Kennzeichen WÜ

Ãœbers Wochenende scheint in Würzburg ereignistechnisch eher tote Hose geherrscht zu haben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass eine halbe Seite des Lokalteils der heimischen Main-Postille allein durch den Bericht über den Chef eines großen Automobilzulieferers gefüllt wird, der sich einen automobilen Traum erfüllt und bei Pininfarina, dem Hausdesigner der Firma Ferrari ein Auto bestellt hat, nicht irgendeines, sondern eine 540 PS-Waffe, „New Stratos“ nennt sich der Schlitten und ist Nachfolger des Lancia Stratos, eines Sportwagens, der in Rallyekreisen wohl einen fast legendären Ruf genießt. In allen, einschlägigen Motorsportmagazinen wird darüber jedenfalls berichtet.
Das ist soweit nichts besonderes. Jamiroquai hat auch 6 bis 10 sehr außergewöhnliche Autos in den Garagen, der Prinz von Brunei wahrscheinlich noch mehr und Jay Leno nennt sogar an die 150 fahrbare Schätze sein eigen.
Besonders aus Sicht der Redakteure ist aber, dass dieses Fahrzeug mit Würzburger Kennzeichen unterwegs sein wird. Ein Auto, das schon im mythischen Maranello gelenkt wurde, wo vielleicht noch einer von Schumis Kaugummis auf dem Asphalt klebt, mit Würzburger Autokennzeichen! Würzburger! Was für eine sensationelle Nachricht, die es wert ist, eine halbe Seite des Lokalteils dieser Montagsausgabe zu füllen! Unglaublich!

Der eigentlich in Coburg heimische Unternehmer ließ sich, glaubt man der Main-Post, aus reiner Sympathie für sein Würzburger Werk ein hiesiges Kennzeichen montieren und das finde ich ja wiederum äußerst sympathisch. Noch sympathischer hätten es aber vielleicht die 1700 Würzburger Beschäftigten gefunden, hätte er die nicht unerheblichen Kosten für diesen Carbonfasertraum in Schwarz, die in den Gazetten zwischen 450.000 und 600.000 Euro schwanken, unter der Belegschaft aufgeteilt. Da wäre doch für jeden eine ordentliche Tankfüllung rausgesprungen, wenn nicht sogar eine Jahreskarte für die Straßenbahn! Wäre das nicht der Gipfel der Sympathie gewesen!?
Aber gut, so hat vielleicht jeder Würzburger was davon, wenn der New Stratos einmal im Jahr durch die Koellikerstraße oder gar den Berliner Ring cruist, so sensationstechnisch betrachtet. Und die Main-Post hat wieder was zu berichten.

Die Familie Moggadodde erwägt übrigens für dieses Jahr eventuell auch den Kauf eines Neufahrzeugs. Zugegeben, nicht von Pininfarinesen designt oder gar in Maranello zusammengeschraubt. Aus Japan. Aber, hallo! Es wird wahrscheinlich ein Hybrid. Hybriiihid! Und es wird, aufgemerkt, auch ein Würzburger Kennzeichen tragen! Ein Würzburger Kennzeichen! Und wenn das Vehikel dann endlich vom Schiff runter ist, Rotterdam oder so, rufe ich bei der Main-Post an. Ich bin höchst gespannt, ob unserem Neufahrzeug dann auch eine halbe Seite gewidmet wird.

Einen schnittigen Montag wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

11 commenti su “Kennzeichen WÃœ

  1. Hazamel sagt:

    Sehr schön geschrieben. So ganz verstanden habe ich den Aufriss auch nicht.
    Auch nicht, was die Würzburger Beschäftigten davon haben, dass der Chef sich ein Auto kauft und dann ein Stück Blech mit WÜ dranschraubt.

  2. Nils sagt:

    Da das Streicheln des Gaspedals vermutlich bei 130 km/h endet hat tatsächlich jeder Würzburger etwas von diesem Auto. Die finanzielle Sanierung aller Würzburger Theater sollte spätestens in einem Jahr drin sein.

  3. Stefan sagt:

    Mit Deiner neuen Reisschüssel kommst Du sicher erst iin unsere lokale Zeitung, wenn Du Dich um nen Baum gewickelt hast. Dann gibts ne Gafferfotostrecke.

  4. Tanja sagt:

    Mann Mann Mann, immer diese Statussymptome — ich finde das ist ein gutes Wort 🙂

  5. […] Erwartungsgemäß glänzte die Presse durch Abwesenheit, als wir am Freitag das neue Moggamobil vom Händler holten. […]

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