Amore, Ragazzi!

Das gestrige Jammerposting brachte mich dazu, heute doch noch einen Versuch zu machen. Seit längerem folge ich dem Pizzaiolo der Herzen, Signore Luigi Tesoro, auf diversen Kanälen und ihm verdanke ich beispielsweise das Rezept für die einzig wahre Parmigiana Melanzane. Es gibt ja unzählige Kochvideos, viele interessant, noch mehr eher nicht, es gibt die drögen Besserwisser, die hektischen Dampfplauderer und auch Hobbyköchinnen, die eher dank ihrer fotogenen Attribute denn ihrer Kochkünste zahlreiche Klicks generieren. Luigi hingegen ist ein quirliger, grundsympathischer und niemals überheblicher Neapolitaner, der seit vielen Jahren in Wien lebt und mich ein bisschen an meinen Onkel Antonio erinnert. Er präsentiert seine italienischen und neapolitanischen Gerichte in einer kleinen, ganz normalen Durchschnittsküche ohne Hochglanzfronten, Damastmesser oder fancy Ausstattung und macht nicht gleich eine Wissenschaft daraus, auch wenn jeder Satz die Liebe zum Essen atmet. Alle seiner Kochvideos sind ein lehrreiches und trotzdem urkomisches Erlebnis. Ich liebe Luigi!

Nun heute also, so ganz strohwitwig, hatte ich Lust auf Pasta Limone und natürlich hat Luigi auch DAS Zitronenpasta (Vorsicht an zarte Gemüter: Jumpscarealarm bei 1:50) in petto und dann konnte ich alles tun, was der MamS absolut nicht goutiert hätte:

1. Zitronen satt in warmem Essen
2. Mit Ricotta kochen
3. Die schwarzen Kratzteller benutzen.
4. Das edle, aber ebenfalls schwarze Besteck auflegen

Luigi hat geliefert, wie erwartet. DAS Zitronenpasta mit Minze und marinierten Garnelen war delizioso, es gab nicht viel aufzuräumen und ich genoss tatsächlich besonders, weil das Ganze überhaupt nicht nach dem Geschmack des MamS gewesen wäre.

Avanti, Ragazzi! Folgt Luigi und nixe vergesse Glocke und Abo dalasse!

Ciao
moggadodde

Dinner for one

Wegen einer verkacktkrebsigen Krankheit ist der MamS gerade für einige Wochen zur Anschlussheilbehandlung. Nach einem Jahr in aus verschiedenen Gründen schwierigen Verfassung ist nun seit Anfang Dezember kompletter Ausnahmezustand in Casa Moggadodde. Die Art des Krebses ist wohl so etwas wie das must have der Generation Ü50 und die Operation hat, so wie es aussieht, das meiste der fucking Krebszellen entfernt, eine kleine Metastase hat die Histologie noch ausgemacht aber irgendeine Therapie wird auch die noch finden und abknallen. Auch darum liegt eine anstrengende Zeit vor uns.

Nun bin ich also seit einigen Wochen auf mich gestellt und werde wohl alsbald elendig an Mangelernährung zugrunde gehen. Kochen für eine Person ist, pardon my french, voll fürn Arsch.
Nach einem Arbeitstag besteht ohnehin keinerlei Motivation. Mittags in der Kantine ein Brötchen und ein Joghurt, abends einige Gläser Wein, zu viele Zigaretten und niemanden, der mich zügelt.
Wieso kochen, wenn niemand da ist, dem es schmeckt, der lobt, der Nachschlag fordert und Aufräumarbeiten bleiben auch an einem alleine hängen. Da ist es doch einfacher, schnell einen armseligen Backcamembert ins Rohr zu schieben oder ein Brot zu schmieren.
Die Spülmaschine ist derzeit gefüllt mit Espressotassen, wenigen Tellern, die traurige Nahrung beherbergten und Weingläsern, die auch noch nachpoliert werden müssen, weil sie niemand mit Hand spült, wie es der MamS zu tun pflegt.

Andererseits kann ich hier schalten und walten, wie es mir beliebt. Ich kann die Räume mit den vom MamS so verhassten Hyazinthen vollpflastern, dass die Bude duftet wie der Botanische Garten in der Brunft. Ich kann die Bäder grundreinigen mit Essigessenz und Natron, ein Geruch, der den MamS an den Rand der Vomitation bringt. Und wenn ich die berüchtigten „Deppensendungen“ schaue, das meiste also, was das sogenannte Privatfernsehen über den Äther zu schicken pflegt, ist da niemand, der mich wegen anhaltendem Gemecker augenrollend zum Umschalten bringt, weil jeder x-beliebige Schärenkrimi gehaltvoller ist, als die Realitykacke im Schmuddelsender.

