Mängellehre

Das kulturelle Topereignis stellt im hiesigen Dörflein das sogenannte „Backhäuslesfest“ dar, ein sich über drei oder vier Tage hinziehendes, heiteres Spektakel, das allein durch Mitglieder der örtlichen Vereine gestemmt wird, was in Zeiten schwindenden Gemeinsinns als sehr beachtlich angesehen werden darf. Eine reichhaltige Speisekarte, allerhand liquide Leckereien und ein beheiztes Zelt gibt es, in dem Eingeborene und „Neigschmeggde“ miteinander tratschen, trinken, spachteln und dann ein paar Meter straflos nach Hause schwanken können: Ein Pflichttermin für die unterzeichnende Exil-Connaisseuse, die ja üblicherweise für jeden, aushäusigen Pupsschoppen das Auto bewegen muss.

Zum handfesten Schnitzel wünschte ich mir einen Rotling aus heimischer Lage und ich zahlte beim jungschen Ausschenker an der Selbstbedienungstheke 4,50 €, 2 € Pfand fürs Gläschen inklusive. Schon bald aber enthielt das Glas zuviel Luft und ich erbat flugs Nachschub beim Mundschenk. „Das macht Vierfuffzich!“, beschied er mir und ich antwortete mit einem Zeig aufs Preisschild, dass das Tröpfchen aber nur Zweifuffzich koste. „Hatten Sie denn ein Glas zurückgegeben?“, fragte er nun und ich hielt ihm mein trauriges Krüglein vors Gesicht. „Ich habe für dieses eben hier schon bezahlt!“, entgegnete ich. „Ja, aber zurückgegeben haben Sie’s nicht. Dann kriege ich Vierfuffzich“, beharrte er.
Ich meine, ich bin nicht der größte Logiker unter der Sonne, aber das war ein Sachverhalt, der mir selbst mit einer ganzen Flasche feinsten Rotlings im Kopf nicht in denselben hätte gehen wollen. Wir begannen, zu diskutieren. Ein etwa gleichaltriger Hilfsmundschenk, wohl auch kein von Adam Riese geküsster Jüngling, pflichtete dem Kollegen bei. Ein Wortgefecht entspann sich und allmählich wurde ich ungeduldig. Zu lange schon darbte mein Krüglein bar jeden Tröpfchens.

Mittlerweile hatte sich ein weiterer Bruder im Durste an den Tresen gesellt. Unschüchtern erklärte ich ihm die Gemengelage und er bestätigte meine Sicht der Dinge. Wacker beharrte der Mundschenk auf seiner Position aber jetzt war ich sattsam bedient (sic!). Bockig drohte ich mit Abwanderung zum Bierstand, sollte er mir nicht sofort den verdammten Rotling für Zweifuffzich kredenzen. Widerwillig füllte er das Glas und um die Wogen zu glätten, versprach ich, diese höhere Problemathematik mit meinen Begleitern am Tisch gleich ausdiskutieren zu wollen.
„Wieso hast Du ihm das Glas nicht einfach zurückgeben und danach neu bestellt?“, fragte meine Tischnachbarin. Ähm. Ja. Das hätte ich natürlich tun können. Aber offenbar ist mein Starrsinn besser ausgeprägt als mein Denkvermögen.

Einen lehrreichen Abend wünscht
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Lauf don’t come easy

Saisonauftakt bei den s. Oliver Baskets ist immer ein letztes Zeichen, dass der Sommer endgültig hinter uns liegt. Gestern also fand das erste Heimspiel gegen Phoenix Hagen statt, das im ersten Viertel für Würzburger reichlich hübsch anzusehen war, im zweiten Viertel enger wurde und nach der Halbzeit eher Haarraufcharakter hatte. Auf dem Parkett lief außer viel buntem Schuhwerk nicht mehr viel nach Wunsch und auch auf den Rängen vermisste ich größtenteils die frenetische Unterstützung, die noch in der letzten Saison eine schwächelnde Mannschaft wieder auf Kurs bringen und für ein Spiel, das zu kippen droht, in einer kuschelig-kleinen Halle wie der s.Oliver-„Arena“ das Zünglein an der Waage sein kann. Betuliches Klatschpappenklatschen, kaum „Defense“-Unterstützungsrufe, ein Hallenschreier, der Spielernamen durcheinanderwirft oder gar gleich falsch ausspricht, Parkettwischpersonal im Winterschlaf und matte Spieler, die offenbar allesamt mit dem falschen Fuß in den Feiertag gestartet waren: Die einst berüchtigte „Turnhölle“ war gestern nicht mehr als das Vorzimmer zum Fegefeuer. Höchstens.

