Mein Vater, der sich ja wieder etwas erholt hat, befindet sich zur Zeit im schönen Bad Kissingen, wo er eigentlich eine Rehamaßnahme antreten sollte. Bei der Eingangsuntersuchung dort kam allerdings heraus, dass ihn die Hohlkörper der Uniklinik mit 5 (!) Litern Flüssigkeit im Bauch verschickt hatten, weshalb er umgehend wieder in ein Kissinger Krankenhaus gebracht wurde. Weil er in der Uniklinik auch gleich einige schicke Krankenhauskeime aufgesammelt hat, ist ein Besuch bei ihm auch dort nur mit Totalverhüllung möglich, Umhang, Mundschutz sowie Latexhandschuhe sind Vorschrift. Er kann noch immer nicht schlucken, aber sprechen und er fühlt sich wohl und wird wohl nächste Woche endlich die Reha beginnen können.
Mit meiner Mutter machte ich mich heute auf den Weg zu ihm. Ich hatte mir, clever wie ich bin, eine Wegbeschreibung ausgedruckt und dachte, es wäre gar kein Problem, das Krankenhaus zu finden. Mein Orientierungssinn Der Plan war allerdings schlechter als angenommen, wir fuhren über die Lande und ich konnte meiner Mutter unfreiwillig die Perlen der Bad Kissinger Umgebung zeigen. „Wären wir doch so gefahren, wie dein Bruder gefahren ist“, jammerte sie, „dann wären wir schon da!“ Ich antwortete, dass ich einen Weg kennen würde, der uns direkt zum Krankenhaus bringen würde und nicht durch die Stadt führte. Ich wollte beweisen, dass ich auch zum Ziel finde, ohne Ratschläge meiner Mutter, die mir meinen kleinen Bruder als leuchtendes Beispiel in Sachen Wegfindung und Schnelligkeit dauernd auf die Motorhaube schmierte. Der MamS wäre durchgedreht, hätte er mit im Auto gesessen, aber so ganz ohne Zeitdruck und dem Wissen, dass meine Mutter langsam nervös wurde und befürchtete, wir könnten irgendwo im Nirgendwo landen, hatte ich wieder mal die Ruhe weg. Ich bin nicht kontaktscheu und so hielt ich im schnuckeligen Schlimpfbach einfach an und klingelte am nächstbesten Haus, um mich nach der Strecke zu erkundigen; Menschen sind dort auf der Straße nämlich so gut wie nicht zu finden. Spätestens hier wäre der MamS einem HB-Männchen gleich gen Himmel geschossen. Nur im äußersten Notfall würde er sich die Blöße geben, nach dem Weg zu fragen, außer es ginge um Leben und Tod. Auch meiner Mutter war die Sache nicht angenehm und ich gebe zu, dass ich die nächsten Kurven recht waghalsig mit ziemlich viel Tempo nahm, weil ich mich insgeheim freute, wie sich meine Mutter etwas verängstigt am Sitz festklammerte. Was ist denn so schlimm daran, jemanden nach dem Weg zu fragen? Ist es eine Schmach oder ein Makel oder Zeichen von Schwäche? Ich denke nicht, ich halte es für ziemlich schlau und das Normalste auf der Welt, um nicht noch weitere Zeit zu vergeuden. Aber ich bin ja auch eine Frau. Und angekommen sind wir schließlich auch. Irgendwann.
Weil ich nach einer Stunde mit Mundschutz und dickem Kittel bei meinem Vater mal eine Pause brauchte, schaute ich mir den benachbarten Gradierbau etwas genauer an, der sich sehr imposant direkt neben dem Krankenhaus erhebt.
Als anerkannte Anwendung im Kurbereich könnten Asthmatiker und Pollengeplagte durch die salzhaltige Luft in der Nähe des Baus, ähnlich wie an der See, Linderung erfahren. Das stete Geplätscher des herabrinnenden Wassers wirkt einschläfernd
und lange saß auch ich auf einem der Bänkchen, ließ mir die Sonne auf den Rücken scheinen und inhalierte tief die solehaltige Luft, die sehr sonderbar, leicht modrig und stark konzentriert riecht, so, als ob man eine Woche Föhr hier binnen einer Stunde akkumulieren könnte.
Den Heimweg fand ich beim zweiten Anlauf auf Anhieb und der Kureffekt, den ich im Gradierbau gespürt haben könnte, verflog nicht zuletzt wegen eines hirnlosen Passatfahrers aus München, dem ich mit meinen 160 Sachen noch zu langsam war und der meinte, mich schon von weitem mit Lichthupe und schließlich durch dichtes Auffahren von der Ãœberholspur verjagen zu müssen. Ich machte ihm freundliche, taktische Zeichen als er mich überholte und hoffe für ihn, dass er wohlbehalten an seinem Ziel angekommen ist. Angesichts seiner offensiven Fahrweise bin ich allerdings nicht sehr zuversichtlich. Obwohl, meist haben die größten Deppen auch den größten Dusel …
Es ist kein Zeichen von Schwäche nach dem Weg zu fragen, meines Erachtens ist es genau andersrum. Wer nicht fragt, um sich keine Blöße zu geben, kann so stark ja wohl nicht sein 🙂
ich habe auch schon des öfteren nach dem weg fragen müssen. hatte und habe keine probleme damit. aber die den weg erklärenden hatten schon so manches mal ihre schwierigkeiten und des öfteren kam es auch zu einem disput, wenn zwei versuchten zu erklären. ;o)
Klar, ich frag auch – soviel Selbstbewusstsein muss man schon haben. Lieber fragen, als dumm sterben ist meine Devise.
Mein Gatte ist auch so einer, der niemalsnicht fragen würde. Und wenn es wirklich nicht mehr weiter geht, dann werde ich vorgeschickt. Meist macht er aber den Copiloten, da er, im Gegensatz zu mir, Straßenkarten lesen kann.
Zu dem Lichthupenheini kann ich nur sagen: Schick ihm das nächste mal einfach einen Kuß rüber. Da siehste dann förmlich das Blut an die Scheibe spritzen.
um das jetzt mal ganz krass zu sagen: wer nicht fragt, bleibt dumm!
so einfach ist das!
@ Mephisto: Genau darüber kann man offenbar geteilter Meinung sein 🙂
@ markus: Ich war sehr erstaunt, wie gut mir die Schlimpfbacherin Auskunft geben konnte! Ob’s richtig war, weiß ich allerdings nicht so genau. Ich hab mich danach nochmal verfranst …
@ Gerlinde: Ganz genau. Warum herumirren, wenn man schon lange angekommen und vor einem schönen Kaffee sitzen könnte?
@ socki: Ich glaube manchmal, dass unsere beiden Männer Brüder sind, die bei der Geburt getrennt wurden :-)Wir können beide keine Karten lesen und da kommt jetzt mal wieder TomTom ins Spiel …
Nee, bei einem Drängler kann ich nicht ruhig bleiben und gut finde ich, dass die inzwischen auch richtig verknackt werden können! Der kriegt keinen Kuss sondern einen Effenberg, gestreckt!