Ökonomisere

In den Katakomben arbeite ich nicht, weil ich es dort so entzückend finde. Es mag Menschen geben, die ihre Arbeit lieben, aber viel lieber als Pillen zu schubsen und Pakete zu wuchten ließe ich meinen Bauch an einem beliebigen Strand unter südlicher Sonne bräunen, mit unendlichen Schirmchendrinks und Nackenmassage gesegnet und ansonsten die Göttin eine gute Frau sein lassend. Aber die Reisschüssel will betankt, Mieten bezahlt und Steuern abgeführt werden.
Mit meinen und unser aller Abgaben an Vater Staat werden bestimmt viele wichtige Dinge finanziert. Leider wird damit auch viel Unfug getrieben und ohne von BER oder Elbphilharmonie anzufangen sind es dieser Tage ganz besonders zwei Projekte, die meinen Hals von hier bis Hamburg schwellen lassen.

Zunächst wäre da die Geschichte mit dem BND. Der Bundesnachrichtendienst ist seit jeher in Bayern dahoam, auf 70 ha Gelände verteilen sich über 6000 Beamte und Angestellte, um unsere und alle anderen Mails zu checken, Luftbilder auszumalen auszuwerten, Kochbücher zu schreiben, Martinis zu schütteln – Pullach, sagenumwobene Heimstatt für deutsche Agenten und die es werden wollen, Nabel der deutschen 007-Welt. Wo andere ihre Siebensachen in einen Laster packen und von A nach B ziehen, ist es bei einem Unternehmen dieser Größenordnung natürlich etwas teurer. Aber unglaubliche 1,9 Milliarden EURO dafür auszugeben, eine an ihrem Ort alteingesessene Behörde nach Berlin zu verpflanzen, da muss ich mehr als kräftig schlucken.
Die Rechtfertigung auf der Website des BND für diesen Umzug mit Steigerung von Effektivität und Effizienz bei Zusammenführung von Arbeitseinheiten in einem Satz mit dem Wort „Bundesbehörde“ ist in etwa so überzeugend wie Graf Dracula als Markenbotschafter für Capri-Sonne. Und der Verweis auf die „Herausforderungen einer globalisierten Welt“ zieht auch nicht: Nichts, was nicht von überall auf der Erde aus geregelt, besprochen, ausgeheckt und verpatzt werden kann, immer vorausgesetzt natürlich, die Internet-Bandbreite passt! Anfänger!
Selbstverständlich wurde groß gebaut in Berlin-Mitte und auch in Pullach, weil Altkaiser Stoiber sich einst einen Verbleib von 1000 Personen Agentenfußvolk ausbedungen hat. 1.900.000.000 € für einen Umzug einer einzigen Behörde. Da muss der Steuerzahler lange für buckeln!

Man muss sich aber nicht auf Bundesebene begeben, auch wir Bayern können Steuergeld und Denkenergie verprassen, dass es keine Freude ist. Sonnenkönig z.A. Söder, Heimatminister, wollte auch einmal etwas bewegen und verlagert mehr als 50 Behörden und Ämter von einem alteingesessenen Standort zum anderen, strukturschwächeren Gebiet.
Von dieser Rochade ist auch das Staatsarchiv Würzburg betroffen, das mit spektakulären 17 Arbeitsplätzen ins nahe Kitzingen und dort wahrscheinlich in einen Neubau für geschätzte 30.000.000 € umziehen soll, weg von Würzburg, wo die Zusammenarbeit mit den anderen Archiven kommunaler, kirchlicher und universitärer Art bisher wegen kurzer Wege so wunderbar funktionierte.
Natürlich gibt es Widerstand aus allen Lagern, mit nachvollziehbaren Argumenten und von Stellen mit Sachkunde und Einblick in Abläufe. Ändern wird sich diese Entscheidung kaum mehr lassen – das Eingeständnis einer falschen Einschätzung käme einem Gesichtsverlust gleich, nichts mehr, was ein Politiker fürchtet, obwohl gerade das Zugeben von Fehlern ein Zeichen von Besonnenheit und Größe ist, Wesenszüge, die den verkleidefreudigen Thronfolger ein wenig sympathischer erscheinen ließen. Schon Brecht erkannte: „Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.“, aber derlei primitive Einsichten werden zeitgleich mit der Vereidigung offenbar aus Politikergehirnen getilgt.