Ich habe kein Problem mit dem Alleinsein. Ich genieße, komplette Freiheit über meine Freizeit zu haben, ohne jede Einschränkung. Aber ich habe ein Problem mit dem alleine Essen.
Klar, dieses Mein Körper ist mein Tempel-Dings klingt in der Theorie recht erhaben. Aber nach einem harten Tag in den Katakomben geht es nur darum, ein paar den Bauch füllende Kalorien reinzuschaufeln und den Rest des Abends in halbwegs würdevoller Weise horizontal zu verbringen. Und wenn ich in Gesellschaft des MamS ein schmackhaftes Abendessen zustande brächte, an dem wir beide uns erfreuen, um danach vergnügt und vollgefressen zur Spülmaschine zu rollen, so fehlt dieser Anspruch in erzwungener Eremitage komplett. Handy vor der Nase und mit Kokosmilch gepimpte Bratnudeln von ADLI: War nicht so prickelnd, aber immerhin bin ich satt.

Am nächsten Freitag gegen 8 Uhr (morgens!) hole ich den MamS wieder ab. Wir planen ein großartiges Abendessen mit allem Pipapo. Und dann werde ich zweitmals (erstmals war zum Dixiegeburtstag beim Asiaten) seit Weihnachten mit Genuss und Freude und in Gesellschaft einer geliebten Person Nahrung zu mir nehmen. Studien betonen, Essen überwinde kulturelle und soziale Barrieren, fördere das Gemeinschaftsgefühl und setze auch stimmungsaufhellende Neurotransmitter wie Oxytocin, Serotonin und Endorphine frei, die Vertrauen, Bindung und Schmerzlinderung fördern. Und ja, ich pfeife auf Deppenfernsehen und Hyazinthenodeur, Hauptsache es ist wieder jemand hier, der mit mir den Gipfel des Wohlbehagens, den Orgasmus der oralen Satisfaktion, jemanden, der einfach gutes Essen mit mir teilt.

Zugegeben, ich habe ein wenig Manschetten vor dem, was vor uns und besonders dem MamS liegt. Aber ich bin überzeugt. Wenn wir uns haben, gutes Essen und ganz viel Geduld, dann werden wir noch eine ganz lange ganz gute Zeit vor uns haben.

Euch einen gesunden Abend wünscht
moggadodde

Hamburg, Baby!

In der romantischen Vorstellung meiner Kindheit fand ich es aufregend, in einem U-Boot zu sein. Aus vielerlei Gründen, nicht zuletzt dem Film, ist meine Schwärmerei schon lange abgekühlt. Letztens, in Hamburg, beim Aussteigen der Fähre von Stade kommend, liefen wir an der U-434 vorbei, einem Museumsschiff, das einst im Dienst der Russen stand und überlegten nicht lange. Das schauen wir uns mal näher an.

Der Einstieg allein ist nichts für allzu umfangreich bemessene Menschen. Von außen sieht das Boot recht geräumig aus, dieser Eindruck ist schon nach einer halben Minute vernichtet. Es ist nicht zu glauben, dass sich dort um die 80 Männer gleichzeitig aufgehalten haben. Eine Enge, die auch nicht agoraphobe Menschen in Bedrängnis bringt, es stinkt nach altem Öl und Schmiere und der Vorstellung jahrelang vergossenen Schweißes. Pausenlos bleibt man an irgendwas hängen oder stolpert, weil das ganze Boot komplett vollgestopft ist mit Instrumenten, Anzeigen, Aggregaten, Kabeln, Schaltern, Rohren und allerlei irrwitziger Technik, damit der Koloss überhaupt bewegt werden konnte. Betten wurden natürlich im 2-Schicht-Betrieb belegt, die Verpflegung soll hervorragend gewesen sein, der Moral wegen, denn 3 Monate ohne Sonnenlicht, da kommt der stabilste an seine Grenzen. Dünn, klein und wendig – so musste die Besatzung sein und wer hier arbeitete, musste sein Menschsein komplett ablegen und funktionieren. Betten gibt es überall, wo Platz ist, auch in einer Ecke des Maschinen- oder Torpedoraums. Die Kombüse ist winzig, die Toilette indiskutabel wenig einladend und überall sind Luken und Durchschlupfe – ich konnte mir nicht vorstellen, dass man sich auf einem U-Boot verlaufen kann, aber das geht ganz schnell.

Kaum vorstellbar, dass dieses Monstrum erst vor 20 Jahren ausgemustert und demilitarisiert nach Hamburg geschleppt wurde. Nach einer Stunde im Bauch des Bootes mit Klettern und Rutschen durch die drei (oder waren es vier?) Ebenen war ich heilfroh, nach draußen zu kommen. Es gibt auch einen Film zum Boot, der die Enge zeigt, aber zu Glück nicht, wie es darin riecht.

