„Du spinnst doch“, empfing mich der MamS freundlich, als ich heute früh um halb 4 ins Bett gekrabbelt kam. Aber ich konnte nicht ruhen, ich musste doch die Amazone endlich fertig machen! Lang genug hat mich die durchgeknallte Kuh verfolgt!
In Abschnitten gibt es hier in den folgenden Wochen also den „Amazonentod“ zu lesen. Dafür habe ich auch eine eigene Kategorie angelegt, damit das lästige Blättern in den Beiträgen erspart wird und auch „in einem Rutsch“ durchgelesen werden kann.
Dieses hirnrissige Kamel Tarek hatte mir das eingebrockt! Fast mehr als einer halben Stunde saß ich hier in dieser Spelunke in der Innenstadt und hörte mir Lebensgeschichten im Zeitraffer an! „Du musst mal wieder unter Leute, Vera!“ hatte mein allerbester Freund und Nachbar geflötet, wobei ich in seinen Augen las, dass er „unter Männer“ meinte. „Ich hab’ da was arrangiert“ hatte er stolz gesagt und mir mit der Anmeldung für dieses bescheuerte Speed-Dating vor der Nase herumgewedelt. Wenn Tarek was arrangiert, ist Vorsicht geboten. Die letzte in einer langen Reihe von Verabredungen, die er mit einer muskulösen Sportskanone in einem Kletterwald arrangiert hatte, beendete ich mit einer geprellten Rippe und einem abgebrochenen Schneidezahn. Er weiß doch, wie unsportlich ich bin!
„Da sind sicher jede Menge tolle Typen. Und du brauchst unbedingt wieder einen Kerl, unausstehlich wie du bist!“ hatte er schroff gemeint. Einige Ouzos später hatte er mich weichgeklopft und ich hatte meine Einwilligung gelallt. Ich hasse Ouzo.
Jetzt saß ich also hier mit einer Johannisbeerschorle und einem dicken Kater in der Birne. Der billige Tisch vor mir war in der Mitte durch eine Blende getrennt, damit das Visavis nicht die Notizen des jeweils anderen erspähen konnte. Mein Blatt war noch fast leer, obwohl ich schon 4 Kandidaten hinter mir hatte.
Der erste, ein offensichtlicher Jünger des Kunstsonnenkults mit Namen Jens war nicht schüchtern und quatschte ununterbrochen über seine letzte Beziehung zu einer gewissen Claudine, die ihn mit seinem Anlageberater hintergangen hatte und, ganz ehrlich, als nach 10 Minuten das Hupsignal die nächste Runde ankündigte, konnte ich die gute Claudine unbekannterweise zu ihrem Wechsel nur beglückwünschen. Gegen Jens war jeder Börsencrash ein Komödienstadel.
Dann rutschte ein Mittzwanziger mit dauernd zuckenden Mundwinkeln nach. Kerzengerade sitzend schoss Theo seine Fragen wie Gewehrsalven über den Tisch: Ob ich Kinder wolle (nein), wieso nicht (zu laut), ob ich treu sei (kommt drauf an), worauf (auf die Situation) und machte sich dabei fleißig Notizen. „Und jetzt du“, forderte er mich auf. Ich fragte ihn nach seinem Beruf, was er zackig mit „Feldwebel Z 12“ beantwortete um sogleich von den segensreichen Aktionen der Bundeswehr zu schwärmen. Das war ja klar! Ich versuchte über die Zeit zu kommen, indem ich ihm Fragen zu Waffengattungen, Dienstgraden, Disziplinarmaßnahmen im allgemeinen sowie den Umgang mit Homosexuellen innerhalb der Institution Bundeswehr im besonderen stellte und als die Hupe ertönte musste ich grinsen als ich sah, wie er einen dicken Strich quer über seinen Block zog.
Die Kandidaten Numero 3 und 4 waren erst gar nicht der Rede wert. Langweilige Typen mit langweiligen Gesichtern, langweiligen Berufen und noch langweiligeren Hobbys. Ein langweiliges Leben hatte ich selbst und was bringt es schon, wenn man Langeweile noch verdoppelt? Eben!
Dass der Abend ein Totalausfall, war ja sonnenklar! Ich fragte mich, ob man den Veranstalter belangen könnte, weil er nicht für eine gewisse Ausgewogenheit in der Materialauswahl gesorgt hatte. Muss man nicht als Speed-Dating-Organisation auch Sorgfaltspflichten beachten? Als ich zwischendurch gelangweilt zum Fenster schaute, sah ich Tarek, der mich mit hoffnungsvollem Gesicht angriente und die Hand zum Victory-Zeichen erhoben hatte. Der gute Tarek – ich hätte ihn erwürgen können. Gut, ich konnte in letzter Zeit nicht mit vielen Liebschaften aufwarten, ja, und die letzte war jetzt auch schon wieder zwei Jahre her. Vielleicht wären Frank und ich sogar noch zusammen, wenn er nicht mein Konto geplündert, unter meinem Namen bei ebay nicht vorhandene Elektronik vertickt und, wenn auch aus Versehen, meinen Kater gekillt hätte. Ohne Tarek hätte ich mich wahrscheinlich im Fluss versenkt oder vom Funkturm geschmissen. Er zerrte mich aus meinem Schneckenhaus zu Vernissagen, Geflügelzüchtertreffen und Strandpartys. Er war ein richtiger, wahrer Freund, aber leider nicht mein Typ, genauso wenig wie ich seiner war.
„Mööööp“ – das Signal für die nächste Runde riss mich aus meinen Gedanken. Von meinem nächsten Gegenüber sah ich zuerst nur eine einzige, buschige Augenbraue, die sich durchgehend von der linken zur rechten Schläfe zog.
*lach* Ich freue mich auf die Fortsetzung. Du schreibst wirklich gut.
@ Emily: Danke, das freut wiederum mich!