Code Coiffeur

Ruhig liegt seine feingliedrige Hand auf ihrem Oberschenkel. „Komm“, sagt er leise, „jetzt sag mir nicht, dass du es nicht auch willst“. Durch die schmierigen Fensterscheiben schaut sie hinaus. Die Laternen der Hauptstraße tauchen das alte Gebäude gegenüber in ein komisch gelbliches Licht.
Anfangs fand sie es aufregend, mit ihm ziellos durch die Gegend zu fahren. Keine andere hatte einen Freund, der schon einen Führerschein und ein eigenes Auto hatte und als sie vorhin am Marktplatz unter den neidischen Blicken ihrer Schulfreundinnen eingestiegen war, hatte sie sich so überlegen gefühlt! Sie hatte sofort das Fenster hinuntergekurbelt, den Arm lässig in die kühle Luft gehalten und den Fahrtwind genossen, der durch ihr langes, blondes Haar wehte. Sie hatte ihn angelächelt und er schüttelte lachend den Kopf, was sie als Hinweis deutete, dass er sein Glück, so eine Sahneschnitte wie sie durch die Stadt kutschieren zu dürfen, kaum fassen konnte. Ihre Mutter war immer so zickig, wenn es um Jungs ging; sie hatte sicher gut daran getan, ihren neuen Freund daheim noch mit keiner Silbe erwähnt zu haben. Nur ihre Freundinnen wussten Bescheid. Weiterlesen

Ich hab’s schon wieder getan …

… und der oft so faulen Franziska Fantasie ordentlich in den Hintern getreten. Wegen akuter Saurergurkenzeit wurden in der Schreibwerkstatt die Monate Juni und Juli zusammengefasst aber für vier eingereichte Geschichten wurden leider nur fünf Stimmen abgegeben. Das Sommerloch ist offenbar tiefer als angenommen. Die Abstimmungsfrist ist nun abgelaufen und meine Geschichte, bei der der erste Satz ja vorgegeben war, will ich euch natürlich nicht vorenthalten.

Soufflé Surprise
Man hatte schon wieder Ratten im Soufflé gefunden. „Merde alore“, wetterte der Maitre, „Paco, was haben die Gäste gesagt? Werden sie uns melden bei die Gesundheitsamt?“. „Ach was, Maitre, alles im Grünen. Ich hab’ den Leuten was von ‚asiatischer Zubereitungsart’, ‚Nouvelle Cuisine’ und ‚experimenteller Kochkunst’ erzählt“, berichtete Paco, stellte die Reste der beiden unfreiwillig fleischhaltigen Soufflés auf die Arbeitsfläche aus blankem Edelstahl und biss herzhaft in sein Leberkäsbrötchen. „Die haben gestrahlt wie ein Satz neuer Alufelgen“ kicherte er.
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Stichprobe

Scheiße. So ein wunderbar, wohlriechender Körper. Ich würde sagen, drei Tage ungeduscht. Lecker. Ich stehe auf verschwitzte Haut, mit einem leichten Film alten, wieder getrockneten Schweißes, Milchsäurebakterien machen sich breit und … ach, ich könnte schon wieder …
Gerade kommt meine Tochter Suzi fast unhörbar angeschwirrt: „Hey Muddi, was geht ab heute?“ Ganz kurzatmig vor lauter Verlangen antworte ich: „Der Alte hat sich eben hingelegt. Da hast du erstmal keine Chance auf einen Stich, Baby. Schau doch mal ein Zimmer weiter! Da liegt noch so ein süßer Typ …“. Suzi kichert und macht sich sofort auf den Weg in den Nebenraum. „Viel Glück, Kleine!“, rufe ich ihr noch leise hinterher, aber sie ist schon um die Ecke. Seit Harry, mein Mann, im letzten Monat einem Attentat zum Opfer fiel, kümmere ich mich allein um Suzi und bringe ihr alles bei, was ein richtig durchtriebener Vamp wissen muss. Das klammheimliche Eindringen in fremde Schlafzimmer hat sie richtig gut drauf! „Zwiebeln!“ tönt es plötzlich neben mir, „der muss Unmengen Zwiebeln gefressen haben. Da kann ich ja gar nicht drauf …“ nölt Suzi neben mir. „Lass’ uns doch den hier nehmen, biddeee …“ bettelt sie. Ruhig atmet das ungeduschte Sahneschnittchen jetzt im Bett. Die Augen sind geschlossen und unter der dünnen Haut unterhalb des kantigen Kinns sehe ich die pulsierende Halsschlagader im Mondlicht, das malerisch auf den muskulösen Körper fällt. Er scheint förmlich darauf zu warten, dass Suzi und ich ihm in den bunten Bassetti-Bezügen Gesellschaft leisten. „O.k., Kleine. Du hast Recht. Pass auf: Du nimmst ihn an den Füßen und ich geh’ ihm gleich an die Kehle. Aber sei vorsichtig! Der Bursche hier ist ein ganz Wilder …“ Suzi grinst: „Hehe, das wird ein Spaß, Alte. Zusammen haben wir’s ja schon lange nicht mehr gemacht!“ und schwirrt ab in den Süden, während ich mich langsam dem drallen Hals nähere. Als ich auf ihm sitze und es dem Süßen gleich richtig geben werde, denke ich noch kurz darüber nach, dass das Leben viel zu kurz ist, um nicht alle Gelegenheiten auf ein bisschen Amusement zu nutzen. Als ich aus den vielen Winkeln meiner Facettenaugen den Schatten der massigen Hand sehe, die sich plötzlich ganz langsam erhebt und gleich mit Schmackes und tödlich auf mich niedersausen wird, steche ich dem Mistkerl mit meinem dicken Saugrüssel noch ein letztes Mal richtig tief in den stinkenden, ungewaschenen Hals. Niemand soll sagen können, dass ich mein Leben als Moskito nicht bis zuletzt in Ausübung meiner Pflichten gelebt habe …