Danach besuchten wir noch angenehmere und luftigere Ecken von Hamburg und liefen, bis die Socken qualmten.

Ist eigentlich ganz schön da in dem Hamburg. Aber unser Basislager war in Stade, ein wahrhaft entzückendes Örtchen mit einer Ansammlung an herrschaftlichen Häusern aus früheren Zeiten, wie ich sie nicht so oft sah.

Beschaulich, gemütlich und mit früh hochgeklappten Gehsteigen und dennoch nah am pulsierenden Hamburg: Stade ist absolut sehenswert!

Erfrischt
moggadodde

Lunatic

In ein paar Tagen fliege ich zum Mond. In einer großen, blauen Mappe sind die Dokumente, Gesundheitsnachweise, Berechtigungen, Anweisungen für Experimente und technische Aufzeichnungen, die ich bald geschickt bekomme. Ich bin unsicher beim Kofferpacken. Brauche ich ein Trinkglas? Nein, beschließe ich. Im Shuttle wird man aus Bechern mit Halmen trinken. Klamotten? Nein, ich trage doch diesen Anzug. Ein Fotoalbum der Familie, das aber sicher nur Ballast wäre, weil mein Blick ohnehin immer wieder voller historischer Besoffenheit abschwöffe, zum Fenster hinaus, wo mir die Erde majestätisch zu Füßen liegt. Ich bin aufgeregt wie nie zuvor im Leben.

Dann erreicht mich ein Anruf der Deutschen Post. Ich solle sofort zur Trafostation am Ortseingang kommen. Mehrere Personen warten dort und teilen mit, dass das Paket mit der blauen Mappe gestohlen wurde. Ich eskaliere sofort und umfassend. Das ist immer diese Scheiße, keife ich, dass der Scheiß-Postbote die Scheiß-Pakete bei Nichtantreffen einfach vor die Scheiß-Haustür legt! Da hat jemand mit einem Griff meinen Lebenstraum geklaut.

Die Medien berichten groß darüber und über die verabscheuungswürdige Gemeinheit des Diebstahls. Die Zeitungen sind voll, während ich darüber sinniere, welche Pakete ich in den letzten Tagen aufgegeben habe und mir einfällt, dass ich Oma letztens mit einer Verschickung von Kleidern des toten Opas unter die Arme griff. Ich gehe mit klopfendem Herzen zu meinem Schrank, wo unten der halb gepackte Koffer liegt und ganz hinten, fast unsichtbar vor dem schwarzglänzenden Futter, liegt die kostbare Mappe. Ich hatte sie schon komplett vergessen.
Das geklaute Paket war Omas, nicht meines.

Was nun? Alles aufklären und unter der geifernden Gehässigkeit der Welt fliegen? Die Leute würden sagen, ha, die Alte will zum Mond und kann sich nicht mal an den Verbleib einer Mappe erinnern! Wie will die denn die Instrumente da ordentlich bedienen! Die crasht das Shuttle garantiert kurz nach Liftoff und landet irgendwo in der kasachischen Steppe! Zum Mond! Lachhaft!

Jetzt bin ich in der Zwickmühle.

Dann wache ich auf und beschließe, zuhause zu bleiben und nach dem gelben Wagen zu horchen, weil dringend auf ein Paket warte. Werde ich allmählich etwa wunderlich?

Astronomische Grüße
moggadodde

Der heiße Draht

Für mich als Italienerin im Herzen gibt es nichts besseres zum Frühstück. Marmelade, okay. Schinken, kann man machen. Aber wenn ein frisches Bägger-Schäfer-Brödle an einem Samstagmorgen mit einer Schicht Tomaten verheiratet, ein paar Scheiben Büffelmozzarella zugedeckt und frischen Basilikumblättchen garniert wird, ist das für mich die Eintrittskarte für ein paradiesisches Paradeiserfrühstück. Auch wenn es dem gemeinen Germanen grausen mag angesichts der Kombination mit einem Cappuccino oder einem leckeren Latte, Geschmäcker sind so vielfältig wie es Zungen gibt auf der Welt, also lasst mir gefälligst meine Freude.

