelten wir mit Leonardo, dem Cabrio, hinüber und in Ermangelung eines Navigationsgeräts und weil googlemaps andauernd auf Kriegsfuß mit dem GPS stand, fuhren wir nach Gefühl auf den Monte Baldo und natürlich hatten wir uns böse verfranzt. Ich bin eine lausige Am-Berg-Anfahrerin, was auf Straßen, kaum größer als ein Fahrzeug breit ist, zudem mit Gegenverkehrgefahr, nervenkitzliger war, als ich es mir gewünscht hätte. Nach einem kleinen Disput mit dem Mams über Kupplungen, und was sie in der Lage sind abzukönnen, landeten wir doch irgendwann in Spiazza, der Heimat der Madonna.
Ein serpentiniger Fußweg führt steil hinunter zur Wallfahrtskirche, die absolut spektakulär in den Fels gebaut ist.

Und weil ich immer viel mehr guckenguckengucken muss als der MamS, verlor ich ihn auf dem ebenso serpentinigen Rückweg hinauf aus den Augen. Hatte ich ihn in einer der zahlreichen Grotten und Aussichtsbuchten übersehen und überholt? War er schon oben? War er noch unten? Ich jedenfalls verspürte wenig Lust auf die Suche zu gehen. Ein älteres Paar auf dem Weg sprach ich an. „Entschuldigen Sie bitte, ich habe meinen Mann verloren!“, sagte ich, ein wenig verschwitzt und außer Atem wegen der höllischen Serpentinen an diesem heiligen Ort und ehe ich fortfahren konnte, rief sie: „Das tut mir leid. Wie lange ist es her?“ „Etwa eine halbe Stunde aber nein, wir haben uns nur aus den Augen verloren!“, klärte ich auf, was großes Gelächter zur Folge hatte. Mit einer einschlägigen Beschreibung des Vermissten (keine Haare, blaues Shirt) und der freundlichen Bitte, ihn bei Antreffen von meiner Absicht, den Parkplatz anzusteuern zu unterrichten, verabschiedeten wir uns und ich trabte weiter bergauf.

Als ich nach etwa 20 Minuten oben anlandete, hatte der MamS tatsächlich bereits die Speisekarte der nahen Trattoria gecheckt. Ich entlud ein wenig heiligen Zorn ob seines spurlosen Verschwindens und dann genehmigten wir uns die beste Portion Carne Salada tutto il mondo.

Mit offenem Verdeck und der Sonne im Gesicht fuhren wir, diesmal auf dem richtigen Weg, hinunter zum See, umrundeten ihn erneut und schlugen spät am Abend im Hotel der Freiwillig Grußlosen wieder auf.
Ich freute mich auf den nächsten Tag. Sonne mit Sonne und Sonne am See.

Und ich wurde wieder nicht enttäuscht.

War das schön!
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