Auch drei Tage danach schleicht sich ein wohliges Kribbeln in meinen Bauch, wenn ich nur daran denke. Erfreulich schnell war die DVD heute im Kasten, großartige Aufnahmen von Fall- und Filmfachmann Eduardo vom Fallschirmspringersportclub Oberhausen, wo ich dieses einzigartige Abenteuer „airleben“ durfte.
Trotz aller zur Schau gestellten Coolness war ich aufgeregt, was ich an der im Film sichtbaren, Svetislav Pesic vor Neid erblassenden Kaufrequenz meines Airwaves (sic!)-Kaugummis ablese. Ich werde also nicht mehr schimpfen, wenn ihn mit beschäftigter Futterluke am Parkettrand sehe: Das ist die pure Nervosität! Sveti, ich verstehe das jetzt!
Nach Unterschrifts-Formalitäten, dem Einkleiden
und einem kurzen Interview ging es ans Boden-Briefing
und ich lernte meinen Tandemmaster Patrick kennen, der mein, so fürchte ich, Dauergeblubber stoisch und mit väterlich zu nennender Güte ignorierte und mit der gebotenen Strenge die durchzuführenden Manöver erklärte, wohl ahnend, dass nur ein Teil hängen bliebe. Nach dem Sprung Beine anklappen, ins Hohlkreuz gehen, Arme an die Brust pressen und noch viel mehr – das Wichtigste meinte ich, behalten zu haben, ehe es zu den Trockenübungen an die Attrappe ging, wo Ausstieg und Landung geprobt wurden – die Reihenfolge, in der Hände und Beine das Flugzeug Richtung Trittbrett und Tragflächenquerstrebe (oder wie man das auch nennen mag) kurz vor dem Absprung verlassen, VERSUCHTE ich mir einzuprägen. Patrick blieb wunderbar und geduldig, erklärte, verbesserte, zeigte Verständnis für meine Rechts-Links-Defizite und mein anhaltendes Gefasel. Alles war gut, ich war sicher.
Ein kurzer Gruß noch an die mitgereiste Entourage und schon kletterten wir ins Flugzeug,
das allmählich in den herrlichen Sommerhimmel stieg. Gefühlt dauerte es lang, bis wir in Ausstieghöhe waren; mein Zeitgefühl hatte ich wohl in der Attrappe vergessen. Patrick sagte laut an, welchen Haken er nun wo an meinem Geschirr einhängte, miteinander zurrten wir unsere Becken so eng zusammen, dass nicht der Hauch eines Fitzelchens Papier mehr dazwischen passte und dann öffnete sich die Luke. Ich versuchte, das eben gehörte abzurufen, Patrick korrigierte mich sicher, wir kletterten hinaus. Noch nie so starker Wind, noch nie so ein Zerren an Haaren, Körper, noch nie so eine im wahrsten Wortsinn atemberaubende Aussicht. Kurz stehen und dann FAAAAAAAAAAAAAALLLLLLLLLLLLLEEEEEEEEEEEEEEEENNNNN.
Das Wort für dieses Gefühl muss noch erfunden werden, es ist unbeschreiblich. Man rast mit Wasweißichwievielsachen der Erde entgegen und spürt das pure Leben in sich, selbst jetzt, da ich dies schreibe, habe ich Gänsehaut.
Wir fielen ein Weilchen,
bis Patrick mir auf die Schulter klopfte zum Zeichen, dass er nun den Schirm öffnen werde und zack! schossen wir ein Stück nach oben, um danach in gemächlichem Tempo hinabzusegeln. Nun war es ruhig. Wir konnten uns unterhalten, die Aussicht betrachten und ich durfte den Schirm lenken und Karussell fahren.
Schon sah ich den MamS und die anderen näher kommen und war nicht sicher, ob ich das so schnell denn wollte. Aber inzwischen drückte das Geschirr doch tüchtig zwischen den Schenkeln, einige Kilos weniger hätten mir sicher nicht geschadet, mein Mund war auf Saharaniveau und ich wollte mich nun einfach nur flachlegen. Tandemmaster Patrick kredenzte mir eine so butterzarte Seniorenladung, wohl wissend, dass meine kläglichen Versuche, die Gebeine in erforderlichem Winkel in die Höhe zu hieven eher von bescheidenem Erfolg wären, dass ich ihn noch heute herzen möchte.
Großer Bahnhof meiner Liebsten, Urkundenübergabe, Erzählen und das allmähliche Abfließen eines Stausees an Adrenalin: Unter den Top Ten der allerbesten Tage überhaupt rangiert dieser Tandemsprung-Samstag beim Fallschirmspringersportclub Oberhausen mit dem Piloten Franz Scheuermann, dem weltbesten Tandempiloten Patrick Dengler und dem fantastischen Kameramann Eduardo Libero sehr weit oben. Ganz weit oben!
Zu gerne würde ich Euch in bewegten Bildern teilhaben lassen, allein meine technische Noobigkeit verhindert, Euch den wunderbaren Film hier zu zeigen, der mir heute von Ede in den Briefkasten gelegt wurde. Vielleicht finde ich noch jemanden, der mir dieses Zeitdokument in ein Format presst, das ich hier veröffentlichen kann, ohne dass der Hoster mich haut.
Solltet Ihr Euch je mit dem Gedanken eines Tandemsprungs tragen: Tut es. Es gibt nicht viel, das dieses Airlebnis übertrifft. Es ist einzigartig.
Ich habe meine Lieben instruiert: Hinkünftig verzichte ich gern auf jegliches Geschmeide, jegliches Geschenk, jegliches Gedöns. Solange ich in dieses Flugzeug krabbeln kann, möchte ich das unvergleichliche Gefühl puren Leben gerne jährlich erleben. Geburtstage habe ich schließlich noch genug!
Luftiküsse!
moggadodde