Setzen, sechs!

Augstein also. Hier und da gehört, dicke Nummer im Blätterwald offenbar, kein Urteil gebildet. Wenn ich jedem bekannten Verleger, Journalisten oder sonstigem Meinungszünglein auf sämtlichen Kanälen folgen wollte, könnte ich den Katakombenjob schmeißen. Hängen blieb ich allerdings an diesem Tweet

https://twitter.com/Augstein/status/893490597209800704

und ich muss schon sagen, wenn das die Elite des deutschen Journalismus sein soll, dann ist das wie eine 6,5 auf der nach unten offenen Springer-Skala.
Merkel trägt im Sommerurlaub seit 5 Jahren dasselbe Outfit? Aha. Und wofür will Augstein nun besternt werden? Für seine immense, aus Fotoarchiven gespeiste Beobachtungsgabe? Für sein Modeverständnis? Für investigatives Scheißetauchen?

Man kann zu Merkel stehen, wie man will. Wirklich. Aber es ist oberflächlich, chauvinistisch und unglaublich billig, diese Frau für das Tragen derselben Kleidung über mehrere Jahre hinweg an den Internetpranger zu stellen. Ich könnte platzen ob dieses überheblichen und zutiefst verächtlichen Tweets.
Ich weiß, es ist nicht das Gros der Journalisten, das in dieser Weise arbeitet. Aber gerade in diesen hasserfüllten, mit Verachtung und Diskriminierung erfüllten Zeiten ist es Aufgabe von lauteren Publizisten, objektive, sachbezogene und faire Artikel zu veröffentlichen, um sich von der Vielzahl der niederträchtig agierenden Kollegen abzugrenzen.
Mit diesem Tweet hat Augstein gezeigt, zu welchem Lager er sich zählen lassen möchte.

Kotzend ab
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It’s more than fashion – It’s a Bracenet

Mein Shoppingverhalten würde ich als eher klischeekonträr bezeichnen. Kleidung trage ich meist, bis ich nicht mehr hineinpasse, dann hebe ich alles auf, bis ich wieder hineinpasse. Ein kleines Loch an nicht allzu prominenter Stelle eines Lieblingsshirts wird vielleicht mit einem Schmuckknöpfchen kaschiert, für Sport oder zum heimischen Sofafläzen taugt es allemal noch. Ich bringe Schuhe noch zum Schuster und Hosen mit ausgelutschten Druckknöpfen zum Schneider. Opulente Tinnef-Halsketten (lila!), Geschenke einer gut meinenden Schwiegermutter, fungieren als schmucke Befestigung für die Laternen im Garten, der Kaninchendraht der Sommerbehausung des längst verblichenen Haustiers verziert die Fallrohre und dient als Rank- und Dekorationshilfe. Ehe ich etwas entsorge, sinniere ich über mögliche Weiterverwendung, zweifelhafte Kandidaten landen im Keller (vielleicht ein Grund, weshalb das Abteil kaum mehr betreten werden kann?)
Ich kaufe keine Plastiktüten, sondern fahre einen Kofferraum voller Beutel spazieren, für den spontanen Kauf erweist sich mein Hang zu zweizimmerwohnungsgroßen Handtaschen als nützlich. Plastikmüll in den Weltmeeren – zu diesem Problem muss ich wirklich nichts mehr sagen.

Derart gepolt ist klar, dass ich angetan war von einer Idee, die mir im Netz (!) vor die Augen gespült wurde. Geisternetze sind nämlich ein weiteres Problem der vom Menschen geplagten Ozeane.
Absichtlich entsorgte oder verloren gegangene Fischernetze werden für viele Jahre zur tödlichen Falle für Meeresbewohner. Verschiedene Organisationen befassen sich mittlerweile mit der Beseitigung von Geisternetzen, wobei „Bracenet“ hier quasi Upcycling für Herz und Handgelenk betreibt. Zusammen mit der Partnerorganisation „Healthy Seas“, die auch 10 % des Erlöses erhält, bergen, reinigen und verarbeiten Madeleine und Benjamin geborgene Geisternetze zu ganz besonderen Armbändern.