Diese Gedanken wollte ich eigentlich schon gestern aufschreiben, morgens, als ich Zeitung las und Radio hörte. Nur hatte ich leider keine Zeit – ich musste in die Katakomben, Pillen schubsen und Pakete wuchten, um Kohle ranzuschaffen und Steuern zu generieren, damit die große Bundes- und Landespolitik weiter ihre viel zu oft unsinnigen, unfähigen und hirnrissig-absurden Suppen kochen kann, um sie dann über die Köpfe von uns niederen Untertanen auszukippen. Manchmal hab ich es wirklich satt.

Siedend
moggadodde

Imbiss zum letzten Wagen!

Hysterische Offertenopfer, die sich bei Aldi morgens um 8 Uhr um einen Kochpott prügeln, das war ja meine Nachricht der Woche. Weder das Original für über 1000 noch der Thermomixklon von Aldi-Süd für 200 Euro kämen mir in den Küche – für einen Schnellkochtopf mit Touchscreen ziemlich viel Geld, das ich lieber in anständige Messer und gute Zutaten investiere, die ich dann in Topf oder Pfanne gebe und wie die Altvorderen rühre, brate und koche, schmore, backe und röste. Gibt es außer es zu essen etwas Schöneres, als ein leckeres Gericht entstehen zu sehen? Abzuschmecken, abzurunden, zu probieren? Ich möchte nach eigenem Gusto kochen, ohne vorgestanztes Rezeptgut, nervige Signaltöne und Anleitungen für weitere Gerichte, die dazugekauft werden wollen. Ich will niemandes Sklave sein und schon gar nicht der eines Kochtopfs. Viel Lärm um Thermonix!

Zugucken war heute auch die Devise: Schön war es nämlich auf dem Streetfood-Festival in Giebelstadt, wenn ich auch schon wieder zu mäkeln habe. „Streetfood-Truck“ ist ja nur die anglisierte Bezeichnung für einen Imbisswagen und warum zum Teufel muss man pausenlos irgendwelche hippen Begriffe erfinden für Dinge, die es schon seit Jahrzehnten gibt?
Solche kleinlichen Bedenken halten eine Gourmandessa wie mich natürlich nicht von einem Besuch ab, beim Barte des Lukull! Ungefähr 60 Streetfood-Trucks Imbisswagen und Stände reihten sich vor den Hangars des alten Flugplatzes locker aneinander.

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Nirgends lange Schlangen, sonniges Wetter und eine quer über den Erdenball reichende, kulinarische Auswahl: Amerika, Japan, Elsass, Italien, Portugal, Israel, die Waterkant, Mexiko und Schweiz: Niemand, der hier nicht fündig werden konnte. Ich entschied mich für einen Burger mit Pulled Pork, eine Art amerikanischer Döner, wie ich finde und zum Dessert für Gebäck aus Portugal sowie einen türkischen Mokka zum Abschluss. Viele der auf vintage alt getrimmten Trucks waren aufwendig dekoriert, es gab viel zu sehen

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und zu kosten, aber leider, irgendwann ist auch der gefräßigste Bauch gefüllt. Schöne Veranstaltung, gerne wieder, nächstes Jahr!

Eine satte Nacht wünscht
moggadodde

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In drei Tagen jährt sich der Eintrag, in dem ich von der Reaktivierung des Analogfossils berichtete. Die letzten und überwiegenden Aufnahmen wurden am Gardasee geknipst, jedes einzelne mit Bedacht und wohl überlegt. Voller Vorfreude holte ich heute die Wundertüte mit 36 Fotos und einer CD ab, zum Spottpreis von rund 9 €.

Vielleicht bin ich mittlerweile ja etwas pixelverwöhnt, aber ich erinnere mich, dass es Analogfotos früher auch in scharf gab. Die Enttäuschung war dementsprechend groß: Die Farben sind halbwegs in Ordnung für einen Versuchsballon-Billigfilm, aber alle Bilder sind so, als fehlten dem Betrachter ein paar Dioptrien

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Mit ähnlichem Zärtliche Cousinen-Filter sind sämtliche Fotos versehen. Das finde ich sehr rücksichtsvoll, war aber so nicht geplant.

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Die Ursachensuche gestaltet sich schwierig.

A)
Der überwiegende Aufenthalt im Auto, auch während des Sommers, um ja kein perfektes Motiv zu verpassen, scheidet aus, weil auch die im Frühjahrs-Fotos betroffen sind.