Euch einen insektenfreien Tag wünscht
moggadodde

Das Schweigen der Schweine

Hubert wollte eigentlich nur einen kleinen Verdauungsspaziergang machen. Das Abendessen in der Jagdhütte war wieder verdammt opulent ausgefallen, da ließ sich der Chef nicht lumpen, auch wenn er sonst eine echte Kanaille ist! Er kannte Firmen, die unternahmen einmal im Jahr einen Betriebsausflug nach Heidelberg oder Bad Hersfeld oder Düsseldorf, ollinkel, das hält der Boss aber für üble Verschwendung karger Unternehmensgroschen und lädt statt dessen einmal jährlich in seine Jagdhütte mitten im Schwarzwald. „Ist eigentlich auch nicht so übel“, dachte Hubert und kickte seinen widerlichen Zahnpflegekaugummi auf eine Sammlung Pilze am Wegrand. „Ey, du Sau“ hörte er plötzlich eine Stimme aus dem Dickicht und schaute sich erschrocken um. „Ja, dich meine ich du Dreckstück! Spuckst du daheim auch deine verfluchten Kaugummis auf den Boden?“ Hubert schoss zuerst gehörig das Blut in den Kopf, er hasste es, ertappt zu werden. „Kommen Sie aus Ihrem Versteck“, sagte er laut, „das ist ja wohl keine Art, unschuldige Spaziergänger zu Tode zu erschrecken“. Er vermutete einen eifrigen Förster oder einen Naturschützer, der ein bisschen viel Engagement zeigte und war umso verblüffter, als ein starkes, mindestens 5 Zentner schweres Wildschwein aus dem Unterholz kam.
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Schorsch König

Ich hätte auf ihn hören sollen. Er hatte mich ja oft genug gewarnt. „Wir können alles machen. Alles, wirklich alles. Aber niemals, versprich mir das, niemals darfst du mich küssen!“ sagte er. „Das würde ich nicht überleben.“. „Spinner“ sagte ich jedes Mal lachend, aber ich hielt mich daran, auch wenn ich darin keinen Sinn erkennen konnte. Wir hatten eine wundervolle Zeit mit traumhaften Tagen und ausgefüllten Nächten und es fiel mir zunehmend schwerer, mich an mein Wort zu halten. Zu sehr lockten mich die vollen, schön geschwungenen Lippen und der Wunsch, ihn zu küssen, wurde immer stärker.

Als er am letzten Sonntag nach dem Kaffee wie immer gedankenverloren am Rand meines kleinen Teiches saß, konnte ich mich nicht beherrschen. Ich schlich mich von der Seite an, kniete mich schnell vor ihn, packte seinen Kopf und küsste, küsste ihn, presste meine Lippen auf seine und als ich meinen Mund öffnete berührte meine Zunge nur kaltes Metall. Erschreckt öffnete ich die Augen. Mit einem leisen „Plong“ fiel mir mein Märchenprinz vor die nackten Füße.
Ich hätte mich an mein Versprechen halten sollen, denn es gibt wirklich wichtigeres als einen Kuss. An jedem verdammten Abend gehe ich in den Garten, setze mich an den Teich und sehe meinem Prinz tränenfeucht in die kalten Augen. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen.

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Euch einen märchenhaften Abend wünscht
moggadodde