Gelaufen.

Manchmal gibt der MamS einfach keine Ruhe. Dann muss ich, zur Wahrung des ehelichen Friedens, sonntags mit ihm „an die frische Luft“. Igitt.
Rilke hat es vorgemacht. Goethe auch. Schiller, Renoir, Stifter, Eichendorff, sogar Kafka haben es getan und darüber sinniert, gemalt, poetet. Sie spazierten.

Ich selbst bin kein großer Freund des Spazierens auf glitschigen, morastigen Pfaden durch derzeit ödbraune Wälder mit mangelhaftem und nicht streichelbarem Tierbesatz, zumal der MamS und ich extrem unterschiedliche Tempi an den Tag legen: Mit meinem Stechschritt kann sein gemächlicher Trab aus dem Gestüt Schlendrian nur schwer mithalten. Ich presche meist 200 m mit unstetem Blick auf der Suche nach einem lohnenden Motiv voraus, während er, die Hände locker in den Jackentaschen, hinter mir versonnen lustwandelt. Wir müssen ein Bild wie aus einem modernen Spitzweg abgeben. Oder aus einem Loriot-Sketch.

Tatsächlich ist das Spazierengehen nicht einfach schnödes Rentnervergnügen, sondern inzwischen sogar eine Wissenschaft. Die Promenadologie beschäftigt sich mit „Erfassung und gedanklichen Einordnung“ der Umwelt. Zugegeben: Meine Erfassung und Einordnung der Umwelt beschränkt sich tatsächlich meist auf Fortschrittsbegutachtung an städtischen Verkehrs- und Hochbaustellen sowie der Erkenntnis, dass in der Fußgängerzone schon wieder ein Billigbäcker aufgemacht hat. Schöne Ansichten sind im Alltag eher spärlich gesät.

Highlight der heutigen Exkursion war übrigens die Schafweide am Ortsrand.

Glöckchen bimmelten mit lieblichem Klang beinahe alpenländischer Provenienz, Dolly und ihre Gefährtinnen mäanderten und schmausten zu dieser Mittagsstunde gleichmütig, ausdauernd und für den Betrachter fast kontemplativ wirkend vor sich hin. Kein Billigbäcker weit und breit. Und keine Baustelle. Goethe hätte seine Freude gehabt.
Ich allerdings dachte daran, dass ich schon sehr lange kein Lamm mehr auf dem Teller hatte und bekam Appetit. Das war sicher dieses „Erfassung und gedankliche Einordnung“. It works!

Eine bewegte Nacht wünscht
moggadodde

Ichlebnochkuchen!

Im Drive-In einer lokalen Bäckerei. Dem dauerhungrigen, kleinen Teenagerhank neben mir gelüstet nach Futter. Wie immer. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Bei der mittzwanzigjährigen Backwarenverkaufskraft, die vor Freude an ihrer Arbeit nicht eben übersprudelt, bestelle ich zwei Schokocroissant, zwei Quarktaschen und eine Brezel, damit mein Sohn die nächste Stunde überlebt. Ich reiche ihr Geld und meine Kundenkarte ins Kabuff.

Sie so: „Da sind jetzt 65 Punkte drauf. Wissen Sie, was das bedeutet?“
Ich so: „Nö.“
Sie so: „Bei 50 Punkten gibt’s einen Kaffee, bei 100 Punkten ein Brot und bei 300 Punkten ein Frühstück.“
Ich so: „Ach. Na, dann sammle ich noch weiter.“
Sie so: „Sie können auch auf unserer Website im Internet nachschauen“, jetzt zeigt sie auf den kleinen Hank neben mir. „Ihr Sohn kennt sich mit Computern bestimmt aus und kann Ihnen das zeigen.“

Ich schlucke. Hart. Sehr hart. Ich meine, ich bin knapp über 40, habe meine Haare gewaschen, trage Jeansjacke und sehe auch ansonsten nicht aus, als hätte ich in den letzten 20 Jahren in einer vermoosten Klause im Spessart von Höhlenchampignons und Schmelzwasser gelebt. Und dann glaubt diese jungsche Trulla, ich wüsste nicht, wie man ein Internet bedient?

Ich so: „Na, jetzt aber! Glauben Sie, ich könnte das nicht selbst?“
Sie so: „Meine Mutter könnte das nicht!“
Ich so: „Ja, Ihre Mutter! Ich glaub‘, ich spinne!“

Ich rege mich noch ein bisschen auf, während ich die Tüten ins Auto angle, fasle was von einem geharnischten Blogpost und bin sicher, dass sie keine Ahnung hat, wovon ich überhaupt spreche, weil sie von „Blogging“, „Twitter“ und „WordPress“ eher rudimentäre bis gar keine Kenntnisse hat, Android für ein neues Kaffeeprodukt der Zirbelkatze und Stylesheet für eine besondere Sexstellung hält. Wahrscheinlich hält sie mich für eine überspannte Alte auf der Vorstufe zum Siechtum, die ein Problem mit ihrem fortschreitenden Verfall hat und schonmal Rollator und Bettpfanne bestellen sollte. Ach, wirklich?

