Gemeinhin gehen mir Rallyes jeder Art, und hier ganz besonders die Motorsportlichen, am Allerwertesten vorbei. Wenn eine Rallye allerdings mit leiblichen Genüssen kombiniert wird, sieht die Sache anders aus. Bei einer Veranstaltung mit dem verlockenden Namen „Gourmet-Rallye“ wäre ich wirklich die Letzte, die nicht an Bord wäre!
Im altehrwürdigen Rathaussaal in der pittoresken Altstadt von Ochsenfurt wurden wir am späten Nachmittag zunächst mit rustikalen Häppchen, Sekt und einer kleinen Ansprache des Bürgermeisters für die mehrstündige Tour einem ersten, kleinen Doping unterzogen und folgten nun unserem Guide Andrea mehr als willig, um Näheres über die wirklich spektakuläre Fassade des Rathauses zu erfahren wo, nur als Beispiel, zu jeder vollen Stunde ein Gerippe mit Stundenglas und Stichwaffe wackelnd an die Endlichkeit des schnöden Lebens gemahnt.
Insgesamt erinnerte mich die Fassade mit all den gruseligen und bewegten Gimmicks an die Frontseite einer mittelalterlichen Geisterbahn.
Nach diesem Auftakt nahmen wir im Gasthof Anker die Vorspeise ein, ein sämiges Kastaniensüppchen mit karamellisierten Nüssen, unter den Augen der zuckersüßen und in Deutschland einmaligen Zuckerfee. Weil unsere Führerin Andrea eine Zeitreisende war, konnte sie uns in wirklich unnachahmlich fränkisch-liebreizender Manier (das schließt sich entgegen der Behauptung böser Zungen nicht gegenseitig aus) aus erster Hand mit Informationen nicht nur über die Stadtmauer versorgen, die wir jetzt in Dunkelheit und abendlicher Kühle abschritten. Danach bestiegen wir die Nixe, was in diesem Zusammenhang nicht unanständig sondern praktisch ist, denn die Nixe ist ein Fährschiff.
Auf der anderen Mainseite wurden wir mit Küstennebel Meekuhmilch versorgt und wieder zurückgeschifft (sagt man sicher nicht so, hört sich aber witzig an) und nahmen nach einem weiteren, kleinen Marsch im Hotel Zum Schmied den zweiten Gang, Wildschweinroulade mit Brezenknödeln und Wirsinggemüse. Kaum aufgefuttert, hetzte uns Andrea schon wieder auf die Piste, schließlich wartete noch der Nachtisch und vorher wollten schließlich noch einige Ochsenfurter Anekdoten an den Gast gebracht werden! Für das Dessert, ein Pralinenparfait an mariniertem Orangensalat, fielen wir im Gasthof zum Bären ein. Gut, dass mein dortiger Sitznachbar seine infernalisch stinkenden Fürze erst beim Espresso absonderte! Andrea machte dankenswerterweise schon wieder Druck und wir konnten schnell aufbrechen, denn jetzt warteten in der Altstadt zwei feurige Typen auf uns.
Das mit dem Feuerspucken ist ja eine ziemlich eindrucksvolle Show. Meterhohe Flammen verlassen die Münder waghalsiger Männer, aber das Bunkern feuergefährlicher Flüssigkeiten in der Mundhöhle kann doch nicht gesund sein und allein beim Zuschauen, wie lässig die zwei das gefährliche Zeug in sich hineinkippten, wurde uns, gelinde gesagt, blümerant zumute!
Tatsächlich ist das Feuerspucken nämlich noch gefährlicher, als wir ohnehin schon annahmen: Gereinigtes Petroleum bildet in den meisten Fällen das Brandmittel der Wahl und eine Allergie gegen das Zeug ist wohl noch das kleinste, in Betracht kommende Übel. Um weitere Betriebsrisiken wie Lungenentzündungen, Vergiftungen und Verbrennungen in Kauf zu nehmen ist wohl mehr nötig als Freude an spektakulären Darbietungen, Applaus und ein bisschen Gage. Um sich freiwillig als Feuerspucker zu verdingen, gehört meiner Meinung nach ein gehöriges Maß an Begeisterung im Umgang mit brandgefährlichen Stoffen an den Start, gespickt mit einem gehörigen Quäntchen Wahnsinn. Beeindruckt waren wir alle natürlich trotzdem.
Wer nun glaubt, die Gourmet-Rallye durch Ochsenfurt wäre jetzt schon zu Ende gewesen, hat sich böse geschnitten. Andrea erklärte uns jetzt noch recht anschaulich, wozu der damals häufig frequentierte Pranger gebraucht wurde. Allein schon das Tragen von standesfremder Kleidung, zu langen Haaren oder ein bisschen üble Nachrede und schwupps, stand der Ochsenfurter am Pranger in luftiger Höh! Ich meine, ich fände einen Pranger auch heute oft keine üble Idee, aber der Pranger mit einem derart riesigen Fassungsvermögen müsste wohl erst noch erfunden werden.
Jetzt, um Mitternacht, führte uns Andrea noch ins Bürgerhaus, wo Schmalzbrote und Kümmeli gereicht wurden, eine kleine Verlosung stattfand, das „Dinner for one“ live aufgeführt wurde und endlich allen Sponsoren, Gästen, teilnehmenden Wirten und Gott und der Welt gedankt wurde. Apropos Gott: Gott, war ich jetzt erledigt!
Die Ochsenfurter Gourmet-Rallye war eine bestens organisierte, leckere, lustige und hilfreiche Sache, denn durch unseren Ticketkauf werden der Stadtbücherei die längst überfälligen Computer finanziert.
Spenden und Spachteln – an diese Kombination könnte ich mich gewöhnen!
Euch einen schmackhaften Abend wünscht
moggadodde