Der postferiale Alltag hat den moggadodde’schen Haushalt wieder in seine schmutzigen Klauen genommen. Rituale, wie das feierliche Öffnen die Pausenbrotbox, die über 6 Wochen ein dunkles Dasein in Hanks Schultasche fristete und inzwischen ein grünes, pelziges Wesen zu beherbergen schien oder der Einkauf der für das anstehende Schuljahr benötigten Materialien liegen hinter uns. Wenn ich ausrechne, was ich bei zwei Schulkindern und 14 Jahren mittlerweile in bunte Plastikheftumschläge und Plastikschnellhefter investierte, bei denen es in jedem Jahr bei wechselnden Lehrern neue, farbenfrohe Wünsche zu erfüllen galt, wäre die Beteiligung an einer Ölbohrinsel sicher keine schlechte Investition gewesen. In prall gefüllte Büchertaschen gestopft, in öden Stunden mit Graffitis und kleineren Schweinereien verziert oder wütend in die Ecke gepfeffert: Die Haltbarkeit dieser bunten Umschläge beträgt tatsächlich allerhöchstens ein Schuljahr.
Aber ich will mich nicht beschweren: Im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern schont die Lehrmittelfreiheit immerhin hinsichtlich der umfangreichen Schulbuchsammlung das Haushaltsbudget, lediglich zahlreiche Arbeitshefte und Workbooks sowie Papiergeld und das Werkgeld müssen extra berappt werden. Moment. Werkgeld? Ich stutzte.
Tatsächlich befindet sich der kleine Hank nunmehr in der 9. Klasse der Realschule. Die 9. Klasse ist ein nicht unwichtiges Jahr, soll sich der Schüler in der Regel doch mit dem Halb- oder spätestens Jahresendzeugnis um eine ihm nicht ganz unsympathische Arbeitsstelle bewerben. Und nach meiner Meinung ist eine Wochenstunde „Werken“ in einem derart entscheidenden Jahr so überflüssig und unnütz wie ein „Vegetarier in 90 Tagen“-Kurs in einem Haifischbecken.
Zugegeben, es ist nur eine Schulstunde in der Woche. Aber so vieles ist in dieser prekären Lage besser und nützlicher für eine Horde Halbwüchsiger, als aus einem Stück Holz einen Zettelhalter zu schmirgeln oder einen Tonklumpen in einen Tonklumpen mit Dinosauriershilhouette umzuformen, zumal die Produkte nach Ende der Schulzeit ohnehin klammheimlich in der Mülltonne landen. Hallo? 9. Klasse? Wie wär’s mit Unterricht, der der Ernsthaftigkeit der Lage gerecht wird?
Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten: Die Schulstunde könnte wunderbar verwendet werden für wirklich wichtige Problemstellungen. Rechtschreibchallenges. Kopfrechenbattles. Bewerbungsschreibenwettbewerbe. Grammatikmatches: Es gibt so viele Alternativen, die allemal wichtiger sind, als das Gestalten von kunsthandwerklichen Scheußlichkeiten!
Mir schwebten etwa folgende Kurse vor:
Knigge für Anfänger: Lernen, wie ich meinen Lehrherrn ausreden lasse.
Aufs Maul, Alta: Sprachschätze und wie ich sie bewahren kann.
Noch’n Bier, noch’n Korn: Gefahren des Alkohols und sein nützlicher Einsatz.
Grundlagen einer Bewerbung: Erwähnte Anlagen und wie ich sie beilege.
Bewerbung für Fortgeschrittene: Hobbies und solche, die ich besser nicht erwähne und warum.
Bewerbung für Fortgeschrittene II: Weshalb ich meinen Facebook-Account schützen sollte.
Bewerbung für Fortgeschrittene III: Suggestivbewerbung „Sie wollen mich. Keine Widerrede!“.
Verhütung 2.1 – 2.5: Gib Gummi, Alter!
Sei mit dir im Reinen: Körperhygiene und das Echo der Umwelt
Rente ohne Reue: Richtig riestern
Ãœberhaupt würde ich die Jugend in diesem wichtigen Schuljahr auf das Leben vorbereiten, anstatt sie mit einer besseren Bastelstunde zu versorgen. Und wenn’s schon Werken sein muss, dann wenigstens richtig:
Waschmaschinenreparatur: Fehleranalyse, Ersatzteilbeschaffung und Reparatur
Der Golf 4 und seine Schwachpunkte.
Der Schweißer im Haus erspart den Zimmermann: Bilderbefestigung für Anfänger.
Vliestapeten und ihre Tücken.
Dübel: Fischer and Friends.
Ich bin gespannt auf den ersten Elternabend, an dem ich meine Einwände dann hoffentlich werde vorbringen können. Ob das dröge Kultusministerium meine differenzierte Sichtweise teilt, darf bezweifelt werden, von der betreffenden Lehrkraft ganz zu schweigen und ändern werde ich ohnehin nichts, auch wenn ich vorbringe, dass der kleine Hank in dem 2-Wochen-Workshop bei der Handwerkskammer Stücke gefertigt hat, die die Werklehrerin vor Neid weinen lassen dürften.
„Non vitae, sed scholae discimus“, sagt Seneca. Werkarbeiten betreffend gibt es im weiteren Leben ja die freundlichen Mitarbeiter allerlei Baumarktketten, die jeden dazu bringen, alles zu seinem Projekt zu machen, selbst wenn er fünf linke Hände hat und OBIwill oder nicht! Da hängt nichts schief. Aber kann ich einen Gehaltserhöhungsantrag vom Biber korrekturlesen lassen? Oder prüft Mike Krüger etwa meinen Steuerbescheid? Eben.
Eine lehrreiche Nacht wünscht
moggadodde