B)
Hinter dem Sucher dürfte der Fehler auch nicht zu finden sein: Ohne tiefere Erfahrung fotografierte ich, soweit ich weiß, ausschließlich im Automatikbetrieb.

C)
Das Labor hat gepfuscht? Eher unwahrscheinlich. Die machen das nicht seit gestern und werden wohl einen Kleinbildfilm entwickeln können.

D)
Bleibt noch die Möglichkeit, dass die Innereien der Kamera während des fast 12jährigen Dornröschenschlafs eine trotzige Patina entwickelten. Wegen des Dauerarrests in einer Polstertasche steht aber auch diese Theorie auf wackligen Beinen.

Ich persönlich tendiere ja, objektiv betrachtet, zu Theorie B. Ich kaufte heute einen neuen Film und kramte die Betriebsanleitung ganz unten aus der Schublade. Vielleicht habe ich ja doch ein Rädchen nicht richtig eingestellt, einen wichtigen Knopf nicht gedrückt, einen Zauberspruch an der richtigen Stelle nicht gesagt. Bestimmt ist es mit dem Analogen wie mit dem Digitalen: Die größte Fehlerquelle sitzt meist vor dem Bildschirm, resp. hinter dem Sucher.

Auf zu Film 2!

Eine scharfe Nacht wünscht
moggadodde

Gardaseensucht

Für einen Launenabsacker von Aperol Spritz auf Flipflopfüßen zu Ingwertee in Wollsocken braucht es nur ungefähr 8 Stunden und 693 Kilometer. Nicht leicht, das sonnige Limone verlassen zu müssen nach dieser Woche, mit der Aussicht auf Kälte, Nebel, Lebkuchen und Sinusitis. Ich musste jeden Moment dort genießen und kann deshalb erst jetzt über die letzten Tage berichten, die zum Niederknien schön waren, übrigens.

Gardone, den Ort mit dem mondän-morbiden Charme vergangener Grandezza, besuchten wir nach dem Tag im Vittoriale erneut: Der MamS hatte da noch was auf dem Besichtigungszettel.

1901 übersiedelte der angesehene Zahnarzt des Zaren und Parodontosepapst Arthur Hruska nach Gardone und weil er auch Naturforscher, Botaniker und noch viel mehr war, gelüstete ihm nach einem Garten, den er 1912 am Monte Lavino anzulegen begann (überhaupt scheint mir Gardone DAS Mentalmekka für Tausendsassas aller Art zu sein).
1988 kaufte André Heller, Künstler, Chansonnier und Mitbegründer des Circus Roncalli Hruskas Villa und Gelände, baute den botanischen Garten weiter aus und ergänzte die Flora aus allen Erdenecken mit zeitgenössischen Skulpturen und Installationen bekannter Künstler. So findet sich heute am Rande schmaler Pfade und Brücken Keith Haring neben Roy Lichtenstein, Joan Mirò neben Joseph Hirt, zwei 4 m hohe Amethysten aus Uruguay schauen auf einen babylonischen Wassergott, Ganesh und Buddha wachen neben Pan. Beschattet von hohem Bambus, unter Palmen, zwischen Büschen aus aller Welt gibt es ununterbrochen etwas zu entdecken: Einmal Verkehr und Trubel hinter sich gelassen kehrt Ruhe ein, innerlich.

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Da hat André Heller, der ab und an auch in der Villa wohnt, eine wunderbare „Kollektion von Weltgegenden“, wie er es selbst nennt, geschaffen. Einfach paradiesisch!

Trotzdem wir also nun so trefflich geerdet waren, trieb es uns am nächsten Tag in die Höhe: Tignale und das atemberaubende Tremosine waren die weiteren Ziele. Der MamS war dankbar für Automatikgetriebe und wenig Verkehr. Obwohl nur wenige Luftlinienkilometer voneinander entfernt, zieht sich die Straße über halsbrecherische Haarnadelserpentinen ganz schön, dafür gibt es aber auch einzigartig verwunschene Aus- und Ansichten. Hoch über dem See gelegen sind die „Schauderterrassen“, zum Hotel Paradiso gehörend, auch ein beliebtes Ziel. Die Aussicht von der 400 m hohen Plattform, gerade bei wechselhaftem Wetter, wie wir es erwischten, ist grandios und nur für schwindelfreie Ausflügler geeignet. Wir saßen sicher zwei Stunden bei Spritz und Espresso und Espresso und Spritz, was bei der Familie bereits völlig unbegründet Besorgnis erregte.

