Angenommen, Alberts Tante Klothilde feiert ihren 90. Geburtstag in, sagen wir, Hameln. Albert befindet sich gerade in, sagen wir, Kleinrinderfeld und hat das Wiegenfest von Tante Tilli, wie er sie in der Öffentlichkeit liebevoll nennt, komplett verschwitzt. Tante Tilli besitzt ein erkleckliches Vermögen, das sie ihm als einzigem Verwandten nach ihrem Ableben in Aussicht stellt, sofern er sie nicht vergrätzt und die Schrulle ihren Zaster doch noch ihrem Zivi, dem Zwergpudel Alfred oder der Kirche vererbt.
Damen in diesem Alter haben selten Mobiltelefone und Internet kennen sie auch nur vom Hörensagen, was bedeutet, dass Albert jetzt ein Problem hat. Tante Tilli legt nämlich nicht nur Wert auf Etikette sondern auch auf Geburtstagsglückwünsche und weil er sie nicht erreichen kann, sieht er seine finanziellen Felle davonschwimmen und sich selbst mangels Barschaft demnächst auf Pappkartons unter der Brücke.
Es gibt aber noch einen Weg, den Kopf aus der Schlinge zu kriegen: Das Telegramm. Ich habe mich nämlich kürzlich gefragt, ob es in Zeiten flächendeckender Mobilfunkversorgung und emailisierung dieses Relikt aus der embryonalen Phase der Kommunikationstechnik überhaupt noch gibt und tatsächlich: Die Deutsche Post bietet immer noch den Telegrammdienst an, wegen geringer Nachfrage nur im Inland zwar, aber immerhin! Alberts Erbe wäre damit nämlich gerettet!
Guter Rat in Notlagen ist meist teuer und das ist er in diesem Fall buchstäblich: Das magere 10-Worte-Telegramm ohne Schmuckblatt ist für 15,20 € die knausrige Variante, wer mehr zu sagen hat muss gleich das 30-Worte-Dampfplauderer-Telegramm wählen, was mit Schmuckblatt sowie Sonn- und Feiertagszustellung mit happigen 33,05 € zu Buche schlägt, wobei nach oben natürlich kein Limit gegeben ist.
Trotzdem finde ich es faszinierend, dass es diesen fast historischen, old fashioned way der Nachrichtenübermittlung überhaupt noch gibt. Zwar bin ich noch nie wichtig oder unerreichbar genug gewesen, um mit einem Telegramm bedacht zu werden, aber die Vorstellung, wie mir ein livrierter Butler mit den Worten „Madam, ein Telegramm!“ dasselbe überreicht um dann mit gestelztem Schritt von dannen zu ziehen, gefällt mir. Ich sollte mir doch selbst mal eines schicken, bevor der Dienst endgültig eingestellt wird. Vielleicht ist es dann als eines der letzten Exemplare in fünfzig Jahren wirklich viel wert, wer weiß?
Natürlich ist das Tippen einer SMS in ein paar Sekunden für ein paar Cent erledigt; aber richtig stilvoll, ganz besonders extravagant und unglaublich elitär ist doch wirklich nur das schöne, alte Telegramm.
Euch eine drahtlosen Tag wünscht
moggadodde
Das mit dem Telegramm habe ich vor ein paar Jahren, 2001? 2002?, mal versucht. Allerdings sollte es da von good old Germany ins Ausland gehen. Hats damals schon nicht mehr gegeben.
Ich hab auch noch nie eins bekommen. Weisst du was, wir schicken uns gegenseitig eins! Das nächste mal, wenn ich in Deutschland bin, stehe ich dir diesbezüglich vollkommen zur Verfügung.
@ Azahar: Abgemacht! Wenn du wieder mal im Lande bist, mail die Adresse, damit ich dir ein Telegramm schicken kann (wie beknackt sich das anhört!)
Auch wenn ich bis dorthin noch keinen livrierten Butler mein eigen nennen werde, bin ich schon jetzt aufgeregt!
Telegramme verschicke ich schon „immer“ zu besonderen Anlässen; sie kommen nämlich ganz besonders gut an und machen garantiert einen bleibenden Eindruck. Wobei sie aber sehr leicht mit einem Schrecken beim Adressaten verbunden sein können: Oh Gott, ist was passiert? Erst recht wenn man zu viert in fortgeschrittener feuchtfröhlicher Runde spontan als Geburtstagsscherz zum 40. ein Trauer-Schmuckblatt wählt ;o))
@ Georg: Jawoll, eine gute Idee! Und viel origineller als jede noch so witzige Karte. Schade, ein runder Geburtstag ist heuer keiner mehr. Aber deine prima Idee ist schon vorgemerkt und wenn mehrere zusammenlegen ist es nicht mehr ganz so teuer! Und im Gegensatz zu einer pillepalle-Geburtstagskarte wird ein Telegramm garantiert nicht weggeschmissen!
Hey,
netter Artikel. Da habe ich doch jetzt mal echt eine Gute Idee bekommen. Aber ich hätte echt nicht gedacht, dass es sowas noch gibt. Naja ich komme halt aus einer anderen Zeit. Die Zeit der Email und des Mobiltelefons!
Gruß Michael
@ Michael: Schön, dass ich dir eine Inspiration geben konnte. Aber hey! Soooo alt, wie dein vorletzter Satz mich macht, bin ich noch nicht. Ich nutze ebenfalls Email und Mobiltelefon, könnte skypen und icqen, wenn ich wollte und beherrsche sogar Jugendsprache, wenn es sein muss 😉
Ãœbrigens: Deine Site werde ich mir mal näher ansehen. Flecken hat man ja immer irgendwo …