Stolze 31 politische Parteien oder Gruppierungen stellen sich der Europawahl und natürlich informiere ich mich über die Liste. Der Wahlschein liegt mir schon vor und da ist wirklich einiges geboten! Nur drei Aspiranten konnte ich heute ein bisschen näher betrachten:
Ganz besonders amüsiert hat mich z.B. die Feministische Partei „Die Frauen“, die ihren Bundesverband nicht Bundesverband sondern Bundesmitfrauenverband nennt und auf der Startseite ihres Internetauftritts keinen Besucherzähler, sondern eine Zählerin installiert hat, was ich schon mehr als überspannt finde und an der Grenze zur Selbstgerechtigkeit ansiedeln würde.
Auf Platz 24 steht die EDE, die Europa-Demokratie-Esperanto mit dem Nobelpreisträger Prof. Dr. Selten an der Spitze. Sie will dem vielsprachigen Kauderwelsch im Europaparlament ein Ende bereiten und setzt sich u.a. für die Einführung der Kunstsprache Esperanto im Parlament ein, damit endlich offener Dialog entsteht und die kostenträchtige Übersetzung maßgeblicher Unterlagen, die meist nur in Französisch oder Englisch und manchmal in Deutsch gehalten sind, entfällt. Schon 2007 kosteten schätzungsweise drei Millionen übersetzte Seiten das sagenhafte Sümmchen von 511 Millionen Euro und durch die pausenlose EU-Osterweiterung ist das mit der Übersetzerei ein Fass ohne Boden.
Zwar halte ich die kaum bekannte Plansprache Esperanto schon für eine sehr extravagante Art der Kommunikation und dennoch die Intention der Gruppierung für nachvollziehbar. Aber denkt bei EDE jemand ernsthaft, die Parlamentarier würden freiwillig ein Schulbuch in die Hand nehmen, um fortan in Esperanto zu parlieren, wo manche doch ihre eigene Muttersprache nicht richtig beherrschen? Von den Heerscharen plötzlich arbeitsloser Übersetzer ganz zu schweigen. Feine Idee, das, aber nicht realisierbar, will man das Projekt Europa nicht neniigi, äh, vernichten.
Die Violetten z.B. propagieren die „Spirituelle Politik“, was für mich schon ein Widerspruch in sich ist. Die Lila-Glücksbärchis streben eine Gesellschaftsordnung an, in der „Selbsterkenntnis durch die individuelle spirituelle Entwicklung, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Kreativität, offene Kommunikation, ökologisches Denken, Gewaltfreiheit, Freiheit im Geistesleben, Menschlichkeit im Wirtschaftsleben, Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit von Frau und Mann und Toleranz obenan stehen“.
Was für ein hehres Ziel, vielleicht sogar etwas zu hoch gesteckt? Ich persönlich glaube ja, die Politik ist nur für Träumer der richtige Platz für Spiritualität; Spirituosen, ja, das schon eher. Sollten Gesetze in Hinkunft ausgependelt werden? Sollen mit einer doppelten Meditationseinheit Entscheidungen über die Abschaffung der Gurkenkrümmung gefällt werden? Wird mir nach einer stattgehabten Transmutation Frau Hohlmeier endlich sympathisch?
Wenn ich Sätze lese wie zum Thema Gesundheit („Aus spiritueller Sicht hat eine Erkrankung immer einen emotionalen oder geistigen Bezug, sie ist ein Zeichen oder ein Reinigungsprozess und dient der Entwicklung des Menschen … über den Weg der Erkenntnis kann Krankheit geheilt oder sogar vermieden werden, denn jeder Mensch hat das Potential, vollkommen gesund zu sein“) oder Rechtswesen („… Der »Strafvollzug« ist in erster Linie als Aufklärung der »Straftäter« über ihre Tat und die Bedeutung der Gemeinschaft für den Einzelnen anzusehen. Es werden z. B. Meditationsübungen und Seminare zur Bewusstseinsentwicklung angeboten …“), dann stehen meine Nackenhaare sofort zwischen „unwählbar“ und „Bullshit“.
Um ein wenig Klarheit zu erlangen, werde ich den wahl-o-mat befragen müssen, eine Art Glücksrad der Demokratie. Viel verspreche ich mir davon nicht; wer die Game-Shows aus den 80ern kennt weiß, dass am Ende meistens der Zonk steht. Und das ist in der Politik nicht viel anders.
Euch einen ausgewählten Abend wünscht
moggadodde
Eine wunderbare Analyse des Absurden im EU-Wahlkampf. Was musste ich schmunzeln 🙂
Das ist höchstens Teil 1 *lächel* – dennoch oder trotz alledem: Die EU ist wichtig und die Wahl genauso – ich werde wählen gehen.
Ja, da wäre noch viel zu tun, aber es ist ja noch etwas Zeit.
Die Werbespots in der Tube sind auch ganz interessant … auch zum Schmunzeln!
Ich gehe nicht wählen. Briefwahl ist viel besser. Da habe ich auch gesehen, dass Frau Pauli mit zweitem Namen „Maud“ heißt. Das gefällt mir!
Von der EDE habe ich gestern einen Wahlwerbespot gesehen – und mich schon mächtig über ihr Ansinnen gewundert. Nett gemeint, aber nicht realisierbar.
Auch wenn Manches lächerlich klingt bin ich sehr froh, dass es überhaupt diese Vielfalt gibt. Leider bin ich nicht mehr dazu gekommen, weitere Spots anzuschauen, aber wie sagt der Politiker: „Nach der Wahl ist vor der Wahl!“ 😀