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Wir beobachteten das Wetter, das rasend schnell von schlecht zu gut zu schlecht zu gut wechselte.

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Die Natur, das launische Ding, legte sich tüchtig ins Zeug für uns!

Mit dem Schaufelradschiff nach Riva, nachts im wunderschönen Pool baden, das schlechteste Abendessen ever (everever!) in einem zweifelhaften Lokal ausgerechnet am letzten Abend, so schlecht, dass wir nach einer schlimmen Nacht schon wieder darüber lachen konnten – es war eine wunderbare Woche im Hotel Riviera, sehr zu empfehlen übrigens, blitzsauber, gepflegt und mit familiärer Atmosphäre.

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Nach vielen Besuchen auf der Ostseite des Gardasees waren das unsere ersten zusammenhängenden Tage auf der Westseite – aber definitiv nicht unsere letzten. Der MamS hat sich vorhin bereit erklärt, beim nächsten Mal dort mit mir einen Paragliding-Tandemflug zu machen. Und da, das wisst Ihr, werde ich ihn beim Wort nehmen!

(Noch) Tiefenentspannt
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Vittoriale degli italiani – Das 9 ha-Kunstwerk

Zwei große Männer bestimmten die letzten beiden Tage: Nein, ich meine nicht den MamS und den Barkeeper. Zwei großartige Ausflüge führten uns nach Gardone, am Westufer des Gardasees gelegen.
Am Montag besuchten wir das Vittoriale, den 9 ha großen Wohnsitz des italienischen Multitalents Gabriele D’Annunzio. In allen Reiseführern über diese Gegend hat er seinen Platz – und das absolut wohlverdient. 1921 kaufte er, schon mit großer Bekannt- und Beliebtheit des italienischen Volkes gesegnet, ein Ferienhaus, das er in den folgenden 18 Jahren zu einem beeindruckenden Komplex sonnenkönigschen Umfangs umbauen ließ. Die Führung durch seine Villa mit genre-, glaubens- und stilübergreifenden Kunstwerken aus aller Welt, war beeindruckend. Nach einer Kriegsverletzung mit einem abgängigen Auge ward das andere schnell lichtscheu und empfindlich: Mit dunklem Damast abgehängte Decken und Wände, kunstvoll gestaltete, farbige Jugendstil- und andere Fenster – Gabriele verbrachte viel Zeit im Halbdunkel, wo er sich der Schriftstellerei, dem Verfassen von Theaterstücken und der ausufernden Sexualität mit wechselnden Gespielinnen anheimgeben konnte. Als die italienische Armee dem verdienten Maresciallo (seine Körpergröße änderte er übrigens von mickrigen 1,58 m auf 1,64 m, sonst wär’s Essig gewesen mit der Militärkarriere) ein Kriegsschiff zum Andenken schenkte, pflanzte er dieses kurzerhand in den Garten, komplett mit allerhand zugehörigem Waffengedöns, Anker und was dazu gehört. Säulen, Schluchten, Kriegsartefakte neben Büsten und Statuen, eine einziges Universal-Sammelsurium beherbergt das Vittoriale, das D’Annunzio dem italienischen Volk vermachte. Seine drei Kinder erbten „lediglich“ die Rechte an seinen Werken.
Der Duce war seinerzeit des öfteren Gast im Vittoriale und obwohl die Italiener ihren Gabriele verehren und Universitäten nach ihm benennen, habe ich genau damit ein wenig ein Problem. Auch wenn er die Faschisten offiziell nicht unterstützte, Geld, Protektion und Lobhudelei erhielt er von Mussolini nicht zu knapp, der hinter der Hand betonte, dass man, wenn man einen kaputten Zahn schon nicht herausreißen könne, diesen eben mit Gold bedecken müsse.

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Gestorben ist Gabriele D’Annunzio allein, heimgesucht wohl von einer Hirnblutung und vor der geöffneten und noch mit Originalmedikamenten bestückten Hausapotheke liegend gefunden. Bestattet ist er in einer walhallmäßig gestalteten Mausoleumsanlage, bewacht von Gipswindhunden und mit phantastischem Blick auf den Gardasee.

Wer je in der Gegend ist, das Vittoriale sollte ebenso auf der Liste der Must-sees stehen wie der Ort, über den ich morgen oder übermorgen oder überübermorgen berichten werde. Kommt ganz auf Wetter, Zeit und die Qualität der künftigen Barkeeper an …

Eine ausufernde Nacht wünscht
moggadodde