Nicht genug, dass mit jedem Bracenet ein Stück Meeresmüll einer schmucken Weiterverwendung zugeführt wird, es sieht auch noch sportlich gut aus und hält dank des starken Magnetverschlusses sehr sicher. Ich habe inzwischen nicht nur den MamS und mich versorgt, sondern auch einigen Lieben im Freundes- und Verwandtenkreis mit dem Bracenet eine Freude machen können. Erst heute ging wieder eine Bestellung für ein Stück Netz ins Netz: Eine Freundin war von meinem „North Sea“-Bracenet derart angetan, dass ich es ihr kurzerhand schenkte – und jetzt unbedingt Ersatz brauche.
Die Bänder kommen im Jutebeutelchen mit dem Bracenet-Logo, sind am Handgelenk ein wahrer Hingucker und überdies ein Stück Müll weniger im Lebensraum Ozean.
Ich finde, wer ein Bracenet trägt, trägt nicht nur Schmuck, sondern ein Statement!

Fischt nicht im Trüben:
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Seensucht

Zum Glück hatten wir die Westküste bei vielen Besuchen sightseeingtechnisch schon abgegrast und konnten die grenzwertig heißen Tage am

diesmal maximal entspannt angehen. An Schlaf, oder jede andere, nächtliche Aktivität war zwar nicht zu denken (es ist mir ja sowieso ein Rätsel, wie die Bewohner tropischer Gefilde auf ihre Geburtenrate kommen). Der MamS und ich balgten statt dessen um den besten Platz unter dem Deckenventilator und berührten uns ansonsten möglichst wenig. Ja, auch die Nächte waren heiß, am Gardasee. Selbst ansonsten erfreuliche Tätigkeiten wie Pastaschaufeln, Espressoeinläufe oder Spritzbetankung waren anstrengend. Alles war anstrengend.

Deshalb war unser liebster Aufenthaltsort denn auch das Wasser. Und als der Pool zu warm wurde,

ging es an den See, wo Lufttemperatur keine Rolle spielt. Der Geruch des glasklaren Wassers, leise Loungemusik, die der braun gebrannte Bagnino auf uns herabrieseln ließ, die mal sanfte, mal robustere Brandung, eine stete Brise sowie Kaltgetränke im Halbschatten – es ist doch so leicht, mich glücklich zu machen!

Große Exkursionen gab es nicht, nur nach Tremosine zog es uns nach Sonnenuntergang, wo der Wind noch ein bisschen kräftiger bläst und die Aussicht noch ein bisschen atemberaubender ist.

Ja, ich freute mich auf daheim. Auf die eigene Matratze. Auf Durchschlafen ohne Propellerkämpfe und Bettkreiseln. Aber während ich mit kalten Füßen diese Zeilen tippe, meine Haut knochentrocken dem ständigen Feuchtigkeitsfilm hinterherwimmert und zwischen Bräune und Rost changiert, wünsche ich mich schon wieder zurück.
Seensucht. Ganz schwerer Fall, würde ich sagen.

Ci vediamo l’anno prossimo!
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THINK!

Alberner Zustand, Urlaub und viel zu lang im Auto gesessen, zack, schlüpft ein Rätsel aus der Pipeline!

Wer mir das fehlende Kennzeichen nennt – plus die passende Redewendung – und sich überdies sämtliche Kommentare meine Zeichenkünste betreffend verkneift, erhält als Preis ein paar garantiert bleifreie Colafläschli!
Als Einsendeschluss bestimmt die Spielleitung den morgigen Freitag, 20 Uhr.

Salute!
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Stronzo

Da sitzt also dieses Paar am Nebentisch beim „Buffalo Grill“. Der Mann ist offenbar kein Sympathisant gängiger Etikette und fragt den Kellner kurz angebunden nach dem Wlan-Pass. Bei diesem Signalwort werde ich natürlich hellhörig. Hier in Italien ist die Internetsituation mit der in Deutschland vergleichbar: Ein paar Hotspotinseln und ansonsten wird man umdümpelt von einer rachitisch-schleppenden Verbindung. Eher ein Verhindernet und meistens ein Auweh-Lan. Auch wenn Roaminggebühren jetzt ad acta liegen, frau muss schließlich sehen, wo sie datentechnisch bleibt. Es ist unser erster Abend in Italien, ich bin verdammt hungrig und nach der Fahrt ein klitzekleines bisschen enerviert.

