Klingelstreiche gibt es, seit Klingeln erfunden wurden. Es gibt wohl niemanden in der zivilisierten, mit Klingeln ausgestatteten Welt, der als Kind nicht aus Jux durchs Dorf oder Viertel gezogen ist und mit eingebautem Zufallsgenerator (Anfänger) oder auch ein bisschen Absicht (Fortgeschrittene) die Nachbarschaft erfreut hat.
Ich finde Klingelstreiche sogar pädagogisch wertvoll, schulen sie doch das Reaktionsvermögen an der frischen Luft und die diebische Freude, hinter irgendeiner Hecke zu hocken, während das Klingelstreichopfer ratlos in die Gegend plinst oder ein fragendes „Hallo, hallo, wer ist denn da?!“ aus der Sprechanlage quäkt, stärkt das kindliche Ego. Ich spreche hier als Mutter, schon klar.
Gleich bei der ersten Partie sind Hank und sein Kumpel Schamhaar-Addi gestern beim Klingelstreichen rein zufällig an den Falschen geraten, ausgerechnet an den bösesten Mann, den unser Dorf zu bieten hat. Der Küster ist immer schlecht gelaunt und durchaus gut zu Fuß und in der Lage, Dutzende von Kirchenstufen zu überwinden. Er entdeckte die Jungs, die sich hinter einem Gebüsch verschanzt hatten und nahm sofort die Verfolgung auf. In der übersichtlichen Straße konnten sie den Küster nicht abhängen und so konnte er sehen, wie die zwei Buben mit ihrem Hund zum nächstbesten Kumpel flüchteten, dort eingelassen wurden und sich versteckten.
Der Küster kam jetzt beim Unterschlupf an und bedrängte den dritten Jungen, ihm sofort zu sagen, wer da eben gekommen sei und verschüchtert, wie es sonst gar nicht seine Art ist, aber was will man machen als Kind, wenn ein Berserker-Küster rasenderweise vor der Tür steht, nannte er die Namen von Hank und Addi, die sich nicht aus der Deckung trauten.
Der Küster machte sich daheim die Mühe, ins Telefonbuch zu schauen und rief hier an. Leider, leider war Dixie am Telefon, die sich sein lautstarkes Geschimpfe über die ungezogenen Bengel und die Drohung, beim nächsten Mal die Polizei zu rufen, ruhig anhörte. Die Polizei! DIE POLIZEI! Wegen eines Klingelstreichs! Ich glaub‘ ich spinne!
Ich bedaure sehr, dass nicht ich am Telefon war. Ich hätte keineswegs die reuige Mutter gegeben, die sich ob der Frechheit ihres Sohnes die Haare rauft. Vielmehr hätte ich den Küster gefragt, ob er denn schon als Nieselpriem zur Welt gekommen sei oder ob er sich das erst antrainieren musste, aber sicher sei er doch ein Naturtalent im Miesepetrigsein und ob er denn heute ein bisschen zuviel am Gallensaft genippt hätte? Dann hätte ich ihm die Einseinsnull genannt, falls er sich traue solle er dort anrufen und mir später aber keine Vorwürfe machen, wenn die Beamten sich vor Lachen beömmeln oder ihm gar die Männer mit der weißen Jacke vorbeischicken, weil sie ganz sicher nichts Besseres zu tun haben, als zwei Zehnjährige wegen eines Klingelstreichs zu verhaften. Und ob er denn nicht als Küster ziemlich deplaciert wäre, wenn er hier wegen eines Klingelstreichs den Molli markiere, wo doch Mutti Kirche solche Tugenden wie Langmut, Vergebung und Nächstenliebe propagiert, denn da sähe es bei ihm ja ziemlich mau aus, also würde ich mich meinerseits beim Pfarrer über ihn beschweren, weil sein Oberaufpasser-Schäfchen kleine Kinder drangsaliert! Zu schade, dass ich nicht am Telefon war!
Bei jedem anderen Opfer hätte ich Hank vielleicht sogar ein ganz kleines bisschen geschimpft und auch wenn ich es ihm nicht gesagt habe: Diesem bösen, alten Mann würde ich noch ein paar Streiche mehr gönnen.
Euch einen friedfertigen Abend wünscht
moggadodde