Als nun der kleine Hank, dem ich diese Vorliebe qua Indoktrination mit auf den Weg gab, den Beutel Büffelmozzarella vorfreudig öffnete, um das wabbelige Käseklöpschen salomonisch für uns beide zu teilen, entfuhr ihm ein „Ey verdammt, da ist ein Draht drin!“, und tatsächlich: Ein vielleicht 1 cm langes, feines, aber sehr hartes Stück Draht prangte obenauf, thronte auf dem schneeweißen Käse, mein Appetit sank schlagartig auf Zero und noch bevor der kleine Hank „Mamma mia“ sagen konnte, sah ich die Katastrophe vor meinem geistigen Auge: Unentdeckt könnte dieser gefährliche Fremdkörper durchbohrte Kehlen verursachen, ich sah röchelnde Käsekonsumenten im Todeskampf oder blutig perforierte Backen und fuhr das ganz große Besteck auf:

Ich informierte sofort die Käserei im südlichen Italien per Mail mit Chargennummer und Haltbarkeitsdatum und meldete dem Bayrischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz den Fund, was über eine App narrensicher und innerhalb weniger Minuten getan ist. Ich beweissicherte Tüte und Draht, der Käse selbst fand den Weg in den Müll und den Rest des Tages war ich dankbar darüber, dass Hanks junge Augen und der Zufall selbst für eine Entdeckung gesorgt hatten.

Nun lag ich in der Nacht auch aus anderen Gründen lange wach und hatte viel Zeit zum Nachdenken. Das Gehirn ist ein sonderbares Ding, meines zumindest, und wirklich nur Augenblicke, als ich dem Schlaf entgegendämmerte, durchfuhr ein Gedankenblitz meinen Kopf. Die Schere … Die Schere, die der kleine Hank benutzt hat … Die Schere hatte ich zwei Tage zuvor in der Hand … Was hab ich mit dieser Schere gemacht … Mit dieser Schere hatte ich eine Bastelei fabriziert … Teil dieser Bastelei: Draht.

Was, wenn ich selbst der Urheber der Verunreinigung war? Wenn bei der Bastelei Draht an der Schere verblieben und die Käserei komplett unschuldig war? Sofort stand ich auf und verglich den Basteldraht gründlichst mittels Lupe und Licht mit dem Fundstück. Tatsächlich: Stärke und Farbe waren gleich. Es gibt Zufälle, ja. Aber nicht zwei Stück Draht auf 2000 km Entfernung, die komplett gleich sind. Ich war die Quelle des Übels, die Causa della Käse.

Nun war es mitten in der Nacht und ich hatte zwei Möglichkeiten: Entweder, ich log fortan und beharrte darauf, dass der Betrieb Mist gebaut oder nicht reinlich gearbeitet hat. Ich würde in kauf nehmen, dass sie mit einem Rattenschwanz an Schwierigkeiten zu kämpfen hätten, dass Myriaden an Büffelmozzarellatüten zurückgerufen, Verbraucher verunsichert, der Ruf der Firma nachhaltig angeknackst und Caseficios arbeitslos werden. Es wäre leicht gewesen, eine Firma zu zerstören. Doch das stand für mich nicht einen Moment zur Debatte.

Sofort, noch in der Nacht, verfasste ich eine Mail an die Käserei: Dass es mein Fehler war und mit ihrem Produkt alles in Ordnung. An das Staatsministerium: Dass die Verunreinigung im hiesigen Haushalt zu finden war und die Käserei keinesfalls der Verursacher sei. Nun hatte ich nur auf die automatische Eingangsbestätigung antworten können und war unsicher, ob deutsche Behördenmailmühlen diese Nachricht zuverlässig an die einschlägigen Stellen weiterleiten würden. Kurz: Ich hatte eine schlaflose Nacht.

Am nächsten Morgen hatte ich schon Nachricht: Ich solle Tüte und Draht sichern und der hiesigen Stelle für Lebensmittelüberwachung zuleiten. Nun hängte ich mich ans Telefon, um die Falschmeldung wieder einzufangen und es war zwar mühselig, aber gleichzeitig beruhigend zu sehen, dass die Mechanismen bei einer solchen Meldung innerhalb weniger Stunden gegriffen hätten. Oberschleißheim, München, Würzburg, die oberste Landesbehörde von Nordrhein-Westfalen – ich haben einigen Leuten eine Menge überflüssiger Arbeit bereitet, was mir von Herzen Leid tut und so peinlich ist, wie kaum etwas in meinem Leben, aber nichts gegen das Gefühl, das dauerhaft gewesen wäre, hätte ich einfach die Klappe gehalten und weiter die Italiener falsch beschuldigt.

Seit diesem Ereignis haben der kleine Hank und ich natürlich einen running gag, denn selbstverständlich gehört Pomodoro con Mozzarella di Bufala weiter zu unserem Lieblingsfrühstück. „Guck, da ist ein Draht drin!“, ruft er zuverlässig jedesmal und ich weiß, dass dieses Ereignis etwas ist, an das er sich auch noch nach meinem Tod erinnern wird, ein Tod, der mich zwar ganz sicher, höchstwahrscheinlich aber immerhin nicht mit einem Stück Draht im Hals ereilen wird.

Und die Moral von der Geschichte? Es ist Käse, keine Eier zu haben!

Salute!
moggadodde