Das wird beim nächsten Heimspiel am nächsten Mittwoch ganz sicher anders ablaufen. Nur werde ich das leider nicht sehen, weil ich an diesem Tag auch mit einem falschen, weil frisch operierten Fuß aufgestanden sein werde.

Seit Jahren plagt mich ein wild wuchernder Knochen am linken Großen Onkel,

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den der MamS schon lange bequengelt und den er nicht sehr liebevoll „Teufelshörnchen“ nennt. Hiesige Temperaturen und ein diesbezüglich wenig toleranter Kulturkreis erfordern das Tragen von Fußbekleidung, was mich regelmäßig vor Probleme stellt und zum aufrichtigen Schuhkaufhasser werden ließ. Die meisten Modelle, die nicht orthopädischen Schuhzurichtungen ähneln, drücken genau an dieser Stelle und mir steht stets ein schmerzhafter Prozess bevor, ehe sich der Knochen seinen Raum erobert hat. Deshalb kann ich die Zahl meiner Schuhe auch an eineinhalb Händen abzählen. Habe ich endlich ein Paar eingelaufen, trage ich es, bis es sprichwörtlich auseinanderfällt. Langes Stehen, wie ich es in den Katakomben leisten muss, bereitet zunehmend Probleme und so lasse ich mir mein Teufelshörnchen also am Dienstag endlich abfräsen entfernen, Vollnarkose inklusive, was mich nicht bange macht, bin ich doch ein ziemlicher Vollnarkose-Fan. Dieser Moment, kurz vorm Blackout und dann das allmähliche Wiederauftauchen aus der dämmrigen Nebelsuppe, wenn Stimmen immer deutlicher werden, während ich spüre, wie ich zu frieren beginne und also immerhin nicht in der Hölle gelandet sein kann, das ist ein bisschen wie Fliegen, nur, dass ich die ganze, schöne Reise verschlafe.

So werde ich also hoffentlich höchstwahrscheinlich mit einem hübsch geformten, neuen Fuß schmerzfrei in den Restherbst gehen und dann, ich sag’s Euch, werde ich Schuhe kaufen. Schöne Schuhe. Viele Schuhe. Jawoll.

Schuhbidu
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Maine Post

„Blogger meets Main-Post“ hieß das Motto der gestrigen Veranstaltung in den Räumen der heimischen Tageszeitung

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Die Gelegenheit zu einer Führung durch die Produktionshallen hatte ich noch nicht. Und über die gigantische Commander CT hatte ich bisher nur viel gehört.

Strikte Diskussionsthemen waren im Vorfeld nicht festgelegt. Und so entspann sich ein lockeres und interessantes Gespräch rund um die Problematik Paywall und wie man Hürden niedrig hält, die Notwendigkeit der Monetarisierung online bereitgestellter Nachrichten, schneckenlahme Verbindungsgeschwindigkeiten auf dem flachen Land und die Tatsache, dass eine Vielzahl von Lesern der Printausgabe noch immer Wert auf Informationen zu aktuellen Eierpreisen, Telefontarifen, Börsenkursen vom Vortag sowie Biowetter und Pollenflug wünscht. Hier offenbart sich ein weiteres Dilemma der gedruckten Zeitung: Der Spagat zwischen dem Informationsanspruch und den Interessen des 70jährigen Rassegeflügelzüchters aus dem Ochsenfurter Gau und denen der 25jährigen Versicherungsangestellten aus der Würzburger Innenstadt ist nur schwer zu vollziehen.
Wir wurden mit allerhand beeindruckendem Zahlenwerk versorgt, von dem mir trotz fahrtauglichkeitsbedingter Alkoholabstinenz an diesem Abend nicht allzu viel im Gedächtnis geblieben ist. Diversifikation, Cross-Media, das Anzeigengeschäft und die Konkurrenz durch kostenlose Onlineportale: Wir wurden umfassend informiert.