Der Typ also, vollendeter Vokuhila, sitzt seiner Begleiterin breitbeinig gegenüber, die mit Spraytanning nicht sparsam war. Aber egal, kann ja jeder aussehen, wie er mag. Nicht egal allerdings ist, dass er mit dem frisch erbeuteten Passwort Youtube öffnet und jetzt Springsteen-Clips nicht nur betrachtet, sondern damit auch die umliegenden Tische beschallt. Und noch eines. Und noch eines. Er guckt auf sein Handy, seine Begleitung betrachtet die Reize der Umgebung. Man mag es nicht glauben, aber Springsteen kann ich schon kaum hören, wenn ich nicht genervt bin, was bedeutet, dass Springsteen jetzt absolut gar nicht geht. Der MamS und ich unterhalten uns mit den Augen. Wenn man so lange zusammen ist wie wir, beherrscht man die Vier-Augen-Wortlos-Kommunikationstechnik aus dem Effeff.

Ich so: Der hat sie ja wohl nicht alle!
Er so: Guck auf die Frisur und du weißt Bescheid.
Ich so: Ich eskaliere gleich.
Er so: Lass das. Das endet böse!
Ich so: Aber Springsteen! Ich bitte dich!
Er so: Ich hab Hunger und geh jetzt sicher nicht woanders hin.
Ich so: Okay. Dann schau ich jetzt anklagend. Das wird reichen.

Während ich also blitzende Blicke an den Nebentisch sende, bittet Frau Spraytan ihren Begleiter, jetzt doch damit aufzuhören. Er stoppt die Wiedergabe, sagt leicht gekränkt: „Wenn wir uns unterhalten, ist das aber noch lauter!“ und ich blickkommuniziere in bestem vokuhilisch: „Ey, Cazzo, halt einfach den Rand e basta“.

Wir essen gleichzeitig, der Nebentisch beendet die Mahlzeit zuerst. Der Kellner räumt ab und der Typ fragt, woher denn der Geschäftsführer des Lokals käme. „Aus Brasilien“, antwortet der Cameriere stolz und ich denke noch, dass das wohl das Geheimnis der weithin bekannten Burger in diesem Grill ist. „Ach“, meint Vokuhila, „dann kann er ja nicht wissen, dass richtige Wiener Schnitzel dreimal so groß sein müssen“. „Entschuldigung!“, sagt der Kellner, „unsere Schnitzel sind hier normal in dieser Größe“. „Ja, und Pommes Frites waren das ja auch nicht, sondern Bratkartoffeln!“, mäkelt Vokuhila nun erneut. Der tapfere Cameriere beginnt, über „Patate Fritte“ zu referieren und dass das in Italien durchaus auch diese Art Kartoffeln sein können, ich umklammere inzwischen mein Weinglas, mit dem ich dem ungehobelten Kerl jetzt gern den Mund quer und längs perforieren würde. Der MamS blickkommuniziert unterdessen ein dringendes „Nein!“ und ich reiße mich zusammen. Keine Ahnung und keine Lust darauf zu erfahren, wie italienische Gefängnisse von innen aussehen.

„Naja“, flötet Frau Spraytan. „Wir haben halt einen besonderen Geschmack, die meisten geben sich hiermit ja zufrieden!“. Sie bezahlen auf den Cent genau. Genau jetzt fremdschäme ich mich wie selten, möchte gern aufstehen, dem Typen heftige Gewalt antun und den Kellner tröstend in den Arm nehmen, kann mich aber gerade noch beherrschen. Stattdessen geben wir ihm später ein besonders dickes Trinkgeld und streicheln ihn ausgiebig mit den Augen; davon hat er wahrscheinlich mehr als von meiner popeligen Umarmung.

Ich hoffe sehr, dass Herr Vokuhila noch einige richtig miese Pizzen erwischt hat oder ein paar ordentlich verdorbene Calamari, vielleicht sogar mit Salmonellenremoulade, und dass er den Rest seines Urlaubs heftig leidend bei 38 Grad im Schatten auf der Sanitärkeramik eines heruntergekommenen Campingplatzes verbracht hat, und zwar vollkommen ohne Wlan und Springsteen! Vaffanculo!

Eine verbindliche Nacht wünscht
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