Der arme, kleine Hank muss sich auf dem Heimweg noch einen lautstarken Sermon über voreingenommene und halbblinde Bäckereiverkäuferinnen anhören, beteuert kleinlaut, dass er mich für eine coole Mutter hält und ich realisiere zuhause beim Ausräumen des Kofferraums: Heute wurde ich erstmals altersdiskriminiert. Ich back‘ es nicht.

Einen knackigen Abend wünscht
moggadodde

Sekret Service

Wir haben unseren Kindern anlässlich der Rüsselseuche dereinst ja noch händisch per Unterdruckpömpel den Schnodder aus den kleinen Nasen geholt und im Notfall auch mit einer tüchtigen kleinen Prise Pfeffer nachgeholfen. Der technische Fortschritt kennt aber offenbar auch in der Babypflege weder Rast noch Ruhe.
Das allerdings

erscheint selbst mir einen Hauch zu ambitioniert. Ob die derart entsaugten Kinder jemals im Leben einen Staubsauger ohne Panikattacke werden anfassen können?

Einen schmerzfreien Abend wünscht
moggadodde

Kann ich knicken!

„Spare in der Zeit, so hast Du in der Not.“ Durfte ich mir dieses Sprichwort in Jugendtagen speziell von den Omas aufs Zuckerbrot schmieren lassen, erkennt man, sobald es an den eigenen Geldbeutel geht, die absolute Berechtigung darin.

Das Leben ist nicht billig, die letzte große Reise ein Weilchen her und Luxurantien ansonsten nicht allzu üppig verstreut (just, als ich dies hier schreibe, höre ich die Waschmaschine in neuen Scheppertönen schleudern). Umso wichtiger ist es, sich das ansonsten lausige Dasein mit kleinen Bonbons zu versüßen. Sei es das nacktdekadente, brotlose Verschlingen Verspeisen einer Portion Parmaschinken im Gegenwert einiger Matchboxautos Kleinwagen oder der Kauf erlesener Bohnen in der Kaffeemanufaktur: Wenigstens bei Essen und Trinken wird in dieser Familie selten gespart.

What comes in, must go out. Bei einem 4 Personen-Haushalt werden die hiesigen, stillen Örtchen deshalb oft und gern frequentiert. Aber auch dort wird mit ein wenig Wohlleben nicht gegeizt. Mein Hintern würde sich im Zweifelsfall ja auch mit der in der Großgastronomie verwendeten Recycling-Pappe zufrieden geben. Mit mehrlagiger Ware kann ich mich selbstredend gern arrangieren, der MamS aber geht noch ein Blättchen weiter und besteht hartnäckig auf parfümiertem Klopapier. Egal, ob Sommer-, Rasen- oder Winterduft: Den Pomp am Popo lässt er sich dann auch mal gerne etwas mehr kosten und das von mir immer wieder eingeschmuggelte Billigpapier (unrecycelt, 2lagig, ich bin ja kein Unmensch) fristet im letzten Eck so lange ein Schattendasein, bis das Duftpapier perdu und mal wieder kein Nachschub im Haus ist.

So, wie ich die Kinder ans Lichtausknipsen beim Verlassen eines Raumes oder ans Topfdeckelauflegen beim Erhitzen von Nudelwasser gemahne, halte ich es als mitzahlender mitverantwortlicher Familienvorstand für meine Pflicht, allzu ausufernde Klopapierverschwendung einzudämmen. Bei vier vollverdauenden Futterverwertern in diesem Haushalt läuft ganz hübsch was von der Rolle. Das darf hier gesagt werden.

Das

ist der hier von mir nun installierte Hotelknick-Trick. Beherztes Platttreten der frischen Ware verhindert allzu unbedachtes Abrollen und sorgt meist für die Abgabe einer des Anlasses angemessenen Blättermenge.
Dixie und Hank lachen mich aus, der MamS zickt und torpediert meine Sparbemühungen bei jedem Gang zur Keramik mit regelmäßigem Zurückdrücken der Klorollen in die alte Form. Ästhetischist, der er ist, scheint es sein abtrittiges Wohlbefinden zu stören, wenn die Rollen nicht rund, sondern geknickt sind. Meine Hartnäckigkeit in manchen Belangen ist allerdings auch legendär. Und so hat jeder von uns beim Geschäftemachen was zu tun. Ob es ein Happy End gibt, ist allerdings noch offen.

Sparen beginnt eben im Kleinen. Und manchmal auch beim Großen.

Einen erleichternden Tag wünscht
moggadodde