Sodann ging’s in die Praxis. In der Zeitungsproduktion gibt es viel Papier, noch mehr Lärm und eine schier unüberschaubare Fülle an computergesteuerten Prozessen, die von monströsen Maschinen

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irrwitzig gewundenen Transportbändern

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und ausgefeilter Logistik ausgeführt dafür sorgen, dass ich zum 6 Uhr-Kaffee die Zeitung auf dem Tisch habe (sofern der Austräger nicht verschläft). Zugegeben: Ich genieße es, Informationen, die mir oft auch schon am Vortag durch Radio oder Internet zuflossen, vertieft und ausführlich in einer von den Digital Natives als „bedrucktes Totholz“ beschimpften Zeitung zu lesen. Internetaffinität hin oder her: Die Art des Zeitunglesens ist Gewohnheitssache. Ich lese sie schlicht lieber auf Papier als auf TFT und obwohl ich online Newsportale besuche oder Radio höre, ist Zeitung eine zusätzliche Informationsmöglichkeit, die zudem oftmals auch Themen behandelt, nach denen ich nie gesucht hätte, die sich aber als interessant herausstellen. Pro Druckwerk kommt hinzu, dass so eine Zeitung verschütteten Kaffee, gekleckerte Marmelade und Brödlibrösel nicht so krumm nimmt wie ein Tablet oder eine Laptoptastatur. Wer einmal das Gelbe eines 5-Minuten-Eis mit dem Wattestäbchen aus dem Touchpad schrubbte, weiß, wovon ich spreche.

Im Gegensatz zu Hazamel blieben bei mir nicht viele Fragen offen. Über Erwartungen der Gastgeber an uns Blogger kann ich nichts sagen und verbuche das einfach mal als Leserservice. Aber mir war klar, dass in zwei Stunden Besuchszeit nicht das grundsätzliche Phänomen des Zeitungssterbens würde geklärt werden können. Gut, das mit einer Nassoffset-Zeitungsrotation könnte ich gerade immer noch nicht ganz fehlerfrei erklären, aber ich hatte mir den Abend eigentlich genauso vorgestellt. Fakten, Fakten, Fakten, Schnittchen und lockeres Plaudern unterhalb des Niggemeier- oder Lobo-Niveaus, inklusive eines Plädoyers für Print das, zugegeben, bei mir offene Ohren einrannte.

Eine druckreife Nacht wünscht
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Mogga Courage

Samstag, 10 Uhr. Wir sitzen draußen und genießen das schönste Frühstück der Woche. Der MamS hat warme Brötchen gejagt, die Zeitung liegt bereit und wir haben weichgekochte Eier und allerhand leckeren Pipapo, denn es könnte das letzte mal sein, glaubt man dem Wetterbericht.
Wir sitzen also draußen, lesen Zeitung und versuchen, der Wespenarmada Herr zu werden, die über unsere Wurstbrötchen herfällt. Die Eier sind auf den Punkt pefekt und es könnte ein schönes Frühstück werden.

Irgendwo läuft Musik, Schlager aus den 60ern. Unser Haus liegt am Hang, die Klänge kommen irgendwo von gegenüber und weil die dortigen Gebäude niedriger liegen, hören wir die Musik sehr genau. Als der Wind richtig steht, verstehen wir auch den Text. Den Wencke Myhre-Gassenhauer „Er steht im Tor“ singt da ein Mann. Ich höre genauer hin und in dieser Version wird „Mohr“ aus „Tor“ und allerlei fremdenfeindliche Beleidigungen in Liedform dringen an meine Ohren. Ich traue ihnen nicht und warte. „Zehn kleine Negerlein“ werden danach abgesungen. Das nächste Machwerk ahmt „Trio“ mit „Dadada“ nach, nur dass der Refrain hier aus „Ich lieb dich nicht, du liebst mich nicht“ ein „ich will dich nicht, ich will dich nicht“ macht und eindeutig auf Asylbewerber abzielt. Mein Herz schlägt schneller. Im nächsten Lied geht es um Juden und Geld und die Wall Street und … ich sehe inzwischen tiefdunkelrot und kann nicht einmal mehr sagen, welcher harmlose Schlager als nächstes zur volksverhetzenden Abscheulichkeit ruiniert wird.
Ich bin sicher, DJ Dumpfbacke zu kennen: Es muss der ungefähr 60jährige Feinripp-Gorilla mit der schulterlangen, grauen Haarmatte sein, der von hier oben selten zu sehen, aber durch enthemmtes Rülpsen in seinem Garten quer durch in der Nachbarschaft umso öfter zu hören ist.

Wütend wäge ich die Alternativen ab: Runterbrüllen wird über diese Entfernung keine Lösung sein. Seinen Namen kenne ich nicht, ich muss also hin. Noch bevor der MamS und der kleine Hank Sicherheitsbedenken anmelden können, schwinge ich mich voller Zorn ins Auto und fahre eine Straße tiefer. Seine Gartentür ist offen, der geschmacklose Schund dröhnt und Meister Schwachkopf beugt sich seelenruhig über die Biotonne. Er schaut mich feindselig an und weiß sofort, wieso ich komme. Für Typen mit Graubrot-Aufmerksamkeitsspanne rede ich für gewöhnlich auch nicht lange um den braunen Brei herum: Rundheraus teile ich ihm mit, dass ich mich von seiner Musik belästigt fühle. Ich kann den Satz kaum zu Ende sprechen, da tritt er auf mich zu und scheucht mich mit Handbewegungen und der gebrüllten Verabschiedung „Ab! Raus hier! Ab!“ von seinem Grundstück. Uns trennen nur ein paar Meter und selten kam ich einer Aufforderung lieber nach. Im Rückwärtsgehen biete ich an, dass ich auch gern die Polizei rufen könne und hüpfe ins Auto. Er steht jetzt am Gartentor und schaut mir grimmig beim Wegfahren zu. Eine halbe Minute später bin ich wieder zuhause. Die Musik ist aus und er werkelt ungerührt in seinem Garten weiter.

Wie meistens, wenn eine gewisse Portion Rage Besitz von mir ergriffen hat, machte ich mir erst danach Gedanken. Er hätte mir mit dem Spaten ja auch direkt eins überbraten können. Schlimm genug, dass seine direkte Nachbarschaft aus Angst vor Repressalien (wie ich später höre) still hielt und so etwas als „schrullig“ oder „verrückt“ abtat und nicht einschritt. Aber ich konnte und wollte nicht tatenlos zuhören, wie eine kognitive Nullnummer mit Dörrpflaumen-IQ seinen rechten Durchfall über die Dächer des Dorfes bläst. Ohne mich, Freundchen!

Einen couragierten Abend wünscht
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Stoßgebeet

Glücklicherweise wird der kleine Hank bei seiner Ferienjobberei hin und wieder auch an weniger anstrengenden Baustellen eingesetzt und dann wird die Arbeit zum Kinderspiel. Blühwerk auf einer Verkehrsinsel wässern und ansonsten fleißigeren Bienchen beim Bestäuben zuschauen: Wahrhaft keine Arbeit, bei der mit erneuter Blasenbildung zu rechnen ist, die aber getan werden muss.

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Nun gehört zur Pflege einer Pflanzfläche natürlich auch das Ausmerzen unerwünschten Krauts. Ackerwinde, Vogelmiere, Giersch und Windenknöterich: Der kleine Hank würde Unkraut allerdings nicht einmal erkennen, träte es ihm tüchtig in die Gegend südlich seines Äquators. Im Grunde kann er eigentlich einen Löwenzahn nicht von Leopardenlosung unterscheiden, deshalb schien mir die Frage, wie er denn bei der Arbeit zwischen Unkraut und gewollter Pflanzung differenziert, überaus berechtigt.

Er gab mir eine einleuchtende Antwort: Er folge rein optischen Aspekten, es müsse halt gut aussehen. Das nach dieser Methode als Unkraut verdächtigte Grün wird zunächst mittels Hacke eliminiert. Zeigen sich am Wurzelwerk nun Reste dunkler Pflanzerde, handelt es sich nicht um Unkraut und das jäh heimatlos gewordene Grün wird, wenn möglich, wieder in Erden versenkt. Wenn nicht, wandert es in die Schubkarre und geht den Weg jeglichen, irdischen Lebens: Auf den Biomüll.

Es ist erstaunlich, wie pragmatisch er mit derlei Problemstellung umgeht. Ich hoffe nur, er wird weiterhin ein glückliches, grünes Händchen behalten im Umgang mit zu betreuender Flora. Bei seinem Arbeitseifer könnte es sonst auf so mancher Verkehrsinsel in der Umgebung bald äußerst sparsam aussehen.

Eine fruchtbare Nacht wünscht
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